Anja, 24: Ein echtes Miteinander
Ein Hamburger Uniprofessor forderte vergangene Woche, dass Arabisch Pflichtfach in allen Schulen sein sollte. Er ist der Meinung, dass deutsche Kinder und Jugendliche so einen Zugang zur arabischen Welt bekommen. Ich sehe das genauso.
Im Moment kommen viele Flüchtlinge aus dem arabischen Kulturkreis und leben mit uns Seite an Seite. Aber die meisten von uns wissen erschreckend wenig über die arabische Kultur oder den Islam. Unser Bild ist geprägt durch die Terrorgruppen, die den Islam für ihre Zwecke missbrauchen und die Kultur in einem schlechten Licht darstellen.
Dieses Unwissen führt zu Angst und Vorurteilen und das wiederum zu Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit. Ich bin davon überzeugt, dass Arabisch als Schulfach diesen Vorurteilen und der Ausländerfeindlichkeit, aus der Gruppen wie PEGIDA wachsen, entgegenwirken kann.
Hätten wir Arabisch als Pflichtfach in der Schule, würden wir auch viel über unsere Kultur lernen. Denn viele Dinge, die heute ein fester Bestandteil davon sind, stammen aus dem Orient. Während unsere Buchstaben dem Lateinischen entstammen, kommen unsere Zahlen aus dem Arabischen.
Genauso haben viele Wörter ihren Ursprung im Arabischen. Das erkennt man oft an der Vorsilbe „Al-“ wie in „Alkohol“. Was bei uns zur Vorsilbe geworden ist, ist eigentlich der arabische Artikel „Al“.
Natürlich ist Englisch immer noch die Weltsprache. Aber wer kennt das nicht: Wir lernen jahrelang Englisch in der Schule, aber anwenden können wir es erst bei unserem ersten Auslandsaufenthalt. Und einige brauchen nach der Schule nie wieder Englisch, weil er oder sie gar keine Lust auf Sprachreisen hat. Und während des zweiwöchigen Strandurlaubs spricht das Hotelpersonal eh fließend deutsch.
Gemeinsam eine Sprache zu lernen, wäre in meinen Augen sinnvoll, da man das Gelernte direkt im Klassenverband oder in Freundeskreis anwenden kann. Hinzu kommt noch, dass die Muttersprachler ihren Klassenkameraden beim Lernen helfen könnten, das stärkt den Zusammenhalt. Die ausländischen Kinder und Jugendlichen könnten den Unterricht mit Geschichten von ihrer Familie, ihrem Leben und ihren Traditionen beleben. Das wäre in meinen Augen nicht nur Integration, sondern gelebte Inklusion – ein echtes Miteinander.
Teaserbild: Claudia Wehner
Astrid, 19: Wir wollen selbst entscheiden
Eines meiner liebsten Sprichwörter heißt: „Das Gegenteil von gut, ist gut gemeint“. Es meint, dass eine vermeintlich gute Tat oft das Gegenteil bewirken kann, wenn sie nicht durchdacht ist. Genau daran musste ich denken, als ich den Aufruf eines Hamburger Professors las: Arabisch soll Pflichtfach an deutschen Schulen werden, um uns den „Zugang zur arabischen Welt“ zu ermöglichen. Für den Professor ist Deutschland längst „ein Einwanderungsland“.
Diese Erkenntnis ist überfällig. Wer in diesen Zeiten Parolen wie „Deutschland den Deutschen“ und „Multikulti ist gescheitert“ vertritt, stellt sich nicht nur gefährlich nahe an den rechten Rand, sondern ist auch blind für die Realität. Es wird in meinen Augen in den kommenden Jahren immer wichtiger sein, die multikulturelle Gesellschaft zu fördern: Flüchtlingsströme aus anderen Kulturkreisen wie der arabischen Welt, machen es notwendig, dass wir uns mit der Diversität unserer Gesellschaft auseinandersetzen. Doch ich bezweifle, dass verpflichtender Arabischunterricht das richtige Mittel ist.
Allein der Widerstand aus der Bevölkerung, würde dieses Projekt in Schwierigkeiten bringen. Schon jetzt ist in vielen Kreisen die Rede von Flüchtlingen, die Deutschen Arbeitsplätze „wegnehmen“ oder „ auf unsere Kosten hier leben“. Solche Äußerungen will ich nicht hören, denn sie gefährden den Integrationsprozess nur, statt ihn zu erleichtern. Außerdem denke ich, dass das Geld und die Lehrkräfte besser für Deutschunterricht für Asylsuchende eingesetzt werden sollten. Schließlich sind sie es, die hier Fuß fassen wollen. Und je besser sie die Sprache können, desto leichter können sie hier eine Ausbildung beginnen, studieren oder eine Arbeit finden.
Was meiner Meinung nach am stärksten gegen diese Idee spricht, ist das Signal, das sie gegen die Willkommenskultur sendet: Gelungene Integration bedeutet für mich, dass wir es den Neuankömmlingen so einfach wie möglich machen, sich in unsere Kultur einzufügen – und nicht andersherum. Eine mehrsprachige Gesellschaft ist schön und gut, aber es muss eine gemeinsame Sprache geben, wenn keine Parallelgesellschaften entstehen sollen.
Es ist eine Überlegung wert, Arabisch häufiger als Schulfach anzubieten. Und es mag nützlich sein, als junger Mensch in der heutigen globalen Gesellschaft eine weit verbreitete Sprache zu sprechen. Doch die Entscheidung möchten wir immer noch selbst treffen und nicht vorgesetzt bekommen.