Die halbe Studentenschaft ist vom Vintage verweht. Jeder steht auf Literatur von der Aufklärung bis zu den 90ern. Hengame versucht zu erklären, warum Hemingway Hegemann schlägt.
25. November 2012 - 13:20 SPIESSER-Autorin woundedrhymes.
Ich erinnere mich noch an die dreimonatige Transformationsphase von der Schülerin zur Studentin: Wer noch nicht kochen konnte, ließ sich das beibringen. Wer noch mal reisen wollte, schnappte sich seinen Rucksack und flog nach Australien. Und wer Literatur studieren wollte, der wurde panisch. Was, wenn der bisherige Input zu gering war? Ich gehörte zu der letzteren Sorte. Mit meinem besten Freund erstellte ich flugs eine Leseliste: Noch am selben Tag bestellten wir das Best of der Klassiker: Scott Fitzgerald, Oscar Wilde und Konsorten. In Originalsprache, versteht sich.
So wirklich Spaß machte das Lesen nicht, aber ich kämpfte mich durch einen Sommernachtstraum und flog mit Wendy und ihren Geschwistern ins Nimmerland. Dass Peter Pan im Original total langatmig ist, begriff ich spätestens im siebten Kapitel und legte das Buch zur Seite. Bis zum Semesterbeginn hatte ich ein knappes Drittel meines Bücherberges bezwungen. Und stellte fest, dass meine Kommilitonen dieselbe, mehr oder weniger gelesene, Ausrüstung im Regal stehen haben. Obwohl uns die Sprache zum Teil überfordert und wir für die Uni schon genug Lektüre haben, begleitet uns stets ein Dorian Gray oder ein Holden Caulfield gepresst in ein Reclamheft. Zum Überbrücken von Straßenbahnfahrten, Kaffeepausen und unangenehmen Wartezeiten mit Fremden.
Modeaccessoire der Moderne
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Die Heftchen sind handlich und für manchen sogar Modeaccessoire – das aber auch viele wie die Hornbrille ohne Stärke überallhin mitnehmen, ohne wirklich Gebrauch davon zu machen. So legt so mancher Camus und Co plakativ auf Café-Tische, zitiert sie auf Jutebeuteln, pinselt sie an die Wand oder lässt sich Buchreferenzen unter die Haut stechen. Sind diese Literaturverewigungen etwa die Arschgeweihe der Geisteswissenschaftler? Ob nun Profilierungsmangel oder einfach Leidenschaft – die Identifikation mit Menschen, deren Schicksale sich weit vor unserer Zeit abspielten, wirkt vielleicht altmodisch. Doch die Gefühle sind die gleichen geblieben. Auch wir finden uns manchmal genauso wenig in der Welt zurecht wie Holden Caulfield, auch wir erwischen uns manchmal im Narzissmus à la Dorian Gray und suchen nach Bestätigung.
Aber: Warum geben uns alte Werke mehr als aktuelle Romane? Wurde alles Wichtige schon gesagt? Schaue ich in die Bestsellerlisten der vergangenen Jahre, so fallen vor allem kitschige Vampirromane, in einer laufenden Geschichte eingebundene Fäkallexika und popkultureller Weltschmerz ins Auge. Keine Frage, auch Sarah Kuttners und Charlotte Roches Bücher stehen zwischen Salinger und Chombsky in meinem Regal – aber sprachlich sind sie aus meiner Sicht nicht mit den Klassikern zu vergleichen. Vielleicht alles nur ein Verdrängungsmechanismus des Hier und Jetzt. Alles Nostalgie. So wie Sepia-Filter über digitalen Fotos und iPhone-Hüllen im Gameboy-Look. Mit dem „Früher war alles besser“-Gedanken blättere ich die vergilbte Seite von Brecht um – und überlege, wie ich einen neuen Roman als Klassiker tarnen könnte. Ganz klar eine Marktlücke.
Text: Hengame Yaghoobifarah
Teasergrafik: Daniel Richter
Fotos: Rike/pixelio.de
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Lieber Hemingway als Arschgeweih, finde ich :)
Sehr gut geschrieben! Ich muss leider sagen, dass Reclamhefte der Erzfeind meiner Schulzeit waren. Dass sich das von einem Monat auf den anderen schlagartig aendert, kann ich mir nicht wirklich vorstellen.
genial ;)
genau deine gedanken vom letzten Part hatte ich auch schon,
aber weil ich noch nicht mal in der dreimonatigen Schüler-->Student- Phase bin wusste ich auch nicht, dass so viele Klassiker lesen (oder auch nicht lesen).
echt interessant....
was ich mir wohl mal stechen lasse? ^^
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Lieber Hemingway als Arschgeweih, finde ich :)
Sehr gut geschrieben! Ich muss leider sagen, dass Reclamhefte der Erzfeind meiner Schulzeit waren. Dass sich das von einem Monat auf den anderen schlagartig aendert, kann ich mir nicht wirklich vorstellen.
genial ;)
genau deine gedanken vom letzten Part hatte ich auch schon,
aber weil ich noch nicht mal in der dreimonatigen Schüler-->Student- Phase bin wusste ich auch nicht, dass so viele Klassiker lesen (oder auch nicht lesen).
echt interessant....
was ich mir wohl mal stechen lasse? ^^
Den ersten Satz erstmal schön von Dendemann übernommen :)