SPIESSER Beschäftigungstherapie

„Ein Land, seit ich denken kann“ – das japanische TV in der WG

Der japanische Fernsehsender NHK hat diese Woche in der SPIESSER-WG gedreht. Tatjana hat den Besuch dokumentiert.

24. September 2010 - 16:47
von SPIESSER-AutorIn Die-WG.
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Beigetreten: 04.09.2009

Erwartungshaltung

Es klingelt an der Tür. David spült hektisch seine Müslischüssel ab, putzt die Krümel vom Tisch, rückt die Salzbrezeln zurecht, macht die Tür auf. Und wer steht vor der Tür? Ich – Tatjana – höchstpersönlich. Nach 20 Minuten klingelt es nochmal und nun ist es tatsächlich der erwartete Besuch. Gespannt drücken wir den Türöffner. Zwei Journalistinnen und ein Kameramann aus Japan treten ein.

Ossi und Wessi in einer WG

Bereits am Mittag haben sie in der Redaktion des SPIESSER gedreht und Anne und David bei der Arbeit gefilmt. Warum Anne und David? Na, Ossi (Anne) und Wessi (David) in einer WG! 20 Jahre Wiedervereinigung sind in Japan offenbar ein großes Thema. Darum  baut nun ein japanischer Kameramann in unserer Küche seine Beleuchtungsanlage auf.

Szene 1
NHK in der WG-Küche

Anne und David sitzen am Küchentisch. Die Redakteurin aus Japan stellt Fragen auf Japanisch, Yoshiko Susanne Brzezinka aus Berlin, übersetzt. Der Kameramann filmt Anne und Davids Antworten.

Takeda Yasuko Versteht ihr beiden euch? Gibt es irgendwelche Unterschiede im Verhalten? Gibt es etwas, das typisch Ost oder typisch West ist?

David Eigentlich gibt es keine Unterschiede. Wir hören ähnliche Musik, wir essen sogar das selbe. Unsere Generation denkt gar nicht mehr daran, dass Deutschland einmal geteilt war.

Anne Ja. David könnte genau so gut aus Dresden kommen.

David lachend Wenn der Dialekt nicht wäre.

Ich glaube, die Japaner hätten lieber gehört, dass es noch ganz viele Unterschiede gibt. Sie fragen immer wieder nach.

Takeda Yasuko Wirklich keine Unterschiede? 20 Jahre sind doch nicht sooo lang her. Gibt es nichts mehr, was Westdeutsche Jugendliche von Ostdeutschen Jugendlichen unterscheidet? David, ist dir nichts ein bisschen fremd vorgekommen, als du in den Osten kamst?

David Die Menschen im Osten sind vielleicht bodenständiger. Im Westen ist mehr
„Multikulti“.

Szene 2
Japanisches Fernsehen in Davids Zimmer

Davids Zimmer. Zwei Frauen auf seinem Sofa, der Kameramann auf der Bettkante, David an seinem Schreibtisch, im Hintergrund Schleichwerbung für seinen Mac.

Takeda Yasuko David, was verbindest du mit der Wende?

David Da ich einen Monat vor der Wiedervereinigung geboren wurde, bezeichne ich mich daher gerne scherzhaft als eines der letzten Kinder des geteilten Deutschlands. Das Thema wird ja sehr ausführlich in den Medien behandelt, daher ist man über die Vergangenheit informiert. Aber ich denke schon lieber an die Zukunft, als an die Vergangenheit.

Takeda Yasuko Woran machst du fest, dass Deutschland ein Land ist?

David Deutschland ist ein Land auf der Landkarte und war es, seit ich denken kann. Unsere Generation verbindet keine ernsthaften Gefühle damit, dass es getrennt sein könnte. Als ich nach Dresden kam, war das für mich eine Großstadt wie jede andere in Deutschland.

Takeba Yasudo Aber denkst du nicht manchmal darüber nach: Wenn die Mauer noch stünde, wärst du jetzt nicht hier.

David Ja, neulich habe ich meiner Freundin aus Stuttgart geschrieben „Gut, dass es keine Mauer gibt, sonst käme ich nicht mehr zurück.“

Von links: David, Anne, Yoshiko Susanne Brzezinka, Toshimipsu Kurokawa und Takeba Yasuko.

Szene 3

Wir tun so, als wäre ein neuer Tag. Anne und David haben ihre Kleider gewechselt und sitzen nebeneinander mit ihren Laptops in der Küche. Sie schreiben einen Blog zum Thema Ost-West Unterschiede. Beim Recherchieren stößt David auf die Titelmusik des Sandmännchens.

David Lief die Westversion nach der Wende eigentlich weiterhin?

Anne Ich kenne bloß die Osttfassung.

Etwas später hat David eine Idee.

David Sollen wir uns symbolisch die Hand reichen?

Alle lachen. Nein, das wäre dann doch zu viel des Guten. Die Sendung ist im Kasten, die Japaner packen zusammen. Bald sind Anne und David im japanischen Fernsehen zu sehen. Endlich nimmt sich mal einer eine von den Brezeln, die wir extra hingestellt hatten.

 Text & Fotos: Tatjana Mehlhorn

Letzte Woche hat Anne über die morgendlichen Müsli-Routinen der WG philosophiert.

Was ist eigentlich die SPIESSER-WG? Eine schöne Wohnung mit hübschen Zimmern, Küche, Bad und jungen Menschen, die ein einjähriges Volontariat in der SPIESSER-Redaktion machen.

 

Was machen die Volontäre in der Redaktion? Sie arbeiten an der gedruckten Ausgabe und an SPIESSER.de. Sie schreiben Artikel, führen Interviews, recherchieren, sind bei Redaktionssitzungen dabei und entscheiden mit, was ins Heft und auf die Startseite kommt. Betreut werden sie dabei von fest angestellten Redakteuren. Wie sich das Leben in den vier WG-Wänden nach Redaktionsschluss gestaltet, fragt ihr sie am besten hier auf SPIESSER.de.

 

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