Ich hasse es, die einzige Unwissende unter Insidern zu sein. Diese Tatsache ist der Grund für das nun folgende, religiöse Selbstexperiment: In sechs Wochen muss ich fit genug sein, um als souveräner Pressevertreter über den 33. Evangelischen Kirchentag flanieren zu können. Soweit der Plan.
10. February 2016 - 10:45 von SPIESSER-Autorin mal an.ne.genommen.
Christen fasten. Das ist prinzipiell nichts Neues, im Zuge meiner Mission aber zum ersten Mal von Bedeutung für mich. Mit gewisser Skepsis fragte ich den Religionslehrer aus der Nachbarschaft nach dem Sinn des Unterfangens: Man fastet, um sich aufs Wesentliche zu konzentrieren, nämlich die Verbindung zu Gott. Ich muss gestehen, dass mir der Zusammenhang zwischen Genussmittelverzicht und Besinnung noch nicht ganz einleuchtete. Deshalb, und weil ich Gott momentan in sämtlichen Lebenslagen meinen guten Willen zu demonstrieren versuche, beschloss ich, ebenfalls zu verzichten.
Goodbye, everything
Problematisch war nur, dass die christliche Fastenzeit bereits am neunten März begonnen hatte. Und ich somit den Großteil verpasst, im Gegensatz zu all den vorbildlichen Genussabstinenten, die um mich rumschwirrten. Ich war also im Wettrennen um Gottes Gunst mal wieder der chancenlose Hase, umzingelt von unzähligen Igeln. Naja, die sollten mal nicht so spitzfindig sein. Ich würde eben durch besonders viel Verzichtsengagement punkten und von Stund an auf einschneidende Art und Weise fasten: Tschüss, tierische Produkte. Tschüss, Schokolade. Tschüss, Strom.
Achja, und im gleichen Atemzug: Tschüss, Haussegen. Um Gott besonders zu beeindrucken hatte ich nämlich beschlossen, meinen Freund an meiner horizonterweiternden Erfahrung teilhaben zu lassen und freute mich auf spannenden Erfahrungsaustausch. Das einzige, was er jedoch austauschte, als ich ihn von unserem Fastenplan in Kenntnis setzte, war sein Gesichtsausdruck. Er maulte los, ich solle mein Getreide-Experiment alleine durchziehen. Undankbarkeit ist der Welten Lohn.
Geknicktes Licht, geknickte Stimmung
Beim abendlichen Einkauf trotteten wir also schweigsam durch den Supermarkt und inspizierten das tierlose Angebot. Die Gesichtswurst an der Fleischtheke lachte mich an. Meine Mutter, telefonisch nach Gemüserezepten befragt, lachte mich aus. Zuhause angekommen weigerte sich der Mensch, mit dem ich die Wohnung teile, den Campingkocher vom Dachboden zu holen. Also verweigerte ich die Essenszubereitung.
An diesen Elektroherd bekämen mich keine zehn Pferde. Als ich begann, ihm den Sinn des Fastens auseinanderzusetzen, ging er kommentarlos ins Bett. Und da saß ich unverstanden und nur mit einem Knicklicht bewaffnet (wer hat denn heutzutage noch Taschenlampen oder Teelichter im Haus?) im stockdunklen Zimmer und sehnte mich nach Kühlschrankbrummen und Salamibrot.
Fasten und andere Erkenntispfade
Ich rief meine Unifreundin an. Sie ist Christin, sie würde mich verstehen. Nachdem sie mir erzählt hatte, dass fasten früher etwas völlig natürliches war und durch Missernten und andere Nahrungsengpässe entstand, ging ich einigermaßen getröstet schlafen. Am nächsten Tag stattete ich der Mensa einen Besuch ab, zum ersten Mal in meinem Studentenleben. Denn selbst kochen ging ja schlecht. Beladen mit einem Teller Grünkerngemüseauflauf steuerte ich auf den Tisch meiner nächtlichen Telefonseelsorgerin zu - und traute meinen Augen kaum: Den Mund voll Schnitzel grinste sie mich an! Empört verlangte ich eine Erklärung, und zwar eine gute.
„Anne, fasten kann ein Weg sein, Gott näher zu kommen. Aber nicht, wenn du einfach nur des Verzichtes wegen verzichtest. Du gewinnst ja auch nicht automatisch die Lottomillion, nur weil du mehr Lose gekauft hast als andere.“ Aha. Sie erklärte mir dann noch, fasten sei nichts für sie, und sie fühle sich Gott wesentlich näher, wenn sie beispielsweise in der Kirche bete.
Kurz überlegte ich, ihr meinen Grünkernauflauf an den Kopf zu werfen. Aber dann besann ich mich, immerhin hatte sie mir einen wichtigen Denkanstoß geliefert: Ich probiere es jetzt auch mal mit Gottesdienst und Co. Darauf ein Schnitzel!
Fasten war schon immer eine religiöse Angelegenheit. Seit neustem erst fasten Leute NUR ,"um ihren Darm zu reinigen". Außerdem kann Fasten seit ca. 100 Jahren auch eine politische Bedeutung kriegen.
Oberflächlichkeit zu behaupten Fasten hätte mit Christentum zu tun? Ich sage: Oberflächlichhkeit ist es das Gegenteil zu behaupten! Alter, seit fast 2000 Jahren fastet sich die Christenheit, u.a. mit hoher Wahrscheinlichkeit auch deine Ahnen, jedes Jahr zu Ostern hin und dann kommst du, Kind deines Zeitgeistes, und behauptest son dünnpfiff! Echt mal!
Natürlich wird auch in anderen Religionen fleißig gefastet, wie bei christen oft nicht nur Fleisch, sondern auch Geschlechtsverkehr, Genußmittel, u.a. Alkohol etc. Die Muselmannen haben einen ganzen Fastenmonat, den Ramadan.
Der Sinn hinter Fasten ist mannigfaltig.
(In der westlichen Wellnessgesellschaft oft nur therapeutische Ursachen)
ansonsten fastet man, um durch den Verzicht sich freier für die Wirklichkeit Gottes oder eines göttlichen, transzendenten Prinzips zu machen. Christen wollen durch den (freiwilligen) Verzicht, aufmerksamer auf den (aufgezwungenen) Verzicht ihrer Mitmenschen und ihrer Nöte werden. Durch das Fasten sollen sie eine Demutshaltung der Buße erlernen, und sich damit bereit für das Fest des Todes und Auferstehung Gottes machen.
Jetzt bin ich auch erklärter Anne-Fan, vielleicht fällt es mir deshalb schwer, den Sarkasmus zu finden. Ich lese viel Selbstironie - und keinerlei Spitzen in Richtung all derer, die aus welchen Gründen auch immer Fasten und es auch durchhalten. andrew, hilfst du mir bitte suchen?
... dennoch beschleicht mich das Gefühl von Sarkasmus und Oberflächlichkeit. Schade! Denn Fasten hat nichts mit Christentum zu tun.
Es tut mir wirklich gut in einem zeitlichen Rahmen ein mal im Jahr bewusst sich zu enthalten, wie z.B von Alkohol, Koffein - Zigaretten von Haus aus - und von unverhältnismäßiger Nahrungszunahme. - Aber das soll auch jeder handhaben nach jeweiliger Vorstellung. Agnostizismus hat auch wenig mit Sarkasmus zu tun, zumindest wie ich es verstehe.
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nicht nur christen fasten. Oft wirds auch gemacht, weil man gesünder werden will. Den Darm mal reseten. Zum entwöhnen. *klugscheißerei abschalt*
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