SPIESSER debattiert

Politiker und Parteien im Social Media?

Politiker und politische Parteien weltweit sind inzwischen also auch in Sozialen Netzwerken aktiv – aber sollte das auch weiterhin erlaubt sein? SPIESSER-Autor Max meint, ja: Social-Media-Kompetenz gehört zu moderner Politik dazu. Dagegen hält SPIESSER-Autor Christian, dass Politiker sich eher auf die klassischen Medien konzentrieren und die Finger von Sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und Co lassen sollten.

17. March 2021 - 12:57
SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
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Politiker und politische Parteien weltweit sind inzwischen also auch in Sozialen Netzwerken aktiv – aber sollte das auch weiterhin erlaubt sein? SPIESSER-Autor Max meint, ja: Social-Media-Kompetenz gehört zu moderner Politik dazu. Dagegen hält SPIESSER-Autor Christian, dass Politiker sich eher auf die klassischen Medien konzentrieren und die Finger von Sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und Co lassen sollten.

Die große Frage lautet: Ist es okay, dass Politiker und Parteien Kanäle in Sozialen Netzwerken haben?
„Wer das Internet nicht versteht, versteht die Welt nicht“

Sehen wir der Wahrheit ins Auge: Das Internet bestimmt die moderne Welt in fast jedem Bereich. Das kann man mögen oder nicht, aber man kann die Uhren nicht zurückdrehen. Politische Debatten werden nicht mehr am Stammtisch oder auf dem Marktplatz geführt, sondern auf YouTube, Facebook oder Instagram. Für mich ist es deshalb keine Frage: Politiker müssen auf den sozialen Medien aktiv sein.
Kommunikation ist ein wichtiger Teil von Politik. Parteien und Politiker sind nur so lange stark und mächtig, wie sie auch gewählt werden – das heißt, solange die Menschen sie verstehen, unterstützen und ihnen vertrauen, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen. Es gehört also zu ihrem Job, den eigenen Namen und ihre politischen Ansichten zu vermarkten. Das war schon immer so. Neu ist nur die Art und Weise der Kommunikation. Früher waren die klassischen Medien (Zeitung, Fernsehen, Radio) die einzige Möglichkeit für Politiker, ihre Wähler zu erreichen. Und einen persönlichen Dialog gab es nur im Wahlkampf, wenn die Spitzenvertreter der Parteien von Marktplatz zu Marktplatz getingelt sind und jedem Bürger einzeln die Hand schütteln mussten. Heute funktioniert der Dialog zwischen „denen da oben“ und der Bevölkerung auch vom Klo aus oder auf dem Weg von einer Konferenz in die nächste. Außerdem erscheint es mir schlichtweg als absurd, die Wähler nicht dort anzusprechen, wo sie sowieso schon sind: In der Altersgruppe zwischen 16 und 24 Jahren nutzen immerhin fast 90 Prozent der Deutschen Soziale Netzwerke; bei den 25- bis 44-Jährigen sind es immer noch knapp drei Viertel. Wer also die junge Zielgruppe ansprechen will, der kommt um das Internet gar nicht herum.
Medien bestimmen Politik, okay. Aber Politik bestimmt auch ganz massiv die sozialen Medien. Immer wieder sind es politische Themen, die zunächst für virale Hashtags und später für große politische Aktionen sorgen, wie die Black Lives Matter-Proteste oder Fridays for Future. Politiker dürfen hier nicht uninformiert bleiben, sondern müssen die Bewegungen in den Sozialen Netzwerken erkennen und schnell darauf reagieren. Sie dürfen das Feld nicht den Mode-Influencern und Beauty-Bloggern überlassen, die durch ihre Reichweiten auch den politischen Diskurs im Internet lenken können. Und insbesondere nicht denen, die im Internet am lautesten schreien: den Populisten, Verschwörungstheoretikern und Trollen jeglicher Art, die den politischen Diskurs nicht bereichern, sondern zerstören wollen.
Politiker sollen keine Influencer werden. Ich will nicht sehen, was sie essen oder wie ihr Hund aussieht. Ich will sehen, wen ich da wähle und wofür er oder sie wirklich steht. Ich will auf Augenhöhe angesprochen werden. Mit Worten, die ich verstehe. Ich denke: Die Politikprofis sollten von den Medienprofis lernen und ihre Reichweite in den Netzwerken nutzen, um sich und ihre Politik zu erklären. Dazu braucht es den Willen und die entsprechenden Qualitäten, um sich nicht komplett zu blamieren.
Fast alle Politiker nutzen die Sozialen Netzwerke bereits beruflich – wenn auch zum Teil wirklich unbeholfen. Für einige von ihnen scheinen Instagram, Facebook und Co nicht mehr als eine Verlängerung der Pressestelle zu sein. Für andere, wie Donald Trump, hat Social Media die kritische Auseinandersetzung mit den klassischen Medien bereits vollkommen ersetzt – das ist furchtbar und kann wohl auch nicht das Ziel der Politik in Sozialen Netzwerken sein. Es geht um einen verantwortungsvollen, intelligenten und authentischen Umgang mit der modernen Welt des Internets.
Politik bedeutet, die Welt von morgen mitzugestalten. Und der Umgang mit den digitalen Medien beweist das Verständnis der modernen Welt. Wer also das Internet nicht versteht, der kann die moderne Welt nicht verstehen. Wer nicht mit dem Internet zurechtkommt, der hat im öffentlichen Diskurs kaum eine Stimme und mit Sicherheit keine Zukunft.

Maximilian Sepp, 23, ist in nächster Zeit damit beschäftigt, seinen Feed wieder von
Politiker-Posts zu befreien.

Teaserbild: Lena Schulze

„Ich will keine Influencer an der Spitze, sondern Experten.“

Wie „toll“ der politische Alltag in Sozialen Netzwerken geworden ist, durften wir vier Jahre lang in den Vereinigten Staaten von Amerika beobachten. Polarisierende Falschinformationen von Amtsträgern, Wahlbeeinflussung durch zielgerichtete Wahlwerbung auf allen Kanälen, Radikalisierung als Clickbait-Garant für Kommentarspalten aller Online-Zeitungen. Die Bubble bleibt dabei auch nicht stabiler als Seifenwasserwände, denn der schwedische Forscher Nils Gustafsson fand heraus, dass weniger an Politik Interessierte durch Beiträge in Sozialen Netzwerken auch nicht zu mehr politischer Teilnahme angeregt werden.

Aber natürlich muss Politik jedem zugänglich gemacht werden und Nachrichtenseiten wie offizielle Accounts von Ministerien sollen meiner Meinung nach auch unbedingt informieren, was in der Welt passiert, und das auch zielgruppengerichtet. Was jedoch passiert, und an dieser Stelle schaut bitte nie auf den Instagram-Account von Dorothee Bär, ist eine komplett künstliche Nahbarkeit, die durch die Posts von Politikern suggeriert wird. Genau wie es YouTube-Kanäle, Podcasts und Telegramgruppen tun, in denen Bürger „mitgenommen“ werden in den vermeintlichen „Alltag“ der Protagonisten. Das Bild ist dabei geschönt wie die abgesprochene „Home-Story“ bei der „Bunten“ oder anderen Schmierblättern und entzieht sich völlig der journalistischen Einordnung. Es ist doch so: In den Sozialen Netzwerken erzählt jeder seine eigene Wahrheit (ob nun Influencer oder Politiker) und versucht, störende Realitäten auszublenden. Gleichzeitig wird durch diese ganze Masche unterstützt, dass die Mehrheit der Bevölkerung Politiker und Parteien schlichtweg aus persönlicher Sympathie und ungeachtet der eigentlich wichtigen politischen Ziele in den Bundestag wählt. Das verstärkt falsche Versprechungen umso mehr und radikalisiert die Debatten innerhalb der Gesellschaft. In einer Analyse der Social-Media-Analysefirma Alto in Zusammenarbeit mit dem WDR und NDR wurden knapp zehn Millionen Beiträge aus Sozialen Netzwerken ausgewertet. Das Ergebnis: 47 Prozent der politischen Diskussionen wiesen eine inhaltliche Verbindung zur AfD sowie rechten Themen auf (sowohl positiv als auch kritisch). Die anderen Parteien kamen thematisch in der Analyse nur auf 23 Prozent. Die besondere Erkenntnis daraus: Die Themen der untersuchten Posts spiegeln nicht die tatsächliche politische Einstellung der 756.000 untersuchten Nutzer wider. Die Forscher vermuten daher, dass Bots die öffentliche Debatte in den Sozialen Netzwerken zusätzlich verzerren.

Der Verlust von allgemeinen Wahrheiten und Sachlichkeit nutzt, davon bin ich überzeugt, klar demokratiefeindlichen Kräften. Das liegt selbstverständlich nicht nur an privaten Bierzeltfotos von bspw. Andreas Scheuer, aber auch diese Art der Posts sind Teil einer entpolitisierten Bevölkerung in einer Welt, die versucht Nachrichten nach niederen Trieben zu triggern. Der Idealweg da heraus wäre für mich, die Demokratie von Kindesbeinen an als Mitspielplatz kennenzulernen. In den Schulen mitbestimmen können, über Probleme und Ereignisse der Welt offen im Unterricht und in der Familie diskutieren und sich im Umfeld seiner eigenen Interessen auch mit der Politik dahinter beschätigen. Dann gehen digitale Kumpeleiversuche von Politikern nämlich einfach unter. Und dann wird dort auch nicht mehr sehr viel Zeit und Geld investiert, um das Wettrüsten im digitalen Wahlkampf durch Parteien weiter hochzutreiben. Wenn ihr mich fragt: Unsere Aufgabe ist es, Politiker zu beobachten und nicht, ihnen nur zuzusehen.

Christian Schneider, 29, wiss. Mitarbeiter im Bundestag, für ihn taugt ein Selfiestick nicht als verlängerter Arm des Gesetzes.

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Kommentare

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  • MarlonJungjohann
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  • freedy.beedy
    Kissenschlacht

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  • Dana Marie
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    Angie geht live:
    Wenn Politiker zu Influencern werden

    Na, wie viele Stunden hast du heute schon damit verbracht, durch Instagram zu scrollen, etwas auf TikTok zu liken oder auf Twitter zu stöbern? Nicht schlimm: Genau wie du benutzen noch über 38 Millionen weitere Deutsche täglich Soziale Netzwerke. Aber sie sind nicht nur junge Leute oder

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