Am 7. Mai machte ich mich früh am Morgen auf den Weg in die Hauptstadt, um die Tincon zu besuchen. Dort angekommen wartete ich auf die ersten Redebeiträge, wobei ironischerweise der Song „Ich will nicht nach Berlin“ der Chemnitzer Kultknaben von Kraftklub ertönte. Ob ich die Reise in die Hauptstadt tatsächlich lieber nicht hätte antreten sollen, erfahrt ihr in diesem Nachbericht!
Vom 6. - 8. Mai fand im Rahmen der 19. re:publica die diesjährige Tincon statt. Im Berliner Kühlhaus traten dabei über 50 verschiedene Rednerinnen und Redner auf, um ihre Ansichten rund um das Thema digitale Jugendkultur zu teilen. Seien es Dinge wie Social Media, YouTube, Games oder Technik. Aber auch der Klimaschutz und Wissenschaft standen hoch im Kurs. Dabei hat es die Tincon geschafft, eine Veranstaltung von jungen Menschen für junge Menschen zu schaffen. Erstmals war dieses Jahr mit der Jetpack Jobmesse auch eine Ausstellung für digitale Berufe dabei. Eine Vielzahl von Workshops rundeten das hochwertige Programm ab.
In der Silent Disco konnten die Anwesenden ihre Moves
auspacken, ohne die Reden zu stören.
Jetzt sind wir dran!
Die Veranstaltenden haben die Tincon ganz im Zeichen der digitalen Jugend gestaltet. Alles wirkte frisch, hipp und innovativ. Die Dekoration war so vielfältig wie auch minimalistisch. Dennoch war es die Jugend selbst, welche im Mittelpunkt stand. Dies wurde von Beginn an vermittelt. Festzumachen war das unter anderem an den U21 Areas, zu denen nur Personen Zutritt hatten, die jünger als 21 waren. Zahlreiche VR-Spielereien und Workshops boten darüber hinaus die Möglichkeit, sich kreativ zu betätigen und zu äußern: von einer Open Stage, auf der jede Person frei reden konnte, bis hin zum Coden auf selbstgebauten Displays. Auch bei den Redebeiträgen wurde Zeit für die Fragen des Publikums eingeräumt. Das lief mal mehr, mal weniger gut. So gab es manchmal schlicht keine oder nur wenige Fragen, bei anderen Redebeiträgen hingegen reichte die Zeit nicht aus. Die Reden wurden im Übrigen prominent besetzt, denn der Stargast neben Sophie Passmann war wohl Franziska Giffey, die Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Angeleitet durch die Moderation von Salwa Houmsi stellte sie sich 'todesmutig' den kritischen Fragen des jungen Publikums rund um ihre Promotion, Fridays for Future oder Digitalisierung.
Mit Jetpack abheben?
Eine Neuerung dieses Jahr stellte die Jetpack Jobmesse dar, auf der sich Jugendliche über Berufe in der digitalen Welt informieren konnten. Dafür gab es in kleineren Runden Vorträge zu verschiedenen Themen und Problemen der digitalen Arbeitswelt. Vom computergesteuerten Cocktail-Mixer, über Robotik und 3D Druck, bis hin zur Karriere für Menschen mit Behinderung boten sich durchweg interessante Diskussionen und Vorträge. Im Anschluss daran konnten sich interessierte Personen noch an den Infoständen der einzelnen Unternehmen über ihren neuen Traumjob austauschen. Wie wäre es beispielsweise Spiele zu enzwickeln oder Maschinen für Siemens zu bauen? Sicherlich sind dies spannende Tätigkeiten, aber persönlich hätte ich mir etwas mehr von einer Jobmesse gewünscht. Die Auswahl zwischen den unterschiedlichen Unternehmen und Firmen war nicht allzu hoch, sodass sich neben Siemens, dem rbb und dem Zeit-Verlag nur noch eine Handvoll weiterer potenzieller Arbeitgeber blicken ließen. Versteht mich nicht falsch, sie haben allesamt gut aufgeklärt, aber etwas mehr Vielfalt hätte sicherlich nicht geschadet. Zugegeben ich war nur am zweiten der drei Messetage anwesend, aber von einer Jobmesse habe ich irgendwie was anderes erwartet.
In der funk Lounge konnte man nicht nur abhängen, sondern
auch Fragen an die Vertretenden des Rundfunks stellen.
So springt der funk'e über!
Wo viele Menschen aufeinandertreffen und sich austauschen darf natürlich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht fehlen. Als einer der Hauptförderer der Tincon ließen sich ARD und ZDF das Spektakel natürlich nicht entgehen und schickten gleich eine hochrangige Entourage aus dem funk-Kosmos, um die eigens eingerichtete Lounge zu besetzen. Für diejenigen unter euch, welche nicht wissen was funk ist, folgt nun ein kurzer Exkurs: Es handelt sich dabei um ein Content-Netzwerk, welches aus der Zusammenarbeit von ARD und ZDF entstand und explizit junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren ansprechen soll. Das Programm findet dabei ausschließlich über Onlineplattformen seinen Weg zur Zielgruppe. Aber genug dazu. Auf der Tincon waren neben Mai Thi Nguyen Kim von maiLab nämlich auch Vertreterinnen und Vertreter der funk-Formate Druck - die Webserie, mädelsabende, follow me.reports, Die Frage, Auf Klo, Mordlust und Deutschland3000 am Start. Daraus ergaben sich durchaus spannende Redebeiträge, woran den Zuschauenden im Anschluss Gelegenheit für Fragen eingeräumt wurde. Wer sich nicht vor versammelten Publikum traute, hatte später in der funk Lounge noch einmal die Möglichkeit, Fragen von Angesicht zu Angesicht zu stellen.
Doch lieber im Bett bleiben?
Am Ende des Tages habe ich die Reise nach Berlin keineswegs bereut. Im Gegenteil: Ich bin froh, dort gewesen zu sein. Abgesehen von der Jobmesse würde ich den Tag daher als erfolgreich werten. Endlich war ich mal auf einer Messe, bei der die Jugend im Fokus stand. Hier ging es wirklich nur um uns: kein Gelaber um den vielzitierten 'heißen Brei', sondern nur Tacheles. Es war sehr schön, mal die Leute live zu sehen, die ich sonst nur von YouTube kenne. Mich mit ihnen konstruktiv über Zukunftsthemen auszutauschen, stellte das absolute Highlight dar. Da die Tincon für U21-Personen eh kostenlos ist, würde ich auch jederzeit wieder die Reise in unsere Hauptstadt antreten, um diese Messe zu besuchen.
Gespannt lauschte das Publikum den verschiedenen Redebeiträgen.
Text: Duc Hai Le
Teaserbild: Duc Hai Le
Fotos: Duc Hai Le
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