Janukowitsch Plakat
Was'n da los?

Was ist eigentlich in der Ukraine los? Ein Überblick

Auch wenn man nie Tagesschau guckt, die Ukraine ist überall. Erst war da was mit der EU. Dann Russland. Und dann kam eins zum anderen. Hier die Antworten auf die dringendsten Fragen all jener, die das unübersichtliche Geschehen nicht mehr überblicken.

10. February 2014 - 10:42
SPIESSER-Autor Henk Marzipan.
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Henk Marzipan Offline
Beigetreten: 22.01.2014

Worum geht es überhaupt?

In der Ukraine war schon seit längerer Zeit geplant, mit der Europäischen Union über ein Assoziierungsabkommen zu verhandeln. Assoziwas? Das heißt einfach gesagt, dass die Ukraine sich bereit erklärt, gewisse wirtschaftliche und humanitäre Anforderungen zu erfüllen. Dafür wird der Ukraine ein Beitritt zur EU in Aussicht gestellt. Klingt doch super, oder? Am 21. November 2013 erklären jedoch die ukrainische Regierung und der Präsident Janukowitsch einen Kurswechsel. Man möchte lieber wieder enger an die Zitzen Mütterchen Russlands rücken, zum großen Teil, weil Russland mächtig Druck macht. Mehrfach hat Janukowitsch zugegeben, dass er nicht unterschreiben könne, weil Russland ihn erpresse.


Zu sehen: die Ukraine.
Und worum geht es eigentlich?

Wenn man sich mal eine Karte anschaut, liegt die Ukraine wie der Käse im Sandwich zwischen der EU und Russland. Da gibt es viel Konfliktpotenzial. Russland will seinen wirtschaftlichen Einfluss auf die Ukraine durch eine Zollunion verstärken, die EU würde sich über eine Einflusserweiterung nach Osten freuen. Das spaltet auch die Bevölkerung in einen EU-freundlichen Westen und einen russlandfreundlichen Osten. Dazu fließt auch noch viel Gas von Russland durch die Ukraine nach Europa. Das nennt man dann Transitland. Wo viel Gas ist, ist auch viel Geld im Spiel, und das interessiert naturgemäß alle. Hinzu kommt, dass die ukrainische Beamten als besonders korrupt gelten, dass sich die Präsidentenfamilie aus der öffentlichen Hand bereichert, und Präsident Janukowitsch sich hauptsächlich durch Wahlbetrug und Stimmenkauf an die Macht befördert hat. Ein Pulverfass.

Okay, da steht was auf dem Spiel. Und warum sind die Leute auf der Straße?

Viele vor allem junge Leute zeigten sich enttäuscht. Man hat sich vom Assoziierungsabkommen wirtschaftliche und soziale Reformen erhofft. Der Regierung gefällt freie Meinungsäußerung offenbar nicht, sie verbietet Demonstrationen im ganzen Land. Das zeigt genau die Wirkung, die nicht beabsichtigt war: Es gehen immer mehr Leute auf die Straße. In Kiew (Hauptstadt der Ukraine) kommen am 29. November 100.000 Leute auf dem zentralen Platz (Maidan) zusammen.


Dein Freund und Helfer?

So weit, so klar. Warum dann die Gewalt?

Man muss bedenken, die Ukraine ist nicht Deutschland. Das Innenministerium hat Spezialtruppen, die sogenannten „Berkut“, die für die Niederschlagung von Revolutionen da ist. Das sind die mit den Stahlschilden. Sie waren es, die am 30. November 2013 den Maidan räumten - nach offiziellen Angaben, um Platz für einen Weihnachtsbaum zu schaffen. Und wie das beim Aufstellen von Weihnachtsbäumen auf großen Plätzen immer so ist, setzten sie Schlagstöcke und Tränengas ein... (Achtung: Das war Ironie). Je nach Quelle wurden um die 80 Menschen zum Teil schwer verletzt, darunter auch viele Journalisten.

Seitdem gibt es immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei beziehungsweise den Berkut. Die Rede ist aber auch oft von bezahlten Provokateuren, den „Tituschki“, die auf Demonstranten losprügeln, oder auch Schaufenster und Statuen demolieren, um der Polizei einen Grund zum gewaltsamen Einschreiten zu liefern. Wichtige Oppositionspolitiker (wie Vitali Klitschko) oder auch Geistliche stellen sich oft zwischen die Reihen von Polizei und Demonstranten, um eine Eskalation zu verhindern. Immer wieder rufen sie zu Besonnenheit auf und versuchen zu verhandeln.

Oha! Was sagt denn die EU dazu?

Sie verurteilt die Gewalt auf beiden Seiten und sagt inzwischen, dass Verhandlungen über eine Assoziierung nur noch mit einer anderen Regierung (also nicht mit Janukowitsch) möglich ist.


Das würde wohl ALLE Probleme lösen...

...und Russland?

Russlands Präsident Putin nennt die Demonstrationen „Progrome“ und verhandelt nebenbei mit Janukowitsch über wirtschaftliche Hilfen in Form von Geld und Gasrabatten. Und Russland macht - natürlich, wen auch sonst? -  den Westen für die Eskalation in der Ukraine verantwortlich. Ein Berater Putins forderte vor kurzem, die Rebellion zu "vernichten."

Wie geht’s jetzt weiter?

Bis zum 27. Januar 2014 hat sich die Gewalt hochgeschraubt. Man liest von Scharfschützen, die Demonstranten auf offener Straße erschießen. Von Polizisten, die Journalisten gezielt ins Gesicht schießen. Von Schlägerbanden, die Aktivisten der Opposition entführen und foltern.

Am 28. Januar 2014 ist schließlich der ukrainische Regierungschef Asarow zurückgetreten (merke: Das ist nicht der Präsident). Das war eine Kernforderung der Opposition und hat laut ukrainischer Verfassung die Auflösung der Regierung zur Folge. Seither folgte eine Deeskalation, Janukowitsch geht Kompromisse ein: Die Teilnahme an Demos ist nicht mehr strafbar, verurteilte Aktivisten werden frei gelassen. Die Oppositionsparteien wollen eine Rückkehr zur Verfassung von 2004. Das hätte zur Folge, dass selbstverliehene Rechte des Präsidenten wieder zurückgenommen werden. Russland hat seinen Hilfskredit auf Eis gelegt, man wartet ab, wer an die Macht kommt. Die EU bietet inzwischen Milliardenhilfen an, für den Fall, dass die Opposition die Regierung der Ukraine übernimmt. Es bleibt also ein Tauziehen.


Darum geht es.
Und warum ist das eigentlich wichtig?

Ist es nicht erstaunlich, dass Menschen bereit sind auf die Straße zu gehen, Verletzungen oder sogar den Tod in Kauf nehmen, weil sie der Europäischen Union beitreten wollen? Diesem Gebilde, das viele andere nur noch als Last wahrnehmen. Ein bürokratisches Moloch, das nur noch für umstrittene Staatenrettung und umstrittenere Landwirtschaftssubventionen zuständig zu sein scheint. Die Ukraine zeigt, dass mit Europa immer noch Werte verbunden werden: Freiheit und Demokratie.

Text: Henric Abraham
Teaserfoto: flickr-User blu-news.org (CC BY-SA 2.0), bearbeitet
Fotos: Flickr-User Identity Phtogr@phy
(CC BY 2.0), mac_ivan (CC BY 2.0), Phillip Taylor PT (CC BY-SA 2.0), mac_ivan (CC BY 2.0)

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Kommentare

Zwei Kommentare
  • Na toll! Hätte man das Ganze nicht etwas sachlicher aufziehen können? Wir haben jetzt verstanden, dass Russland böse ist und die EU ein echt toller Demokratieverein(warum mit der EU ausgerechnet Demokratie verbunden wird, ist wenn man sich den Aufbau des Ganzen wirklich anschaut übrigens schleierhaft, aber das ist vielleicht ein anderes Thema).
    Wenn man schon einen "Überblick" zu einem Thema anbietet sollte der nicht vor Rhetorik triefen, sondern auch Anfängern in der Thematik(denn für die ist der Artikel ja gedacht, oder?) einen halbwegs ernsthaften Einstieg bieten. Der Fakt, dass die Ukraine in vielerlei Hinsicht abhängig von Russland ist, lässt sich politisch und wirtschaftlich doch anders erklären als "Mütterchen Russland macht mächtig Druck".

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