Mach dein Ding!

Im Künstlerdschungel überleben

Jede Person hat Talent – das war das Erste, was SPIESSER-Autorin Anja hörte, als sie die Hallen ihrer Schauspielschule betrat. Die Frage, die sich ihr damals stellte: Wie schaffst du es, dein Talent in Disziplin, Ehrgeiz und Geduld umzuwandeln? Hier beschreibt sie für euch ihren Weg in die Schauspielerei und gibt ein paar Tipps.

14. February 2022 - 13:36
SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
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Beigetreten: 25.04.2009

Denkt man an die Schauspielerei, den künstlerischen Beruf und die Branche, kommen jedem von uns Berühmtheiten, rote Teppiche und ein Leben in Glitzer in den Sinn. Dieser Traum von Ruhm und Erfolg platzt allerdings sehr schnell, sobald man sich in der Realität wiederfindet. Plattformen, auf denen man berühmt werden kann, gibt es zahlreiche, worauf es aber ankommt, ist neugierig zu sein, tief greifende Geschichten durch die Ähnlichkeit der Rolle zum eigenen Selbst zu erzählen und Menschen zu bewegen. Das ist der Sinn von Schauspielerei. Für mich persönlich war, auf der Bühne oder vor der Kamera zu stehen, jemand anderes und doch ich selbst zu sein, über Grenzen zu gehen und einfach laut, eigenartig, „too much“ zu sein, schon immer wie nach Hause kommen. Kurzfilme und Theateraufführungen brachten mich meinem Traum über die Jahre näher. Mit der Unterstützung meiner Eltern und Freunde im Gepäck, ging ich daher direkt nach dem Abitur auf die Schauspielschule. Die Schauspielschule ist ein Ort zum Fehler machen und voller Möglichkeiten des Ausprobierens. Die intime Beschäftigung mit sich selbst und das permanente Arbeiten außerhalb der eigenen Komfortzone sind aus meiner Sicht wohl die hilfreichsten und wertvollsten Erlebnisse und Tools, auf die man sein ganzes restliches Leben zurückgreifen kann – egal, ob man als Person in Zukunft tatsächlich einmal die Mega-Karriere in der Schauspielbranche macht oder nicht. In Fächern wie Szenenarbeit, Filmanalyse, Tanz, Bewegung und Stimmtraining wurde ich jeden Tag gepusht, mehr aus mir selbst herauszuholen. Das war nicht nur physisch, sondern auch psychisch unfassbar anstrengend – aber auch außerordentlich bedeutend für mich. Diese intensive Zeit förderte meine Kritikfähigkeit und Reflexion ungemein.

Wir jungen Schauspieler müssen fast alle in Nebenjobs arbeiten.

Raus in die Welt?

Aus der Schauspielschule, einer Blase voller gleichaltriger Talente mit großem Ego, die davon ausgehen, dass Hollywood anruft, bekam ich vor allem eins: Absagen. Absagen von Castern, Agenten und Filmstudenten. Kein Wunder – immerhin gibt es über 20.000 arbeitslose Schauspieler in Deutschland, die darauf hoffen, ein paar Minuten irgendwo gesehen zu werden.

Und so ist der Alltag von mir und meinen Kollegen davon geprägt, auffallende Bewerbungen zu schreiben, das eigene Demoband mit zwei bis drei Szenen und die Fotos auf den wichtigsten Datenportalen möglichst aktuell zu halten. Und fast alle müssen wir in Nebenjobs arbeiten. Ja, die Miete will ja auch bezahlt werden. Jeder einzelne Drehtag ist dann ein echtes Highlight und eine Bestätigung für die eigenen wochenlangen Anstrengungen. Dieser Moment, wenn ich eine E-Mail oder den Anruf erhalte und es heißt, dass sich eine Produktion für mich entschieden hat, ich mich gegen Hunderte von anderen Bewerbern durchgesetzt habe und der gemeinsamen Arbeit nichts mehr im Wege steht, ist einfach ein tolles Gefühl. Sobald ich dann am Set oder auf der Bühne ankomme, verfliegt jede Wut auf die Branche. Endlich kann ich zeigen, was ich kann. Dieser pure Genuss, das machen zu können, was komplett erfüllend und belebend ist, ist unbeschreiblich schön.

Meistens liegt es gar nicht am Spiel, ob man für eine Rolle gebucht wird.

Wie läuft ein Casting ab?

Häufig wird man ausgesiebt, bevor man sich überhaupt im Sieb befand. Hat man dann mal das Glück und passt gut auf eine Rolle, wird stattdessen jemand aus berühmteren Gründen besetzt und passend gemacht. Gerade die Anfänge in der freischaffenden Schauspielerei sind von kleinen Tages- und Nebenrollen mit ein bis zehn Sätzen gekennnzeichnet. Wer fünf bis zehn Drehtage im Jahr hat, darf sich nicht beschweren – erst recht nicht, wenn die Person kein Kinderschauspieler war, Connections hat oder die Familie in der Filmbranche tätig ist. Castings findet man entweder in Ausschreibungen auf Castingplattformen, über Schauspielcoaches oder Agenturen. Um aber in eine Agentur zu kommen, braucht man Referenzen, und die guten kriegt man eben über eine Agentur. Ein nie endendes Hamsterrad also. Inzwischen gibt es sehr viele Agenturen, daher ist der Ehrgeiz groß, in eine wirklich gute zu kommen.

Wird man zum Casting eingeladen, wird meistens erst ein E-Casting mit ein bis zwei Spielszenen und einer kurzen Vorstellung erwartet. Überlebt man die erste Runde, wird man zur nächsten Live-Runde gebeten. Vorher werden meistens das Drehbuch und eine neue Szene geschickt, welche in verschiedenen Varianten vorbereitet werden muss. Im Live-Casting sind manchmal auch schon der Regisseur und Spielpartner anwesend, die mit einem an den Szenen arbeiten. Nach der zweiten Runde folgt entweder ein drittes Casting oder bereits die Entscheidung. Was nie vergessen werden darf, ist, dass die Caster nie alleine über Besetzungen entscheiden und lediglich Vorschläge machen. Die Geldgeber, also die Produktion und der Regisseur, sind letztendlich diejenigen, die die Macht haben. Meistens liegt es also gar nicht am Spiel, ob man für eine Rolle gebucht wird, sondern an Faktoren wie Typ, Kompatibilität zu den anderen Rollen und der bisherigen Erfahrung.

Du willst Teil der Schauspielbranche werden?

Herzlichen Glückwunsch zur härtesten, mühseligsten und ausdauerndsten Berufswahl, die es gibt. Verfolge deinen Traum, aber sei dir bewusst, dass die Konkurrenz niemals schläft, es immer Menschen gibt, die besser sind und härter arbeiten als du. Vielleicht findest du das eine Ding, das dich von anderen unterscheidet, kannst das richtig einsetzen, zu deinem Vorteil machen und dahin gehen, wo du mit deiner Art, deinem Typ und deinen Skills gebraucht wirst. Ja, vielleicht gehörst du dann zu diesem einen Prozent der Nachwuchsschauspieler, die keinen Nebenjob brauchen. Aber halte dir vor Augen: Schauspielerei ist eine Berufung, die eine große Portion Glück braucht. Aufgeben steht nicht zur Debatte. Denn ein einziger Mensch, der von dir begeistert ist, reicht schon aus, um gesehen zu werden und etwas bewegen zu können. Und wenn die letzte Klappe geschlagen wurde und der Vorhang fällt, war es die ganze Mühe und Energie wert. Ich jedenfalls liebe meinen Beruf.

 

Text: Anja Lukassek, 25, hat Schauspiel studiert und ist als freischaffende Schauspielerin tätig.

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