Blackout, Jahrhundertflut, Super-GAU – Katastrophen können in vielen Formen geschehen und uns direkt oder indirekt auch in Deutschland treffen. Aber können wir uns in einem solchen Fall auf unser Regierungssystem verlassen oder sollten wir uns lieber selber einen Katastrophenvorrat anlegen?
Die große Frage lautet: Sollten wir uns alle einen Katastrophenvorrat anlegen?
PRO:
„Vorsicht ist besser als Nachsicht, ich selbst werde mir deswegen zeitnah einen eigenen Katas- trophenvorrat anlegen.“
Ein Bunker im Garten, den Keller voller Vorräte – solche Menschen, die immer mit Katastrophen rechnen und darauf vor-bereitet sein wollen, wurden früher oft als paranoid abgewunken. Doch Überschwem-mungen, Stromausfälle, Quarantänemaßnahmen während der Pandemie und nun der Angriffskrieg in der Ukraine haben in sehr vielen Menschen die Angst vor einem Katastrophenfall verstärkt und die Frage wieder aufkommen lassen: Sollte sich jeder Haushalt in Deutschland einen Notfallvorrat anlegen?
Auf den ersten Blick mag diese Idee vielleicht lächerlich erscheinen, wenn man bedenkt, dass wir rund um die Uhr, sieben Tage die Woche Zugang zu Lebensmitteln und Getränken haben. Aber was passiert zum Beispiel, wenn Supermärkte schließen? Oder man das Haus nicht verlassen kann? Auf solche Fälle sollte man unbedingt vorbereitet sein. Das rät auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Den Empfehlungen nach sollte ein Katastrophenvorrat neben ausreichend Lebensmitteln und Wasser für zehn Tage auch eine kleine Hausapotheke und die wichtigsten Hygieneartikel beinhalten.
Viele Menschen haben das seit den Hamsterkäufen und teilweise beängstigenden Situationen in Supermärkten zu Beginn der Covid-Krise von ganz allein gemacht und sicherlich schon gemerkt, dass es auch im Alltag hilfreich ist, einen kleinen Vorrat für den Notfall im Haus zu haben. Sei es, weil man beim Einkaufen etwas vergessen hat, spontan Besuch bekommt oder krank ist und lieber zu Hause bleiben möchte. In solchen Situationen kann man nur froh sein, ein paar Reserven zu haben.
Dafür muss man auch nicht unbedingt einen extra Keller oder eine Vorratskammer haben. Allgemein wird geraten, einen sogenannten „lebenden Vorrat“ anzulegen. Das bedeutet, dass man einen konstanten Vorrat an Lebensmitteln wie Kartoffeln, Reis oder Konserven dahat, diesen aber nicht nur für den Notfall beiseitelegt, sondern ihn im Alltag nutzt und einfach regelmäßig neu auffüllt. Diese Methode löst auch das Problem der Lebensmittelverschwendung. Klar, die meisten Lebensmittel, die für einen Katastrophenvorrat empfohlen werden, sind sehr lange haltbar (z.B. Mehl, Nudeln etc.), aber irgendwann werden auch solche Sachen schlecht. Regelmäßiger Verbrauch und Aufstockung beugt dem vor.
Übrigens: So einen Vorrat hat auch die Bundesregierung. Um in einem Notfall schnell auf Mängel bei der Versorgung der Bevölkerung reagieren zu können, werden an mehreren Standorten lange haltbare Lebensmittel gelagert, die nach zehn Jahren durch neue Produkte ersetzt werden. Die ausgetauschten Lebensmittel werden verkauft. Zum Glück mussten wir in Deutschland noch nicht auf diese Notreserven zurückgreifen, aber wir können damit anderen Ländern helfen. 1999 wurden beispielsweise einige hundert Tonnen in den Kosovo geschickt, da dort durch die Flüchtlingsbewegung aufgrund des Krieges ein Mangel an Grundnahrungsmitteln entstanden war.
Abschließend lässt sich sagen, dass ein Katastrophenfall, der die Wasserversorgung lahmlegt, uns an das eigene Haus oder die eigene Wohnung bindet und bei dem so schnell nicht mit Hilfe von der Regierung zu rechnen ist, in der nahen Zukunft nicht sehr wahrscheinlich ist. Aber gerade deshalb sind es ja Katastrophen: weil sie unerwartet eintreten. Was spricht also dagegen, einen kleinen Notvorrat im Haus zu haben? Nur so für den Fall der Fälle.
Text von Annika Sperling,hat selbst schon fleißig begonnen, zu Hause einen eigenen Vorrat anzulegen.
Teaserbild: Denise Lehmann
KONTRA:
„Ein Katastrophenvorrat ist nicht die ultimative Lösung.“
Genügend Lebensmittel auf Vorrat zu lagern, gilt als klug. Zugleich haftet Großvorräten ein Image an, das schnell mit der Mentalität der Nachkriegsgeneration assoziiert wird. Letzteres nicht immer zu Unrecht: Ich selbst erinnere mich noch gut daran, wie ich als Kind auf dem Dachboden meines Großvaters auf Entdeckungsreise gegangen und dort auf Umzugskisten mit Trockenfrüchten und Hygieneprodukten gestoßen bin.
Füllt sich bei mir zuhause hingegen der Küchenschrank, neige ich dazu, die Lebensmittel erst mal zu verbrauchen, statt die fünfte Packung Nudeln zu kaufen. Einige Jahre habe ich auf begrenztem Raum in einem Bauwagen gelebt. Größere Mengen an Gütern zu lagern, war hier schwierig. Für mehrköpfige Familien, die in einer kleinen Wohnung leben, sehe ich es gleichermaßen als herausfordernd an, umfangreiche Vorräte anzulegen: Platz ist schlichtweg ein rares Gut in Zeiten der Wohnungsnot und steigenden Mieten.
Das angeborene Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle ist in jedem von uns verankert, da es unser Leben schützt. Das Anlegen von Vorräten kann das eigene Sicherheitsbedürfnis befriedigen und ist daher nicht so leicht von der Hand zu weisen. Dennoch: Wie viele Konsumgüter kaufen wir schließlich in der Überzeugung, wir würden sie brauchen, und verwenden sie dann letztlich doch nicht? In Notsituationen ist Pragmatismus Programm: Wird beispielsweise Margarine im Essen benötigt, kann notfalls auch Speiseöl genommen werden. Dieses kann gleichzeitig zum Braten oder Putzen verwendet werden, sodass insgesamt weniger verschiedene Produkte gelagert werden müssen.
Nicht zuletzt sehe ich die individuelle Notsituation als ausschlaggebend dafür an, ob der Vorrat wirklich hilft oder sich gar als unflexibel herausstellt. Kommt es beispielsweise zu Hochwasser, muss ich wahrscheinlich das Haus schnellstmöglich verlassen und habe dann gar keine Zeit, den Vorrat aus dem Keller zusammenzuklauben. Wenn hierbei viel Geld und Ressourcen investiert wurden, erscheint mir der Katastrophenvorrat nicht als die optimale Lösung.
Manche vorgefertigte Vorratspakete für den Katastrophenfall lassen sich auch einiges kosten: etwa 300 Euro für 28 Tage. Die Empfehlung auf der Website der Bundesregierung, sich einen Notfall-Rucksack zuzulegen, der mit Geld, Kleidung und einigen Hygieneartikeln sowie Lebensmitteln wie Nüssen ausgestattet ist, sehe ich hingegen als bessere Alternative. Mir erscheint dies wesentlich praktischer, als erst in den Keller oder den Dachboden laufen zu müssen, die in Fällen wie Hausbrand oder Hochwasser eine akute Gefahrenzone darstellen können. Meine Devise: Es muss nicht immer ein Katastrophenvorrat sein, um in Notsituationen gut dazustehen.
Text von Fabienne Kollien, strebt einen minimalistischen Lebensstil an und bevorzugt es, in Erlebnisse statt in materielle Dinge zu investieren