Michelle bloggt über das Erzgebirge. Sie will jungen Menschen aus der Region eine Plattform bieten und Vorurteile bekämpfen – mit Texten über Bergbau, Wanderwege oder Waldbrände.
Die Kleinstadt Lugau hat – wie so viele kleine Gemeinden in Deutschland – ein Problem. Sie wird immer kleiner. Lag das durchschnittliche Alter im Jahr 2017 noch bei 50 Jahren, liegt es in zehn Jahren wohl schon bei 52 Jahren. Schon jetzt haben die unter 18-Jährigen nur einen Anteil von 14 Prozent. So wie Michelle Seifert. Sie möchte, dass junge Menschen im Netz eine Plattform haben, um ihre Perspektive auf die Kleinstadt und die Region sichtbar zu machen. „Wir wollen das Erzgebirge aus unserer Perspektive repräsentieren und zeigen, wie wir uns hier fühlen“, sagt die Schülerin. „Und wir wollen versuchen, die Jugend hierzubehalten anstatt sie an die größeren Städte zu verlieren.“
Michelle Seifert
Michelle Seifert ist 17 Jahre alt und hat den Blog „Medien ErZ Community“ gegründet. Sie kommt aus Lugau, einer Stadt mit 8000 Einwohnern im Erzgebirge. Mehr als 125 Jahre hat der Steinkohlebergbau die Stadt und den Blick auf die Region von außerhalb geprägt. „Viele im Westen denken, dass der Osten von Deutschland einfach nur schlecht und nicht so schön ist. Ich finde aber, dass das Erzgebirge eine der schönsten, wenn nicht sogar die schönste, Region hier ist“, sagt Michelle. Auch davon möchte sie auf ihrem Blog berichten.
Von der Idee zur Website und dem Regionalpreis ERZgeBÜRGER
Vor drei Jahren haben sie begonnen, auf Facebook erste Meldungen zu posten. „Ich war beim Tag der Sachsen und habe die Mitarbeiter des MDR beobachtet. Sie haben gefilmt und berichtet. Ich wollte mehr über ihre Arbeit wissen. Es war aber schwierig, einen Praktikumsplatz zu bekommen“, erzählt sie. Also sollte es erstmal etwas Eigenes sein: Die Medien Erz Community. Sie findet in ihrer Klasse Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die schreiben, recherchieren, fotografieren oder layouten. Sie posten auf Facebook zu Themen aus aller Welt, entschieden sich aber bald für den Fokus auf die Region, auf das Hier und Jetzt. „Es hat echt lange gedauert, bis wir 50 Abonnenten hatten“, erzählt Michelle im Nachhinein. „Das hätten wir nicht gedacht. Am Anfang will jeder Aufrufe und Aufmerksamkeit, ob Blogger oder Youtuber.“ Regelmäßig posten, die Community pflegen, recherchieren und Themen planen ist eine Arbeit, die viele Stunden verschlingt. Bis zu sechs Kolleginnen und Kollegen unterstützen die junge Bloggerin dabei.
Weitere Aktionen zum Spendensammeln sind schon geplant.
Warum den Erzreportern das Thema Bergbau so wichtig ist
Der Erfolg kam mit den Aktionen in der Nachbarschaft. „Wir haben eine Spendenaktion gestartet“, erzählt Michelle. „Ewen, der Bruder von einem Freund aus meinem ehemaligen Fußballteam, hat eine schwere Behinderung. Wir wollten Geld sammeln, damit er eine Therapie machen kann.“ Sie schrieben regionale Bands an, organisierten im Juni 2019 ein kleines Event mit Verkaufsständen und sammelten in einem Jahr über 3000 Euro. Auf ihrer Website berichten sie dazu, es folgt ein Spendenprojekt für obdachlose Menschen in Chemnitz. Die Abonnentenzahlen steigen. Und Ewen wird Mitte März sieben Jahre alt. „Er ist nicht mehr so verkrampft und kann besser sitzen. Natürlich setzten ihm Fieber und leichte Krankheiten viel stärker zu als anderen Kindern. Aber er kommt jetzt in die Schule.“
Heute haben die Erzreporter knapp über 400 Abonnenten und Beiträge mit über 2000 Aufrufen. Während der Prüfungsphase im vergangenen Jahr baute Michelle mit ihren Kolleginnen und Kollegen eine Website auf. In acht Monaten haben mehr als 13.000 Menschen erzreporter.de besucht. Und Gründerin Michelle Seifert wurde mit dem Engagementpreis „ERZgeBÜRGER“ ausgezeichnet. „Nach der Preisverleihung kam ich kaum zu meinem Sitzplatz, weil die ganze Presse schon etwas von mir wollte“, erinnert sie sich. „Regionalsender wollten mit uns kooperieren. Vielleicht können wir in Zukunft Beiträge liefern.“
Auszeichnung mit dem Engagementpreis „ERZgeBÜRGER“.
Erzreporter soll aber kein Benefizportal werden, betont Michelle. „Wir haben zuletzt eher über unser Engagement berichtet und wollen uns jetzt wieder auf die Heimat konzentrieren.“ Eine Projektseite zum Thema Bergbau soll entstehen mit Informationen von Leuten, die im Bergbau gearbeitet haben. Oder vom Bergbaumuseum. Oder ein Einblick hinter die Fassade. Die Schülerin erklärt: „Hier spricht eigentlich fast kein junger Mensch mehr über den Bergbau, viele können nichts damit anfangen. Das wollen wir ändern, weil der Bergbau ein prägender Grund dafür ist, warum das Erzgebirge so ist, wie es ist.“
Wenn man erstmal recherchiert, öffnen sich neue Welten. Lange wusste Michelle nicht, welche Geschichte sich hinter ihrer Heimatstadt Lugau befindet. Für einen Artikel recherchierte das Erzreporter-Team auch im Stadtarchiv. „Es gab hier eine Familie, die selbst nicht aus dem Ort stammte und hier ein Sprengstofflager betrieb“, so Michelle. „Sie hatten viel Land, viele Häuser, die heute noch genauso aussehen. Wären die nicht dagewesen, wäre Lugau noch kleiner.“ Sie sollen sogar mit dem Erfinder des Dynamits und späteren Namensgeber des Nobelpreises Alfred Nobel aus Schweden zusammengearbeitet haben.
Erstmal nur ein Hobby
Inzwischen bereitet die 17-Jährige ihr Fachabitur vor, geht in die 11. Klasse. Sie hat sich dazu entschieden, im Erzgebirge zu bleiben. Das war nicht immer so. „Bis zur zehnten Klasse wollte ich in Hamburg Journalismus studieren. Dann wäre ich weggegangen und vielleicht auch geblieben.“ Als sie keinen Praktikumsplatz im Medienbereich findet, bewirbt sie sich bei der Schilderwerk Beutha GmbH, einer Firma in der Region, die Schilder und Anzeigensysteme herstellt. „Das Bauwesen wird immer benötigt“, erklärt sie ihre Entscheidung für das Studium Bauingenieurwesen. „Medien kann ich ja weiterhin machen. Vielleicht ergibt sich eine Möglichkeit, damit Geld zu verdienen.“ Im Sommer macht sie ein Praktikum beim MDR – inzwischen hat sie den Platz angeboten bekommen, direkt auf der Preisverleihung.
Was Michelle jungen Menschen rät, die als Bloggerinnen oder Blogger über ihre Region berichten wollen? „Man sollte sich mit der Region auseinandersetzen, recherchieren, Leute befragen, vielleicht mit dem Bürgermeister zusammenarbeiten und versuchen, viel über die Stadthistorie herauszufinden.“
erzreporter.de
Michelle Seifert (17) aus Lugau im Erzgebirge hat den Blog erzreporter.de gegründet. Sie und ihre Mitstreiter berichten über lokale Themen und haben über den Blog zudem Geld für den guten Zweck gesammelt. Im vergangenen Jahr erhielt die Schülerin für ihr Engagement den Regionalpreis des Erzgebirges „ERZgeBÜRGER“. Hier geht's zur „Medien ErZ Community“!
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