Ronja Rienecker (26) arbeitet als Honorarkraft beim Kunst-Stoffe-Berlin e.V. und gibt Workshops über den bewussteren Umgang mit Alltagsmaterialien. SPIESSER-Redaktionspraktikantin Frieda hat sie für euch getroffen.
22. December 2017 - 09:00 SPIESSER-AutorIn freedy.beedy.
Ich stehe vor einer riesigen Lagerhalle mitten in Berlin-Neukölln, zwischen meterhohen Regalen, in denen viele verschiedene Materialien zu sehen sind. So richtig umschauen kann ich mich nicht wirklich, denn Ronja ist der eigentliche Eyecatcher zwischen den ganzen Sachen. In ihrer gelben Jacke, mit einem herzlichen Lächeln und Fahrrad-Reflektoren als Ohrringen ist sie auf Anhieb sympathisch. Wir holen uns eine Holzbank und setzen uns zwischen die ganzen Regale. Es gibt so viel zu entdecken. Am liebsten würde ich tagelang in den Kisten wühlen.
Materials for the Arts
Der Kunst-Stoffe-Berlin e.V. wurde schon vor zehn Jahren gegründet und basiert auf der „Materials for the Arts“-Idee aus den USA: Materialien für jedermann sammeln, damit man mit diesen arbeiten kann. Mit dem Unterschied, dass das Projekt in den USA dauerhaft gefördert wird und in Deutschland nicht. Das Ziel solcher Projekte ist an erster Stelle die Abfallvermeidung, wie Ronja mir erklärt, alles was wieder oder weiter verwendet wird, landet nicht so schnell im Müll. Der Kunst-Stoffe-Berlin e.V. versucht besonders mit seinen Workshops Kinder zu sensibilisieren und über die Weiterverwendung aufzuklären. Doch auch Künstlern kommt das Projekt zu gute. Kostengünstiges Material ist selten und vor allem für Bühnenbauer sind die Lagerhallen des Vereins ein Paradies.
Doch nicht nur die Materialien spielen hier eine große Rolle, auch Themen wie Fortbewegung werden durch Projekte wie die Lastenfahrräder thematisiert. Die Lastenfahrräder sind eine umweltfreundliche Alternative zu Autos, da man mit ihnen auch sperrige Gegenstände gut transportieren kann. Ronja hat Kultur und Medienpädagogik studiert und hat für ihr Praxissemester ein Projekt gesucht, das Umweltbildung und politische Bildung mit einem künstlerischen Aspekt in die Praxis umsetzt. Sie ist in Berlin geblieben und hat ihre Arbeit fortgesetzt.
Strukturierter „Müll“
Die 26-Jährige erzählt mir von der Vereinsstruktur und ich bin schwer beeindruckt, wie wenig Menschen so viel Arbeit stemmen und dabei so erfolgreich sind. Es gibt feste Aufgabenverteilungen, trotzdem springen immer wieder Leute ein, um zu helfen oder die Arbeit im Verein auszuprobieren. Auf meine Frage, wann sie denn eigentlich, als Mitglied eines solchen Vereins, Dinge wegwirft lacht Ronja und gibt zu: „Ich werfe tatsächlich viel zu oft Dinge weg, die man eigentlich noch gebrauchen könnte. Das hat aber auch was mit Platz zu tun – mein Zimmer zu Hause ist ziemlich zugemüllt mit allem möglichen Kram in Schächtelchen.“
Was mir von Anfang an auffällt: das Lager hat Struktur. Die einzelnen Ablagen sind beschriftet und es ist sehr einfach bestimmte Sachen schnell zu finden. Kleinteile sind in Kisten gepackt, große Sachen werden gestapelt. Um bis ganz nach oben zu kommen, gibt es Leitern, die fest am Regal angebracht sind. „Man muss aber auch hier regelmäßig ausmisten“, klärt Ronja mich auf, „Die Lager tendieren dazu, irgendwann zuzumüllen.“ Aus diesem Grund gibt es eine einfach Regel: Wer etwas vorbeibringen will, muss das vorher anmelden, damit jemand beurteilt, was wirklich genommen wird. Der Materialtrend im Moment liegt bei Holz, Molton und LKW-Plane. Für solche beliebten Materialien gibt es Listen, in die kann man sich eintragen und wird benachrichtigt, sobald wieder etwas verfügbar ist.
Ein Jojo für den Heimweg
Der Verein finanziert sich aus verschiedenen Quellen – manche Projekte werden gefördert, die Workshops werden gebucht und auch für die Weitergabe der Materialien wird ein Beitrag erhoben. Aber der ist im Vergleich zu Neumaterial niedrig und orientiert sich auch am Budget der Nutzer bzw. wird gemeinsam ausgehandelt. Über Spenden freut sich der Verein natürlich auch immer. Zum Schluss stöbern Ronja und ich gemeinsam in den Regalen und am Ende besteht meine Ausbeute aus einem sonnengelben Jojo, mit dem ich mich grinsend auf den Heimweg mache.
Fotos & Text: Frieda Rahn
Teaserbild: Lena Schulze
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