Vanessa, 17 Jahre, Schülerin und Sportskanone: „Sport gehört dazu“
Montagmorgen 8:15 Uhr. Ganze drei meiner Mitschüler stehen mit mir bereit, um für den Sportunterricht ins Stadion aufzubrechen und zu laufen. Vier Läufer, Respekt! Und der Rest? Hat ganz wunderbare Ausreden: Unterleibsschmerzen, Knie, Rücken ... – na klar, ich habe auch drei Mal im Monat meine Periode und erkältet bin ich sowieso ständig. Für einen aktiven Sportler wie mich gibt es nichts Nervigeres als solche Menschen, die ständig zum Arzt gehen und bereit sind, ihm alles zu erzählen, nur damit sie ihre Sportbefreiung bekommen.
Der aktuelle Jugendsportbericht der Krupp-Stiftung kommt zu dem Ergebnis, dass Jugendliche deutlich zu wenig Sport treiben. Auch Sportmediziner beklagen, dass übergewichtige Schüler schon im ersten Schuljahr schlechtere motorische Fähigkeiten haben als normalgewichtige Kinder. Werden wir also nicht frühzeitig zum Sportunterricht gezwungen, kann das immense gesundheitliche Folgen haben – und das wollen wir doch alle nicht.
Etwa 90 Minuten intensive Bewegung am Tag sollen gesund sein. Der Schulweg sowie der Gang von der Couch zum Kühlschrank reichen da leider nicht aus, liebe Mitschüler! Da sollte es doch drin sein, wenigstens am Sportunterricht teilzunehmen. Denn mal ehrlich, wenn ihr es in der Schule nicht macht, dann macht ihr’s nie!
Und das Beste: Cooler Sportunterricht kann auch Lust auf mehr machen. Wenn ihr einmal zu eurem Glück gezwungen und mitmachen würdet, fiele euch sicherlich auf, dass der Ball gar nicht so weh tut und es echt Spaß machen kann, der Goalgetter zu sein. Besiegt doch eure Angst und dann nichts wie los in den nächsten Verein – zur Freude an der Bewegung lernt ihr bestimmt auch noch tolle Leute kennen.
Das überzeugt euch nicht? Dann tut es wenigstens den Sportbegeisterten wie mir zur Liebe! Mein Sportkurs beispielsweise besteht aus elf Leuten – nicht besonders groß, aber für ein Basketballspiel ausreichend. Wenn mein Sportlehrer uns da nicht durch Notendruck zwingen würde mitzumachen, stünden am Ende nur noch knapp fünf Mann auf dem Feld. Spielspaß ade!
Abschließend bleibt die Bitte an unsere Schulen: Zwingt eure Schüler endlich zu ihrem Glück, denn was im Sportunterricht versäumt wird, wird auch nachher nicht mehr aufgeholt. Am Ende werden auch die Schüler dankbar sein, denn ganz so grausam ist der Sportunterricht am Ende auch wieder nicht. Also: Auf die Plätze, fertig, los!
Teaserbild: Anja Nier
Julian, 17 Jahre, Schüler: „Zwang bringt gar nichts“
Stell dir vor, du hättest gerade Unterricht im Fach deiner Qual – wo bist du? Die meisten denken sicher an Sportunterricht. Denn kein anderes Fach bietet mehr Raum für Unsicherheit und Angst.
Was ist eigentlich das Ziel dieses Qualfachs? Auf der Homepage für Schulentwicklung von NRW heißt es, darin solle „bei allen Kindern und Jugendlichen die Freude an der Bewegung sowie am individuellen und gemeinschaftlichen Sporttreiben geweckt, erhalten und vertieft werden“. Das ist vollkommen an der Realität vorbei. Wir alle haben unterschiedliche Einstellungen zu bestimmten Sportarten. Wenn „Freude an der Bewegung“ das Ziel des Sportunterrichts ist, dann sollte uns klar sein: Sport gehört nicht in den Lehrplan höherer Jahrgangsstufen. Denn gerade dort verbreitet es nur noch Angst und Unwohlsein.
Wer Sport machen will, sucht sich ohnehin einen Sportverein und kann dort „diese sportlichen Lebens- und Erfahrungsräume für sich selbst und für andere gewinnbringend gestalten“, wie es so schön auf besagter Homepage heißt. Ziel erfüllt – wenn jeder für sich entscheidet.
Wer jetzt meint, man müsse Jugendliche zum Schulsport zwingen, weil sie ihre Zeit nur vor dem Computer verschwenden, dem kann ich eine europaweite Studie der Uni Augsburg ans Herz legen: Auf der Suche nach Gründen für die Angst im Schulsport und die sportliche Inaktivität wurden Jugendliche aus sechs europäischen Ländern befragt. Resultat: Als wichtigster Grund für sportliche Enthaltsamkeit wurden schlechte Erfahrungen im Schulsport genannt – beispielsweise, dass man vor Mitschülern vorgeführt wird. Sportunterricht ermuntert also nicht zu einem gesundheitsbewussten Leben, sondern ist schlichtweg kontraproduktiv.
Kein Wunder also, dass insbesondere in Oberstufen gähnende Leere herrscht, wenn mal wieder die Hälfte der Schüler eine Sportbefreiung hat. Die Angst vor dem Versagen – vor den Augen der Mitschüler, Freunde und vielleicht sogar des Schwarms – verwandelt die Sporthalle in eine soziale Druckkammer. Für einige mag der Sportunterricht eine willkommene Abwechslung sein, für andere aber bedeutet er Stress pur. Daher sollte gelten: Sportunterricht ja – aber dann bitte freiwillig.