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Hotel Mama – ein Paradies auf Erden?

Zuhause kann so schön sein: Mutti wäscht die dreckigen Klamotten und kocht unser Lieblingsessen, aber vor allem gibt‘s dort ganz viel Geborgenheit. Findet zumindest Harriet. Monika hat‘s ausprobiert und ihre Tochter aus dem Nest geschubst - ein Meinungsaustausch.

02. September 2015 - 15:23
SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
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Beigetreten: 25.04.2009

 

Monika, 45: „Kinder brauchen Flügel“

Nun, Kinder verlangen Flügel, schon früh. Zumindest trifft das auf meine Tochter zu. Ich hatte also überhaupt keine Gelegenheit, sie zu sehr zu bremsen. Wer schon als Vierjährige verlangt, alleine über zwei vielbefahrene Straßen in den Supermarkt einkaufen zu gehen („Alleine, Mama!“), den bekommt man auch später kaum gestoppt. Doch sei erwähnt, es dauerte noch, bis sie das dann umsetzen durfte.

Durch die Medien geistert immer wieder das Schlagwort „Helikopter-Eltern“. Um bei diesem Bild zu bleiben, würde ich sagen, ich habe eine Hubschrauber-Tochter. Ich hab die Leine gehalten und immer ein Stückchen mehr Weite gegeben, sodass der Hubschrauber mitwachsen konnte. Bis ich dann die Leine zufrieden loslassen konnte, weil ich wusste, dass sie alleine fliegen kann. Sicherlich habe ich auf diesen Moment hinerzogen. Selbstständigkeit und Eigenverantwortung sind dabei sehr wichtig. Das bedeutet eben auch, auf eigenen Beinen stehen können.

Meine Tochter wurde also eine erwachsene Frau. Ich werde immer Mutter sein. Doch Stück für Stück wurde ich auch wieder einfach nur Monika. Mit einem eigenen Leben. Neben meiner Tochter, mit meiner Tochter. Nicht für sie. Sie wählte sich einen Studienplatz, der ihr das bietet, was sie für ihr Studium an Fachbereichen und Dozenten wollte. Nicht, ob es nah genug ist am Zuhause. Sie konnte ihre eigenen Prioritäten setzen, weil sie auch wusste, ich bin immer da, egal wie weit wir auseinander sind.

Wenn Kinder f lügge werden, sollten sie ihren eigenen Weg gehen. Und das klappt nur mit Abstand. Mit einem eigenen Leben. In einem eigenen Zuhause, mit all den Heraus forderungen, aber auch mit dem Wissen und dem Stolz, dass man alles wuppen kann. Und darauf sollten auch Eltern verdammt stolz sein. Meine Tochter turnt durch ihr eigenes Leben mit viel Können und Wissen, was sie im Schutz ausprobieren konnte. Ich habe keine schlaf losen Nächte aus Angst, es könnte etwas passieren.

Wie war das noch bei Findet Nemo? „Ich hab ihm doch versprochen, dass ich nie zulasse, dass ihm was passiert.“ – „Ahh, das ist aber ein komisches Versprechen.“ – „Was?“ – „Du kannst doch nicht zulassen, dass ihm nie etwas passiert. Dann passiert ihm doch nie etwas.“

Teaserbild: Anja Nier

Harriet, 19: „Erwachsen wird man früh genug“

Natürlich ist es unglaublich praktisch, zu Hause zu wohnen. Das Liebe Geld vermehrt sich ja, nur weil man Abi hat, nicht einfach so. Und während deine Freunde für ihre Wohnung blechen, sparst du auf das neueste iPhone. Würdest du ausziehen, würde ein Zimmer frei. Und ein leeres Zimmer in einem großen Haus wäre Platzverschwendung, oder etwa nicht? Also immer schön effizient denken!

Spaß beiseite. Warum Hotel Mama für mich persönlich so wichtig ist? Ganz einfach: Weil man im Hotel Mama ein (fast) sorgenfreies Leben hat. Denn Mama hat immer ein offenes Ohr, egal, um was es geht. Im Hotel Mama kann ich Kind sein, und das ist genau das, was ich brauche. Ich will gar nicht erwachsen werden, mich mit den ganzen Problemen rumschlagen. Klar, die eigenen vier Wände haben ihre Vorteile, das hab ich schon gemerkt. Aber alleine zu wohnen, heißt auch irgendwo ein fremdes, separates Leben zu führen, erwachsen zu sein – und dafür bin ich noch nicht bereit.

Und genau das ist der Trend: Fast zwei Drittel aller 21- bis 27-Jährigen wohnen noch bei ihren Eltern, besagt eine Studie des Goethe Institutes von 2003. Die Gründe sind vielfältig: Unter anderem werden längere Ausbildungszeiten, Geldmangel, Bequemlichkeit und eine liberale Erziehung genannt. Heute bestimme – anders als früher – zumeist emotionale Nähe das Eltern-Kind-Verhältnis. Das sei der Ursprung dafür, dass es Jugendlichen immer schwerer fiele, eigenständig zu werden.

So war es auch bei mir. Ich kann zwar für mich selbst sorgen, aber ich sehne mich nach der Unbeschwertheit, die ich eben nur zu Hause habe. Deswegen geht es für mich nach einigen Monaten Ausland früher als geplant nach Hause zu meiner Mama. Endlich wieder Kind sein, mich betütteln lassen, Mama von meinen Sorgen
erzählen und hin und wieder einen Anschiss kassieren, weil ich mal wieder vergessen habe, die Waschmaschine anzustellen – was gibt es besseres?

Und wer jetzt sagt: „Aber irgendwann muss man lernen, auf eigenen Beinen zu stehen“, dem geb’ ich recht. Aber noch nicht jetzt, das kommt schon noch früh genug. Und bis dahin genieße ich noch die Zeit mit meiner Mama – denn die braucht mich mindestens genauso sehr wie ich sie!

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