SPIESSER Beschäftigungstherapie

Agnostiker auf Abwegen

Ich hasse es, die einzige Unwissende unter Insidern zu sein. Diese Tatsache ist der Grund für das nun folgende, religiöse Selbstexperiment: In sieben Wochen muss ich fit genug sein, um als souveräner Pressevertreter über den 33. Evangelischen Kirchentag flanieren zu können. Soweit der Plan.

15. April 2011 - 16:56
von SPIESSER-Autorin mal an.ne.genommen.
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mal an.ne.genommen Offline
Beigetreten: 03.03.2011

Welcher alsbald vom Pfarrer unserer Stadtbezirkskirche durchkreuzt wurde. Etwas abschätzig teilte selbiger mir mit, eine Taufe bis zu diesem Zeitpunkt sei nicht nur unmöglich, sondern auch völlig unsinnig. Eine Religionszugehörigkeit lege man sich nicht mal eben zu wie einen Goldhamster, und eine Taufe mache mich nicht automatisch zum Christen. Nagut, bleib ich eben ungeweiht. Uneingeweiht aber sicher nicht!

Access denied?

In meiner Kindheit taten mir die Religionskinder immer leid. Denn während wir nach Schulschluss frohgemut Richtung Freibad trabten, saßen sie ihre Freizeit in der Christenlehre ab. Ein paar mal versuchte ich es natürlich auch mit dem Glauben. Heimlich. Ich schlug Gott wiederholt Kooperationen nach dem Muster „Wenn du mir jetzt sofort eine plausible Ausrede vom Himmel runterbeamst, bevor meine Mutter mich zur Adoption frei gibt, dann glaube ich an dich.“ Gott ignorierte meine Angebote stets, und ich beschloss schließlich, Atheist zu sein.

Als mein Meerschweinchen starb, bekam ich furchtbare Gewissensbisse. Denn mein Vater versuchte, mich mit Tierhimmelgeschichten zu trösten. Oh Gott! Ich hatte den Bestimmer des Himmels verärgert. Was, wenn meinem Nager der Eintritt ins animalische Paradies verwehrt bliebe?

Der Ausweg aus dem Dilemma kam von unverhoffter Seite: Zufällig schnappte ich im Supermarkt den Satzfetzen eines Mannes auf: „...bin ich eben Agnostiker.“ Aus damaliger Ermangelung der ständigen Googlegegenwärtigkeit dudete ich das Wort und war begeistert: Niemand konnte mich oder mir Anvertraute schließlich dafür strafen, dass ich nicht wüsste, was zu glauben richtig sei.

Maschinerie gegen Empathie

Mit dem Ethikunterricht hielt eine erneute Wendung Einzug in die Religionsecke meines Oberstübchens. Mit wenig Enthusiasmus zählte unsere Lehrerin die Fakten zu Christentum und Co. auf. Nun musste man kein außergewöhnliches Mathegenie sein, um den Haken an der Sache aufzuspüren: Wenn es weltweit 2 Milliarden Christen gibt und jeder einzelne von ihnen auch nur ein einziges ernstzunehmendes Problem hätte, müsste Gott sich pro Sekunde 11574 Konfliktlösungen überlegen. Elftausendfünfhundertvierundsiebzig. Bei dieser Faktenlage kam man nicht umhin, das Bild eines weisen, mitfühlenden Himmelsfreundes zu ersetzen. Mit dem eines gigantischen Zentralcomputers.
Und was war eigentlich mit Verbrechen, die Gott geschehen ließ und der Evolutionsforschung, die seine Existenz bestritt?

„So einfach ist das nicht, und wenn du dich so dagegen sperrst, findest du immer etwas, das deine Zweifel bestätigt“, habe ich mir seitdem von vielen Seiten angehört. Natürlich ist es nicht einfach, aber ich möchte auch nicht um des puren Glaubens Willen irgendwas glauben.
Also was treibt Christen denn an, wie erklären sie sich die Welt und was beeinflusst sie?
Die nächsten Wochen werden es zeigen – mir und euch.

Fotos: pixelio/ Gerd Altmann, Daniel Litzinger, Rainer Sturm

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Kommentare

Fünf Kommentare
  • Interessant geschrieben... und ach ja: Gott ist weder Zauberer, noch bärtiger Greis, noch Magier, noch Supercomputer. Und: Bevor man irgendetwas von Gott erwartet sollte man richtig beten lernen. Extrem wichtig.

  • ... erfrischend und schön zu lesen. Nur Agnostizismus ist mehr als "dass (Du) nicht wüsste(st), was zu glauben richtig sei". Das ist meiner Ansicht nach etwas schwach ausgeführt. - Aber ich hoffe Du gehst nicht ins Kloster - zu Ostern. ;-)

  • Genial! Ich musste richtig schmunzeln! Ich hoffe du findest deine persönliche Antwort auf die lustige Frage des Seins.

  • Sollte ich mir echt überlegen! Ich bring dir dann so ein Glas mit, in dem Omas immer ihre Kirschen "einmachen" - nur dass ich in dem Fall dann die Ruhe konserviere. =D

  • Ich freue mich schon auf alles, was da kommt - tauchst du über Ostern im Kloster unter?

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