„Koba“ ist japanisch und bedeutet so viel wie „kleiner Familienbetrieb“. Und „kant“ kommt von „Fabrikant“. KOBAKANT sind zwei junge Designerinnen, die statt Garn leitende Fäden in ihre Kleidung verarbeiten. Dinge anders zu machen, ist der rote Faden, der sich durch die Projekte von Hannah und Mika zieht.
26. June 2018 - 08:45 SPIESSER-Autorin VeryMary94.
Ich laufe an einem der ersten Frühlingstage dieses Jahres durch Berlin-Kreuzberg. Mein Ziel ist die Schneiderei für elektronische Textilien von KOBAKANT, einem kreativen Duo bestehend aus Hannah und Mika. Obwohl ich erstmal niemanden sehe, trete ich in das lichtdurchflutete Zimmer – die Tür zur Schneiderei ist offen. spartanisch aber stilvoll mit alten Sesseln, einer in der Luft hängenden Kleiderstange und einem großen Holztisch in der Mitte ist der Raum eingerichtet und hat etwas Wohnzimmer-ähnliches.
Mika sitzt vertieft an einem Auftrag in der Werkstatt
Aus der angrenzenden Werkstatt kommt mir Hannah entgegen und begrüßt mich herzlich. Sie stellt mir Mika und einen weiteren Kollegen vor, die beide in der Werkstatt beschäftigt sind und mir trotzdem aufmerksam einen Espresso anbieten. Mit Joghurt – die Milch ist aus.
Auch Wolle ist smart
Das schwarze „Crying Dress“ hinter dem Sofa ist mir bereits beim Betreten aufgefallen, ich hatte bei meiner Recherche ein kurzes Video dazu gesehen. Hannah erklärt mir, dass diese Kreation ein spekulatives Stück ist, das für eine fiktive Zukunft steht, in der handgearbeitete Elektronik in Kleidung Alltag sein kann. In den Stoff sind leitende Fäden aus Kupfergeflecht eingearbeitet, die herauffallende Wassertropfen auffangen und durch einen Kreislauf, den ich zugegebenermaßen nicht ganz verstanden habe, in eine hörbare Frequenz umwandeln.
Solche Art von Kleidung nennt man wearable technology oder smart textile, wie Hannah mir erklärt: „Wenn man das mal wortwörtlich übersetzt, dann könnte ich auch sagen eine Uhr sei wearable technology oder mein Wollpulli, weil der mich sehr gut warmhalten kann. Was damit heute gemeint ist, ist die Verbindung zwischen digitaler Technologie und dem textilen Stoff. Das „smarte“ kommt von der Idee, dass da ein kleiner Computer in deiner Kleidung steckt.“
How to get what you want
Hannah und Mika betreiben auch die DIY-Seite „How to get what you want“ unter kobakant.at/DIY, auf der ein beachtliches Repertoire an Anleitungen für E-Textile- Neulinge und Konzepten zum Thema E-Textiles zu finden ist. Um seinen ersten Schaltkreis in Stoff einzunähen, braucht man zum Beispiel nur leitenden Faden oder Stoff, ein paar LEDs und Knopfzellen. Hannah und Mika bieten aber auch Workshops an, bei denen man am besten ein Gefühl für die Materialien bekommt und andere Interessierte kennenlernen kann.
Massagen, Gaming und open source Prinzip
Auf die Frage hin, wie sie überhaupt darauf kam, wearable technology herzustellen, muss Hannah erst kurz überlegen. An der Uni Linz hat sie Industriedesign studiert und ab und zu Vorlesungen zu Interface Cultures besucht, wo sie Mika kennenlernte. Eines Kneipenabends kamen zwei Themen zusammen, die auf den ersten Blick wenig vereinbar sind: Massagen und Gaming. Das erste gemeinsame Projekt war geboren – die massage-me Weste. Eine Weste mit integriertem Game-Interface auf dem Rücken. Ob es die zu kaufen gäbe, frage ich. Nein, aber die Anleitung dafür ist online – die zwei setzen auf das open source Prinzip.
Es gibt noch keine fertigen Lösungen in E-Textile und Hannah liebt diese Herausforderung, nach neuen Lösungen zu suchen. Aber wo fängt man an, frage ich mich. Für mich ist das alles Neuland, das ich heute zum ersten Mal betrete. Ich bin begeistert und gleichzeitig habe ich Probleme, mir eine Zukunft mit dieser Art von Kleidung vorzustellen. Hannah aber beeindruckt mich mit ihrem Idealismus. Trotzdem liegt die Massentauglichkeit ihrer Meinung nach noch in fernerer Zukunft.
Der Laden von Hannah und Mika ist das Medium, um diese Zukunftsgeschichte zu erzählen. Er zeigt das Märchenhafte und Fiktive, von dem Hannah spricht. So könnten Läden der Zukunft aussehen. Immerhin fünf Aufträge haben sie derzeit, von denen drei Stück von Leuten stammen, die sich in den Laden getraut haben. Das macht Hannah stolz.
In Hannahs Kreativwerkstatt wird genäht und gelötet
Fotos & Text: Marie Robinski
Teaserbild: Lena Schulze
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