Ein Klischee besagt, dass gewisse Städte geradezu den roten Teppich für Personen der LGBTQIA-Community ausrollen würden. Wie der rote – oder eher, regenbogenfarbige Teppich – in Amsterdam aussah und wie queerfreundlich diese Stadt wirklich ist, hat SPIESSER-Autorin Simone mehrfach für uns getestet.
25. June 2021 - 13:27 SPIESSER-Autorin teaserette.
Als feminine Lesbe habe ich alleine auftretend selten ein Problem mit Homofeindlichkeit – außer ich überhöre ein Lästergespräch, denn die allermeisten Fremden gehen davon aus, ich wäre hetero, und halten sich daher ganz naiv nicht zurück. Meine Identität wird erst durch meine Partnerin richtig sichtbar. Im Ausland hat das glücklicherweise für mich und uns noch nie zu Problemen geführt, allerdings sei dem hinzugefügt, dass ich auch nicht gerade die „LGBT-freie Zone“ in Polen aufsuche. Gleichzeitig begegnet mir Homophobie erstaunlich oft am bayerischen Flughafen, sei es durch das falsche „Labeln“ (Bezeichnung für eine geschlechtliche oder sexuelle Identität) meiner Partnerinnen (die neben mir automatisch als „Sir“ angesprochen werden) oder das mehrfache Nachfragen von Stewardessen oder anderen Urlaubern, ob ich mit meiner Cousine oder gar Zwillingsschwester (?!) reise.
Ich bin nicht unsichtbar
Ein Land, in dem ich noch nie nur den Hauch eines Problems als frauenliebende Frau hatte, nicht einmal beim Belauschen der Gespräche ringsherum, ist die Niederlande. Absolut liberal eingestellt, denken sich die Niederländer: Leben und leben lassen. Egal, wann im Sommer ich dort in den letzten Jahren strandete – stets war die Hauptstadt Amsterdam komplett in Regenbogenflagge tapeziert. Sogar die öffentlichen Mülleimer werden von den sechs Farben der queeren Community bekleidet – das kann man jetzt natürlich auch finden, wie man will. Als Start hierfür gilt einerseits der Pridemonat Juni, andererseits aber auch die tatsächliche einwöchige Pride Anfang August, deren absolutes Highlight die Parade auf den Grachten ist. Auf Booten wird farbenfroh und lautstark für die gleichen Rechte für alle demonstriert, denn: Stonewall (an diesen Anlass erinnert die Pride) was a riot.
Der Partyaspekt der Pride bleibt aber natürlich auch nicht außer Acht gelassen. Das gilt aber für das ganze Jahr: Schlendert man durch den Amsterdamer Stadtkern, locken reichlich sehr offene Lokale zum Eintreten. Erstaunlich viele davon, die ihre Tore weit aufmachen für Besucher, geben sich als queer zu erkennen. Aus manchen pocht schon mittags Popmusik auf voller Lautstärke. Das ebbt natürlich nachts nicht ab. Letztes Jahr gingen wir beispielsweise vom Abendessen nach Hause, da erblickten wir schon von weitem ein grellpink erleuchtetes Lokal. Darin und davor wurde fröhlich angestoßen, selbstverständlich Corona-konform. Wir halten selbst Händchen, alles ist romantisch und sommerlich und locker-leicht.
Und das ist es, was mir auch an Amsterdam so gefällt: Niemand muss seine Gefühlen zurückhalten. Kein vorsichtiges Linsen, ob es jetzt okay wäre, seinen gleichgeschlechtlichen Partner zu küssen. Sondern ein überzeugtes Händchenhalten, lachen, schmusen. Früher war es für mich zu Hause etwas Besonderes, ein Pärchen auf der Straße zu erkennen, das so war wie ich. Dann reiste ich das erste Mal nach Holland und fühlte mich gesehen – und dupliziert.
Es gibt noch viel zu tun
Amsterdam ist eine wunderschöne Stadt mit einem einzigartigen Flair, auch ohne pinke Lichter. Die Architektur und Kultur, die Blumen und das Wasser, die Möglichkeit ganz schnell aufs Land und ans Meer zu fahren … wenn ich dort bin, schlendere ich immer ganz verliebt durch die Gassen. Auch wird man auf der Straße offen und ohne Vorsicht von queeren Hilfsorganisationen angesprochen, so erwischte uns vor Jahren beim Bummeln durch die Innenstadt der Verein Hivos. Hivos setzt sich für queere Menschen in Ländern ein, die nicht so akzeptierend sind wie in den Niederlanden.
Als die große Pride 2020 abgesagt werden musste, entschied man sich – im Corona-Rahmen – für eine kleine Demo gegen Homo- und Transfeindlichkeit. Der Marsch ging zu The Dam, dem Stadtkern, wo auch die Ausstellung „Flags of Shame“ auf die Länder hinwies, in denen queere Menschen noch immer Todesangst haben müssen. Die Niederländer sind sich ihrer Privilegien sehr bewusst und sind „loud and proud“, um die Situation weltweit zu verbessern. Damit man bald überall hin reisen kann, ohne LGBT-freie Zonen und doofe Kommentare an Flughäfen.
Text: Simone Bauer
Bilder: Jasmin Frey
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