Manche Träume kosten richtig viel Geld. SPIESSER-Autorin Katharina hat sich für ihren sogar hoch verschuldet. Das alles für ein Auslandssemester in den USA. Nun plagt sie sich mit Geldsorgen. Und ihre Eltern? Die sehen's beinahe gelassen. Ääääh, what?!
26. November 2014 - 14:23 SPIESSER-Autorin kastanienbraun.
Darf man in einer Bankfiliale umherrennen? Ich renne umher, ganz schnell. Aus Angst, aus Spaß? Aus Fassungslosigkeit! Ich wollte nur 20 Euro abheben und jetzt das: Während ich darauf warte, dass der Geldautomat meine Karte wieder ausspuckt, steht auf einmal dieser Satz auf dem Display: Ihr aktueller Kontostand beträgt 10.576 Euro. Bitte was?! Es ist einer dieser Momente, in denen du dastehst wie ein Nussknacker. Es ist einer dieser Momente, in denen dein sonst so mickriges Studentenkonto fünf Stellen VOR dem Komma hat. Es ist ein überhaupt nicht-studentischer Moment.
Nein, ich habe nicht heimlich geerbt, gestohlen, betrogen, gewettet.
Ich muss rausbekommen, woher dieser plötzliche Reichtum kommt. Also renne ich zum Kontoservice-automaten, um es schwarz auf weiß zu sehen : +10.000 Euro Darlehen. Nein, ich habe nicht heimlich geerbt, gestohlen, betrogen, gewettet. Das Darlehen für mein Auslandsstudium ist da. Einfach so, ohne Ankündigung. Wie aufregend und erleichternd. Endlich steht meinem Traumsemester in den USA nichts mehr im Weg. Die letzten Wochen ziehen in Sekundenschnelle durch meinen Kopf: Erst kam die Bewerbung mit tausend verschiedenen Schritten, danach die Freude: Angenommen, ich gehe in die USA! Dann der Schock: By the way, das Semester kostet 12.000 Dollar. Freude futsch und verzweifelteTränen. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so geheult habe. Wie konnte ich das nur überlesen? Dann die tätschelnden Hände und Worte der Eltern: „Alles wird gut.“ Eigentlich nicht. Woher soll ich auf einmal so viel Geld nehmen? Für mich war immer klar: Wenn ich ins Ausland gehe, dann nicht auf Kosten meiner Eltern. Also blieb nur Absagen oder ein Darlehen. Da ich meinen Traum nicht platzen lassen wollte, entschied ich mich für letzteres. Aber wer will schon verschuldet sein? Ich wollte das jedenfalls nie. Aber der Zug ist nun abgefahren.
„Ach, Ihr Antrag? Den habe ich nicht bekommen.“
Also habe ich mich auf ein zinsloses Studien-Darlehen beworben, musste ein Gutachten über meine Leistungen, ein Bewerbungs- und Motivationsschreiben, einen Nachweis über ein Ehrenamt und eventuelle Reichtümer einreichen. Dann verstrichen die Wochen und ich bekam keine Antwort. Irgendwann fragte ich nach: „Ach, Ihr Antrag? Den habe ich nicht bekommen.“ Also alles von vorn. Dann der Anruf: „Jetzt fehlen uns Unterlagen. Wir vertagen die Entscheidung“. Wie bitte?! Mein USA-Traum rückte in weite Ferne. Sehnsüchtig dachte ich an dasErasmusprogramm meiner Kommilitonen. Wer damit ins europäische Ausland geht, hat nicht mal die Hälfte meiner Sorgen und bekommt sogar Geld geschenkt!
Nach ein paar Wochen zwischen Bangen und Hoffen, ob mein USA-Darlehen endlich genehmigt wurde, liegt jetzt plötzlich und unerwartet das Geld auf meinem Konto. Ich bin so erleichtert und dankbar! Aber als ich die Bank grinsend verlasse, schießt es in meinen Kopf: Ab heute bin ich für die nächsten neun Jahre verschuldet. Neun Jahre, das heißt 200 Euro werde ich jeden Monat locker haben müssen, um das Darlehen zurückzahlen zu können. Der Gedanke schmerzt. Ich kann nur hoffen, dass alles gut geht.
Das ist der Preis, den ich für mein Abenteuer zahle. Also schmiede ich einen Plan: in den USA nicht so viel Geld ausgeben und viel arbeiten, wenn ich wieder in Deutschland bin.
Frischkäse für fünf Dollar. Ich rechne heimlich hoch und überlege, ob mein Geld reicht.
Ein paar Wochen später: Das mit dem Sparen ist nicht so einfach, die Realität hier in den USA sieht anders aus. Wenn ich im Supermarkt stehe, wird mir jedes Mal flau im Magen. Milch für acht, Schokocreme und Frischkäse für fünf Dollar. Ich rechne heimlich hoch und überlege, ob mein Geld reicht. Ich kaufe nicht die teuren Lebensmittel. Ich nehme das Fahrrad statt der Metro. Ich spare. Vielleicht macht man das so, wenn man verschuldet ist. Das ist meine Antwort auf die fünf Stellen vor dem Komma, die eigentlich nicht mir gehören.
Und ich renne manchmal immer noch. Ich trage eine so wertvolle Geldkarte bei mir, wer weiß, ob mir jemand über die Schulter schaut, ob mir jemand folgt? Ich rufe Mama an und frage, was ich tun kann. Sie lacht. Ich solle mir keine Sorgen machen. Die Geldkarte habe ich ab dann trotzdem so oft es ging im Unterwäschefach meiner Kommode versteckt. Sicher ist sicher.
Text: Katharina Fiedler
Illustration: Christian Pfeifer
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