Christian, 24 Jahre, Student: „Männer, streift euch das Problem über!“
Um mich als würdiger Kämpfer für die Pro-Ecke im Verhütungsgefecht zu erweisen, ging ich im Kopf kurz alle möglichen Gegenargumente durch. Das ging schnell. Die einzigen Argumente, die mir einfielen, waren: „In wem wächst denn das Kind?“ und „Das war schon immer so“ – beide haben dieselbe bemitleidenswerte Rückständigkeit wie Menschen, die am Stammtisch ihre Parolen raushauen. Um Verhütung in beidseitiger Verantwortung zu sehen, muss man nicht der einzige männliche Emma-Abonnent sein. Die Frau kommt seltener zum Höhepunkt, aber verhüten soll sie schon. Nein, so läuft das für mich nicht. Beide Partner wollen der Biologie einen Streich spielen und dem in Urzeiten vorgesehen Resultat des Geschlechtsverkehrs entgegenwirken. Dann kümmern sich aber bitte auch beide drum. Die Aufgabenteilung klingt in der Theorie ganz einfach. Wie im Haushalt halt, ne?
Die Realität zieht dem Anschein der Gleichberechtigung wie so oft den Zahn. Wir Männer sagen fleißig, dass Verhütung in der Verantwortung beider Partner liege, aber so richtig überstreifen wollen wir uns das Problem nicht. Sex macht doch so weniger Spaß – genauso wie das sich im Vorfeld schlau machen: Eine von female affairs durchgeführte Studie aus dem Jahr 2010 belegt, dass 79 Prozent aller Männer sich nicht zum Thema Verhütung informieren. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat außerdem aufgezeigt, dass 37 Prozent der Männer Probleme bei Anwendung des Kondoms haben und 59 Prozent der Frauen bei der Pille. Der Unterschied: Während es sich bei Frauen um körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Übelkeit handelt, die sich nur schwer beseitigen lassen, ist es bei Männern rein technischer Natur. Es passt nicht richtig. Es platzt. Es ist zu trocken. Seht her, wir haben auch Probleme!
Offenheit zur Verhütung ist nur ein sprachlicher Gegensatz, aber fernab vom Duden gut machbar. Sie darf die Pille nicht nehmen wollen, aus welchem Grund auch immer. Es ist immerhin ihr Körper, der auf Dauerhormonkur geschickt wird. Er darf zur Absicherung neben der Pille trotzdem ein Kondom nehmen, ohne dass es ein Zeichen mangelnden Vertrauens ist. Das unsichere Bangen bei ungewöhnlichen Regelerscheinungen, die Panikkäufe von Schwangerschaftstests und „Pillen danach“ findet keiner geil, außer die Arzneimittelindustrie. Die Vereinigung der Apothekerverbände verzeichnete nach dem Erlass des rezeptfreien Zugangs zur „Pille danach“ jedenfalls einen Zuwachs von 58 Prozent. Ein Indiz für die Schwierigkeit, dem Thema Verhütung gedanklich genug Platz zuzugestehen. Es ist gemein, dass der Kopf sich beim Sex als erstes abmeldet. Umso wichtiger ist, ihn vorher – auch und gerade als Mann – mal mit dem Partner zusammenzustecken.
Teaserbild: Anja Nier
Sophie, 20 Jahre, Studentin: „Selbst ist die Frau“
Verhütung als Frau selbst in die Hand zu nehmen, ist eigentlich ein Privileg, über das wir noch gar nicht so lange verfügen. Erst 1960 kam die Anti-Baby-Pille auf den Markt, zu der anfangs aber nur verheiratete Frauen Zugriff hatten. Damals waren die Meinungen darüber außerdem noch sehr gespalten. „Darf man wirklich derart in die menschliche Natur eingreifen?“, fragten die einen. Andere wiederum sahen die Pille als revolutionäre Erfindung an: Endlich konnte die Frau selbst bestimmen. Ist das nicht allein schon Grund genug, sich selbst um die Verhütung zu kümmern? Als ich in kleiner Runde unter einigen Freundinnen das Thema anschneide, merke ich schnell: Das sehen viele junge Frauen ganz anders. Die Pille zu nehmen, ist mittlerweile alltäglich, oder besser gesagt sogar selbstverständlich geworden. Darum fühlen sich Mädchen heutzutage schon mit 14 oder 15 Jahren gesellschaftlich unter Druck gesetzt oder genötigt, die Pille zu schlucken und sehen dies als einzige Möglichkeit, eine Schwangerschaft beim ersten Mal zu vermeiden.
Klar, dass bei jedem, der sich so unter Druck gesetzt fühlt, dann die Meinung aufkommt: „Die Verantwortung beim Sex tragen beide, also sollten sich auch beide um die Verhütung kümmern“. Aber ist das tatsächlich die optimale Lösung? Als Frau ist man von den Folgen ungeschützten Geschlechtsverkehrs ganz besonders betroffen. Lassen wir jetzt mal Geschlechtskrankheiten außen vor: Sollte es tatsächlich zu einer Schwangerschaft kommen, ist es immerhin der eigene Körper, der das Kind versorgt und heranwachsen lässt. Darum war für mich ziemlich schnell klar, dass ich mich in Sachen Verhütung nicht auf den anderen verlassen möchte, sondern das Ganze einfach selbst in die Hand nehme. Dazu habe ich mich aber nie von meinem Partner genötigt gefühlt, sondern mich freiwillig dazu entschlossen, weshalb es sich für mich nicht wie eine Bürde, sondern einfach nur sicher anfühlt.
Mich um die Verhütung zu kümmern, bedeutet allerdings nicht, nie vorher das Thema mit meinem Partner besprochen zu haben. Noch bevor ich mein erstes Mal hatte, war klar: Ich übernehme den Teil der Verhütung, kann aber trotzdem immer auf meinen Partner zukommen, ihn um Unterstützung bitten oder meine Sorgen oder Probleme loswerden. Und das war mir auch wichtig. Ich denke, dass bei mir gerade die Selbstbestimmung und das Gefühl von Sicherheit im Vordergrund stehen. Und da ich selbst am besten weiß, ob ich Kondome gekauft oder die Pille gestern Abend vergessen habe, bin ich der Meinung: Wer sich schützen möchte, sollte sich am besten selbst um die Verhütung kümmern.