SPIESSER-Autorin Anna-Lena war letzte Woche in Paris, der Kunstkulturhauptstadt Europas, um über die neue Fotoausstellung von Fotograf und Schauspieler Norman Reedus zu berichten. Am Ende glich der Besuch in der Galerie eher einem Schaulaufen unter Wildtieren, als einem gesitteten Kulturbesuch.
12. June 2019 - 12:55 SPIESSER-Autorin Anni Malter.
Ein britischer Kunsthändler, eine afrikanische Schönheitskönigin und ein französischer Diplomat treffen sich zusammen mit einer Pariser Grunge-Band, um sich in einer kleinen Galerie Zombiefotos anzusehen. Was nach dem Anfang eines Witzes klingt, war Realität. Am Dienstag, den 28. Mai, konnte ich auf der Vernissageparty von Fotograf und Schauspieler Norman Reedus („The Walking Dead“) wie ein Hobbyanthropologe das Verhalten der Pariser Künstlerszene beobachten.
Norman Reedus' Motive sorgten bei Autorin Anna-Lena für Verwirrung.
Wie Bridget Jones im Bunny-Kostüm
Ich, ein bekennender „The Walking Dead“- Fan, fühlte mich inmitten der Wirtschaftsbosse und Haute-Couture-Träger wie Bridget Jones, der man nicht gesagt hat, dass das „Priester und Bunny“- Thema abgesagt ist. Da stand ich also in Jeans und Bluse und wusste gar nicht, wohin mit mir, umringt von Leuten, für die solche Veranstaltungen täglich sind. Auf einem Sessel sitzend, welcher laut Preisschild mehr kostete als ein Familienurlaub, beobachtete ich aus sicherer Entfernung das Eigenleben der Partymenge. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so sehr fehl am Platz gefühlt wie hier und doch ging von diesem Ort eine eigenartige Faszination aus. Menschen, die jenseits der Norm lebten und deren Heimat die ganze Welt war.
Sind Zombies Kunst?
Zuerst dachte ich nur an Untote und morbide Fotos als ich von Norman Reedus‘ Ausstellung erfuhr. Doch Zombies suchte ich an den Wänden der Galerie vergeblich, ebenso die Apokalypse. Seine Fotomotive überraschten mich viel mehr, da sie keinem Horrorfilm glichen, sondern lebende Menschen zeigten. Die gewählten Motive sorgten aber auch für Verwirrung. So stand ich fünf Minuten vor einem Bild, um die Technik zu bewundern, bis mir die Galeristin Sophie Lacasse sagte, dass es sich hierbei um eine russische Prostituierte handelte. Die schwarz-weißen Fotos zeigten weiterhin russische Gefängnisinsassen, Reedus‘ kleinen Sohn in New York, einige Portraits und Selbstportraits. Die Fotos wirkten unglaublich nah und gleichzeitig rudimentär. Auch steht die sehr feminin eingerichtete Galerie im kompletten Gegensatz zu den rauen Aufnahmen in schwarz-weiß.
Pariser Haute-Couture-Träger in ihrem Element.
Businesskartenhandel wie auf dem Schulhof
Als sich die Räume allmählich füllten, bemerkte ich, dass es den Gästen weniger um die Fotos, also den eigentlichen Grund ihres Beisammenseins, ging, sondern eher darum, sich voreinander zu profilieren. Es wurden auf Handys Diagramme des letzten erfolgreichen Quartals gezeigt und über die Wichtigkeit einiger Firmen debattiert. Businesskarten wurden hier wie Kaugummi auf dem Schulhof ausgetauscht. Jeder, der Rang und Namen hatte, stand in der Galerie oder auf der Straße davor mit einem Glas Wein in der Hand. Man unterhielt sich in Französisch, Englisch und Deutsch über die Tagespolitik, das Ergebnis der Europawahl, die Kunstpreise oder den neuesten Familienzuwachs. Mit der Zeit und den Weinmengen, die über die Theke gingen, zweifelte ich immer mehr daran, dass die Liebe zur Kunst die Menschen hier zusammengebracht hatte. Es schien fast so, als wären solche Events eine passende Ausrede, sich mal wieder zu treffen, zu plaudern oder sich ganz neu kennenzulernen.
Ein Zombiekiller geht online
Kurz vor Ende der ganzen Veranstaltung meldete sich Norman Reedus via Facetime bei Sophia direkt aus New York und machte sich selbst ein Bild von der Party. Es glich einem Zoo, als alle Menschen gleichzeitig aufschrien und versuchten in die Kamera zu winken. Reedus zeigte sich eher lässig und cool. Laut Sophie war der Abend ein voller Erfolg, auch ich konnte mich bei den vielen gesammelten Emailadressen und Telefonnummern nicht beklagen, zusätzlich einem Jobangebot bei einer Londoner Kunstagentur. Dass ich gerade einmal mein Abitur hinter mir habe, wurde nur mit einem Schulterzucken beantwortet. Norman Reedus selbst hatte schließlich auch keine Schauspielschule oder einen Fotostudiengang besucht.
Exklusive Vernissage-Einblicke in ungewohnter Umgebung.
Das Ende der Apokalypse?
Einen Tag später kam ich noch einmal zu Sophie in die Galerie, um mich ausführlich mit ihr über den gestrigen Abend zu unterhalten. Auf meine Frage, was sie denn nun persönlich von Reedus' Fotos halte, antwortete sie: „Ich glaube, der Grund, warum so viele Menschen die Fotos von Norman lieben, ist der, dass seine Bilder alle möglichen Arten von Menschen zeigen in ihren unterschiedlichsten Situationen. Sie zeigen, wie Frankreich wirklich ist, wie die Welt wirklich ist. Er fotografiert nicht nur die reichen Leute, sondern alle Menschen jeder Alters- und Gesellschaftsklasse – und das ist auch der Grund, warum die Vernissage so ein Erfolg war. So viele unterschiedlichen Menschen kamen zusammen und alle verstanden sich super gut. Das ist es, was Kunst bezwecken soll, Menschen aus verschiedener Herkunft zusammenzuführen.“
Text und Fotos: Anna-Lena Malter
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