Franziska Schreiber, die „Aussteigerin“ stellt ihr Buch vor und sich den Fragen der Moderatorin. Ein spannender Einblick in die politische Vertretung des gesellschaftlichen Rechtsrucks mit einem Buch, für das die Autorin nun den Hass zu spüren bekommt, den sie einst mitschürte. SPIESSER-Autor Christian berichtet von der Veranstaltung im Urania Berlin.
09. November 2018 - 15:19 SPIESSER-Autor Der Mann den Sie Pfirsich Nannten.
Die ehemalige Pressesprecherin der Jungen Alternativen nahm sich vor, die Alternative für Deutschland zu enthüllen, nachdem die rechtsradikalen Kräfte der Partei für sie unumkehrbar schienen. „Inside AfD“ heißt ihr Buch hierzu.
Die junge Dresdnerin trat 2013 in die AfD ein und vor der Bundestagswahl 2017 wieder aus, nachdem beim Parteitag zuvor der Antrag keine Mehrheit fand, der auf den Stopp der Zusammenarbeit mit rechtsradikalen Organisationen sowie der Festlegung von klaren Grenzen des Sagbaren abzielte. Im Fall des ehemaligen Chefs des Verfassungsschutzes Maaßen gab sie den Hinweis, dass Gespräche mit Frauke Petry und Maaßen stattfinden mit dem Ziel, die AfD vor dem Verfassungsschutz zu schützen.
„Ich hoffe, sie ist ein Anstoßstein für einen
Dominoeffekt bei Insidern, die Outsider werden.“
Die Abrechnung fehlt
Der Vortrag über ihre Vergangenheit wirkt im Dialog oft hölzern und steril. Die Worte der Jurastudentin sind rechtssicher, die Aussagen wirken, als wurde lange über sie nachgedacht. Dagegen zeigen die Textauszüge, dass der Schreibstil sehr prosaisch daherkommt und wirken eher wie ein harmloser Blog mit inneren Monologen als eine Abrechnung, für die das Buch gern verkauft wird. Hierzu fehlt es an analytischer Schärfe und auch die betonte Abrechnung fehlt. So wirkt die Entscheidung zum Buch wie eine passende Gelegenheit zur biografischen Aufarbeitung der eigenen Hellblauäugigkeit, als eine Literaturagentin ihr diese Idee nahelegt. Der naive Umgang mit der eigenen Anfangszeit in der Partei relativiert die Struktur dabei und so sieht die Autorin sich selbst auch eher als Aussteigerin einer Sekte.
Die Moderatorin Jacqueline Roussety verpasste leider die Chance neue, spannende Erkenntnisse zu erlangen und wiederholte stattdessen fortgehend die Frage, wie schuldig sich Franziska Schreiber für den Erfolg der AfD in Deutschland fühle und wie sie die rechten Denkmuster tolerieren konnte.
Dabei bietet die Innenansicht fernab von eigenen Schuldgefühlen lehrreiches Potential und mit fortschreitenden Publikumsfragen taute Schreiber auch spürbar auf. Beängstigend sind die Beschreibungen, wie systematisch radikale Äußerungen gesellschaftsfähig gemacht werden und faktenunabhängige Angst in die Bevölkerung getragen wird. Als kommendes Ziel der AfD nennt Schreiber die Unterstützerinnen und Unterstützer auf die Straße zu bekommen. So wie es in Chemnitz passierte, um die demokratische Ordnung zu stören und ein gezieltes Anheizen der öffentlichen Debatten durch eigene Beiträge und um die Hülle der Filterblase zu stärken.
Auch wenn die Partei geht, die Wähler bleiben
Das wirft die Frage nach dem Gegenmittel auf, die auch nachdem die AfD in jeden Landtag der Nation eingezogen ist, so schwer wie zum Anfang ist. Die Autorin fordert Untersuchungen durch den Verfassungsschutz und entsprechende Ahndung, um für eine Weile einen Keil zwischen die Zahnräder des Rechtspopulismus zu schieben. Doch auch wenn die Partei geht, die Wähler bleiben.
Die Aufklärungsversuche von Franziska Schreiber erreichen ihre Wirkung scheinbar nicht und dass sie am Ende ankündigt, noch ein weiteres Buch herauszugeben - einen Ratgeber um AfD-Sympathisanten vom Sinneswandel zu überzeugen - nährt die Behauptung, dass die eigene Karriere ebenso Motor ihres Engagements ist. Ich hoffe, sie ist ein Anstoßstein für einen Dominoefekt bei Insidern, die zu Outsider werden, doch ich denke, hier benötigen wir eine Aufarbeitung nicht durch einzelne Personen, sondern durch die gesamte Gesellschaft.
Text & Fotos: Christian Schneider
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