Harter Alkohol, Party bis in die Puppen und Casino-Besuche – was nach einem echten Rockstarleben klingt, ist P 18. So will es das Gesetz. Aber springt der sogenannte Jugendschutz auch überall da in die Presche, wo er soll, oder gibt es Schlupflöcher? Die 16-jährige SPIESSER-Autorin Marie hat es am eigenen Leib getestet.
21. December 2014 - 13:25 SPIESSER-Autorin TastenMöhre.
Es sind Ferien, ich kann ausschlafen und bleibe länger auf. Als ich den Fernseher einschalte, blinkt noch kurz der Hinweis auf, „die folgende Show ist für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre nicht geeignet“. Und schon beginnt das Metzelabenteuer, das ganz bestimmt nicht für meine Augen geeignet ist. Wo bleibt der gehobene Zeigefinger und die Schelte, dass ich nicht erwachsen bin? Nichts passiert, nur auf dem Bildschirm spritzt viel Blut. Kann man den Jugendschutz,der uns eigentlich vor allem Übel beschützen soll, überall so leicht umgehen? Gleich am nächsten Tag mache ich mich auf Spurensuche.
Was darf´s sein?
Mein erster Stopp ist das Kino. Ich versuche, mir Kinokarten für eine Vorstellung am Abend zu kaufen, die länger als 24 Uhr geht, eigentlich darf ich das nicht. „Ich möchte bitte eine Schülerkarte.“ Die Frau an der Kasse ist vorbildlich und erklärt mir freundlich, dass ich als Minderjährige nicht in eine Vorstellung gehen darf, die nach Mitternacht endet. Alles richtig gemacht.
Ab ins Einkaufszentrum. In einem großen Technikladen suche ich mir eine DVD mit dem Zeichen FSK 18 aus. Schon bevor die Frau an der Kasse sie auch nur abgescannt hat, fragt sie mich nach meinem Ausweis.
Und damit hat sie sich korrekt verhalten, denn im Gesetz steht, dass Medien, die erst ab 18 freigegeben
sind, auch nur an Volljährige verkauft werden dürfen. „Ich darf dir die DVD leider nicht geben“, lächelt sie
und behält den Film gleich an der Kasse.
Weiter geht´s in ein Sonnenstudio. Eine Frau empfängt mich freundlich und fragt, ob ich schon bei ihnen eingeschrieben bin. Als ich verneine, fragt sie mich, wie alt ich bin und ob ich meinen Ausweis mithabe. „Den habe ich vergessen. Komme ich auch so rein?“ Da erklärt sie mir, dass sie das leider nicht darf, weil man sich erst ab 18 sonnen darf und sie sich bei mir nicht sicher ist, wie alt ich bin. Test bestanden! Denn 2009 hat der Bundestag beschlossen, dass Jugendliche unter 18 Jahren nicht mehr ins Solarium gehen dürfen, weil bei uns das Risiko höher ist, später an Hautkrebs zu erkranken.
Einmal mit Minze bitte!
Ob die Leute im Tabakladen auch so vorbildlich sind? Ich betrete den Laden, um mich herum stehen lauter Shishas und Zubehör für Wasserpfeifen wie Schläuche und Mundstücke. Ich sage, dass ich Tabak haben möchte und werde auch gleich gefragt, welche Sorte ich haben will. Ich bin vollkommen perplex. Neben mir steht ein Pärchen, dass gerade Pfefferminztabak kauft, deshalb sage ich schnell: „Etwas mit Minze?“ Der Verkäufer greift in das Regal hinter sich, in dem bestimmt mehr als 30 Sorten Tabak stehen. Er will gerade die Packung scannen, als ich ihn frage, ob er denn nicht meinen Ausweis sehen möchte. „Bist du denn schon 18?“ Ich schüttle den Kopf. „Da hast du dir selbst ins Knie geschossen.“ Aber dann flüstert er mir zu, ich könne doch einfach das Pärchen neben mir fragen, ob sie mir den Tabak kaufen. Ich sage danke und gehe. Anscheinend wusste der Mann, dass man Tabak erst ab 18 kaufen darf. Aber hätte ich nichts gesagt ...
Ich ziehe eine erste Zwischenbilanz: Es steht 3:1 zwischen vorbildlich und unverantwortlich. Weiter geht es zum Piercing- und Tattoostudio. Im hinteren Bereich des Ladens sehe ich drei Tätowierer bei ihrer Arbeit
und im Wartebereich sitzen zwei Mädels, die sich gerade in einem Katalog Piercingformen anschauen. Ich gehe zum Tresen und sage, ich hätte gerne ein Helix, also ein Piercing am äußeren oberen Rand des Ohres, was bei Mädchen im Moment ziemlich angesagt ist. Die Frau am Tresen erklärt mir gleich das Komplettpaket für das Stechen. Als wir den Termin klären wollen, will sie meinem Ausweis sehen. Ich sage, dass ich ihn vergessen habe. „Den brauchst du aber für einen Termin, außer deine Eltern sind dabei. Komm einfach noch mal mit dem Ausweis vorbei“, lächelt sie. Ich lächle zurück, denn die Dame hat alles richtig gemacht. Es ist gesetzlich festgelegt, dass Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren sich zwar piercen lassen können, aber nur mit Einwilligung eines Erziehungsberechtigten.
Schild = gesetztestreu?
Langsam wird es dunkel, im Partyviertel von Dresden sammeln sich die Leute in den Kneipen. Ich suche mir
eine bei Studenten ziemlich angesagte heraus. Drinnen ist es zwar ziemlich voll, aber ich finde trotzdem noch einen freien Tisch. Die Luft ist erfüllt mit Alkohol- und Zigarettengeruch. Ich warte auf die Bedienung und bestelle mir bei einer ziemlich jungen Frau eine Wodka-Cola. Ohne mit der Wimper zu zucken, nimmt sie meine Bestellung auf und wenig später steht das Glas vor mir. Verdammt! Eigentlich müsste die Bedienung mich nach meinem Ausweis fragen, denn Jugendliche unter 18 Jahren dürfen keinen harten Alkohol konsumieren. Dazu zählen Schnaps und andere branntweinhaltige Getränke. Ich bin sprachlos, dass ich einfach so Wodka bekommen habe. Weil ich durstig bin, bestelle ich mir noch eine normale Cola und ernte dafür fragende Blicke der Kellnerin. Der Wodka bleibt stehen. Beim Gehen entdecke ich hinter dem Tresen noch ein Schild, auf dem steht „In dieser Gaststätte wird kein Alkohol an Kinder und Jugendliche abgegeben“. Einfach Schilder aufzuhängen, scheint nicht viel zu bringen.
Das Gleiche gilt eigentlich auch beim Verkauf von alkoholischen Süßigkeiten. Als ich mit Schnapspralinen an der Supermarktkasse stehe, schüttle ich innerlich mit dem Kopf, weil ich sie ohne Umschweife kaufen kann. Ich bezahle kommentarlos und sehe über der Kasse wieder ein Schild: „Man sieht ihnen ihr Alter nicht an, deshalb bitte auf Nachfrage Ausweis vorzeigen. Wir verkaufen keinen Alkohol an Kinder und Jugendliche.“ Noch so ein Schlupfloch.
Du kommst hier nicht rein! Oder doch?
Gleich neben dem Supermarkt blinken die Lichter einer Spielhalle. Ich gehe hinein und die Frau am Tresen fragt mich nach meinem Alter und Ausweis. Ich gebe vor, ihn vergessen zu haben. „Dann kann ich dich leider nicht reinlassen. Wenn eine Kontrolle kommt, bekommen wir mächtig Ärger.“ Ich nicke verständnisvoll. „Betteln brauchst du auch nicht, da bin ich eiskalt“, lacht sie. Und das ist auch gut so! Denn Minderjährigen ist ohne Ausnahme der Aufenthalt in Casinos und die Teilnahme an Glücksspielen verboten.
Zurück auf der Straße, dröhnen schon die Bässe der Diskotheken. Ich schaue auf die Uhr: Kurz nach Mitternacht – eigentlich die beste Zeit für eine Party, oder? Zwar darf ich mit 16 schon in die Disco, aber
um 24 Uhr ist Schluss. Am Eingang der Disco steht ein Türsteher, stämmig und mit vielen Tattoos und
Glatze. Ich gebe zu, er jagt mir ein wenig Angst ein. Durch die verschlossene Tür höre ich gedämpft die
Tanzmusik. Als ich in der Schlange vorgerückt bin, nennt mir er mir gleich den Eintrittspreis. Ich frage ihn, ob es eine Altersbeschränkung gibt. „Ab 18.“ Und was ist mit meinem Ausweis? „Das ist nett von dir, aber den muss ich nicht sehen.“ Ich gestehe ihm meine Minderjährigkeit und er schaut mich verdutzt an. Er hätte mich auf 18 geschätzt. Charmant, aber leider gegen das Gesetz.
Hätte, würde, könnte
Der Tag, an dem ich legale Grenzen überschreiten wollte, neigt sich dem Ende. Mit einem gemischten Gefühl trete ich den Heimweg an. Meine Bilanz: Am Ende hat der Jugendschutz meine Tests zwar knapp bestanden. Trotzdem hätte ich mich ohne weiteres mit Wodka betrinken, Tabak rauchen oder Schnapspralinen naschen können. Mich hätte niemand aufgehalten, bis tief in die Nacht tanzen zu gehen.
Immerhin haben sich die Menschen im Kino, Sonnenstudio, Piercingstudio, Technikladen und Casino
vorbildlich verhalten und den Jugendschutz eingehalten. Dennoch hinterlässt es ein komisches Gefühl, denn es ist natürlich verlockend, diese Schlupflöcher auszunutzen. Ich selbst denke, ich kann noch guten Gewissens zwei Jahre warten. Aber andere in meinem Alter? Sie sehe ich nach diesen Erlebnissen nicht
mehr ausreichend beschützt.
Text: Marie Schäfer
Foto: Matthias Popp
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