Ema, 18 Jahre, Abiturientin: „Jedes Leben ist kostbar“
Schwerkranke und vermeintlich unheilbare Menschen sollen die Möglichkeit bekommen, ihr Leben selbst zu Ende bringen zu dürfen – und zwar unter medizinischer Aufsicht. Das jedenfalls fordern die Befürworter der Sterbehilfe. „Assistierte Sterbehilfe“ heißt das dann und gibt Ärzten die offizielle Erlaubnis vom Staat, ihren Patienten, auf deren eigenen Wunsch hin, todbringende Medikamente auszuhändigen. Aber mal ehrlich: Wo bleibt da noch der Grundgedanke der modernen Medizin?
Jeder Arzt sollte doch dem hippokratischen Eid folgen – und dieser besagt eindeutig, dass man als Arzt jedes Leben um jeden Preis retten muss. Wie bitteschön passt das mit Sterbehilfe zusammen? Genau: gar nicht! Aber mal ganz abgesehen davon: Die Beihilfe zum Suizid von Patienten, egal wie krank sie sind, kann für einen Arzt schwere innere Konflikte mit sich bringen. Diese Belastung kann starke seelische Folgen haben und sogar psychisch krank machen! Warum sollte man das den Ärzten zumuten? Jeder Mediziner, der mit schwer kranken Patienten arbeiten muss, wird sich dann fragen: „Ist mein Patient wirklich krank genug, um zu sterben?“ Wer entscheidet über ein Leben? Ein Arzt, der eigentlich Leben retten sollte, ganz bestimmt nicht.
Was die Befürworter der Sterbehilfe völlig vergessen: Erkrankte können in vielen Fällen durchaus noch genesen. Und das, nachdem sie dem Tod schon sehr nahe waren und sich selbst schon abgeschrieben haben. Beantragt man jedoch Sterbehilfe, so löscht man eventuell ein Leben aus, dass ansonsten die Chance bekommen würde weiterzuleben. Klar ist diese Chance jetzt nicht hammermäßig groß, aber sie ist doch trotzdem da!
Auch Ethik und Religion sind übrigens von Grund auf strikt gegen das Töten – denn jedes Leben ist kostbar. Und wenn ich dann noch daran denke, was für Folgen die Erlaubnis hätte, wird mir ganz anders! Sobald wir den Suizid von Schwerkranken erlauben, wird der Suizid auch im Allgemeinen gesellschaftsfähig. Über kurz oder lang würde die Hemmschwelle weiter fallen und wer weiß, irgendwann wäre dann vielleicht auch die direkte aktive Sterbehilfe okay – also, dass der Arzt selbst die todbringenden Medikamente verabreicht, weil eine Behandlung „keinen Sinn“ mehr macht. Schon beim Gedanken bekomme ich Gänsehaut. Und was ist dann schließlich mit der Tötung von schwer kranken Kindern, die ihre Situation selbst noch gar nicht richtig einschätzen und wahrnehmen können?
In Holland beispielsweise dürfen Zwölfjährige bereits jetzt Sterbehilfe annehmen, wenn ihre Eltern dem zustimmen. Werden wir dann irgendwann auch die Tötung von behinderten Menschen erlauben, die mit ihrer Einschränkung eigentlich ein gutes Leben führen können? Als Alternative zur Sterbehilfe gibt es schon heute die Palliativmedizin, die schmerzlindernd arbeitet. Hierbei wird versucht, glückliche und schmerzfreie letzte Momente zu schaffen. Diese Medizin sollte meiner Meinung nach weiter gefördert werden, statt assistierte Sterbehilfe zu erlauben. Dann kann auch jeder wirklich in Würde sterben!
Teaserbild: Anja Nier
Renée, 24 Jahre, Studentin: „Jeder sollte in Würde sterben“
Meine Großmutter hatte Krebs. Schmerzhaften, unheilbaren Krebs, der als Brustkrebs anfing und dann in viele andere Organe streute. Sie litt an dem sogenannten Vernichtungsschmerz, also den stärksten Schmerzen, die so schlimm sind, dass man akute Todesangst hat. Für alle Angehörigen war es eine Qual, ihr hilflos dabei zuschauen zu müssen. Über Umwege kamen wir an Medikamente, die ihr den ersehnten Suizid ermöglicht hätten. Sie musste sie nicht nutzen. Sie starb auf natürliche Weise, friedlich im Wohnzimmersessel. Aber dieses Schicksal ist nicht allen Schwerkranken vorbestimmt. Viele leiden bis zur letzten Minute an schrecklichen Qualen, die auch Schmerzmittel nicht lindern können. Für solche Menschen wünsche ich mir den Ausweg, der meiner Großmutter auch ermöglicht wurde. Allein die Gewissheit, dass sie es jederzeit hätte beenden können, wenn es allzu grausam wurde, hat ihr einen Teil ihres Leidensdrucks genommen.
Die schmerzlindernde Palliativmedizin kann nicht in allen Fällen helfen. Ab einem bestimmten Punkt ist die Gabe von genügend Schmerzmitteln nicht mehr möglich, da die benötigte Dosis eventuell selbst zum Tod führen würde. Und das wäre dann direkte aktive Sterbehilfe, die in Deutschland verboten ist und es auch bleibt.
In Oregon, in den USA, wurde 1997 die ärztliche Suizidhilfe unter sehr strengen Auflagen legalisiert. Der Patient muss über 18 Jahre alt sein, seinen Sterbewunsch zwei unabhängigen Ärzten gegenüber ausdrücken und so schlimm erkrankt sein, dass beide Ärzte bestätigen, dass der Tod voraussichtlich in den folgenden sechs Monaten eintreten wird. Eine psychische Erkrankung muss ebenfalls ausgeschlossen werden, um den Missbrauch durch depressive Patienten zu unterbinden. Die Erkenntnisse, die man aus Oregon ziehen kann, zeigen, dass die Sorgen der Gegner unbegründet sind. Patienten, die sich für Sterbehilfe entscheiden, möchten einfach bis zum Schluss unabhängig und selbstbestimmt bleiben.
Ich bin mir sicher, dass es nicht zu einem Anstieg der Suizide kommen würde, wenn man die assistierte Sterbehilfe auch hier in Deutschland erlaubt. Die Zahl bleibt in Oregon immerhin seit 17 Jahren konstant bei zwei von 1.000 Todesfällen. Die Legalisierung der Sterbehilfe würde also lediglich dazu führen, dass weniger Suizide in Eigeninitiative versucht werden und scheitern. Todkranken würde zudem das Gefühl des „Ausgeliefertseins“, zumindest in einem gewissen Rahmen, genommen werden und Ärzte würden eine einheitliche gesetzliche Regelung befolgen müssen.
Bereits jetzt sprechen sich zwei Drittel der deutschen Bevölkerung laut einer Studie vom Institut für Demoskopie Allensbach von 2014 für eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe aus. Ich bin dafür, dass eine assistierte Sterbehilfe erlaubt wird, wichtig ist aber, dass sie nur eine Option bleibt. Patienten können sich frei dafür entscheiden – und auch Ärzte können frei entscheiden, ob sie Sterbehilfe anbieten oder nicht.