Manche Filme bieten eine eigenartige Mischung aus "der ist ja strange" und "irgendwie interessant". So auch der Film „Turn me on!“ aus Norwegen. SPIESSER-Praktikantin Mareike hat sich den für euch mal angeschaut – getreu dem Motto: Macht er mich an?
08. May 2014 - 13:50 SPIESSER-AutorIn mützenträger.
Es ist ein schon ungewöhnliches Filmcover: Ein blondes Mädchen, das ihre Hand in der Hose versenkt. Ein wenig ratlos stehe ich dem Filmtitel: „Turn me on!“ gegenüber, dessen angehängtes „...dammit“ es auch nicht besser macht. Klingt gelinde gesagt, nach, nunja, Porno. Auch noch nach einem, der ab 12 Jahren freigegeben ist. Zugegeben, ich habe Vorurteile. Aber ich möchte nichts bewerten, das ich noch nicht gesehen habe. Deshalb: Redaktionscomputer angeschmissen, Kopfhörer aufgesetzt, Presse-Login aktiviert und ab geht der Film. Die darauf folgenden 76 Minuten starre ich gebannt auf das Display und versuche mir eine Meinung zu bilden, über das, was ich da sehe.
Norwegen - von Schafen, Rumlungern und Bushaltestellen
Alma und ihre Freundinnen: Fuck the World!
Alma ist ein 15-jähriges Mädchen, gespielt von Helene Bergsholm, das in Skoodeheimen in Norwegen wohnt. Skoodeheimen ist so ein richtiges Kaff, in dem nicht viel los ist außer gelegentlichem Rumlungern in Bushaltestellenhäuschen oder Schafe beobachten. Almas Alltag, den sie überwiegend mit ihren zwei Freundinnen Ingrid (Beate Støfring) und Sara (Malin Bjørhovde) verbringt, birgt weder aufregende Dates noch sexuelle Erfahrungen. Die wünscht sich Alma aber sehnlichst mit ihrem Schwarm Artur (Matias Myren). Auf einer Party kommt es, wie es kommen muss: Alma und Artur stehen plötzlich direkt voreinander. Doch statt Alma zu küssen, macht Artur etwas ganz Merkwürdiges: Er pikst sie mit seinem Schwanz! Ja, ihr habt richtig gelesen...
Flucht nach vorn
Und nun geht das Drama los. Wo im Film Almas Wunschträume anfangen und die Realität sich verabschiedet, ist an dieser Stelle besonders unklar. Keiner der anderen Partygäste und vor allem Almas Freundinnen schenken ihrer Behauptung, Artur habe sie mit „seinem Schwanz gepikst“, Glauben. Artur streitet die ganze Sache natürlich ab, in Angst um seinen Ruf. Und Alma? Ihr Platz im sozialen Abseits ist vorprogrammiert. Das Getuschel der Nachbarn ist dabei nur der Anfang. Das Unverständnis der Mutter gegenüber ihrem pubertären Hormonüberschwang, der Alma Tag und Nacht erotische Gedanken hegen lässt, treibt die beiden immer mehr auseinander. Was ist die Lösung für solche Dramen? Genau! Weglaufen, gaaanz weit weg. Mit dem festen Vorsatz nicht wiederzukommen. Zumindest ein Weilchen, bis über die Sache Gras gewachsen ist...
Wer oder was ist Alma?
Kurz vorm "Piksen"
Es fällt schwer, Almas blonde, lange Haare und den schüchternen Blick in Einklang mit ihrem wilden Inneren zu bringen. Ebenso fühlt es sich falsch an, sie an einem Joint ziehen zu sehen oder wie sie jeden Tag dem Ortsschild „Skoddeheimen“ den Mittelfinger präsentiert. Aus ihr spricht die Sehnsucht nach dem Erwachsenwerden und der Wunsch, unbedingt von diesem tristen Ort wegzukommen und andere Leute kennenzulernen. Unterlegt wird dieses Gefühl, das in Szenen von Schafen, leeren Landstraßen, ausgelaugten Menschen und dem leeren Bushaltestellenhäuschen aufersteht, von oftmals ruhiger Musik, die gern mal abrupt stoppt und somit aus Szenen ohne Gespräch herausreißt.
Ein typischer Mainstream-Film ist „Turn me on!“ auf jeden Fall nicht. Die Kritiker sind sich auf jeden Fall alle einig, dass Regisseurin Jannicke Systad Jacobsen mit ihrem Debütfilm Aufmerksamkeit erregt hat, ebenso wie die Hauptdarstellerin Helene Bergsholm, die ihr Kinodebüt gibt. Das Schöne an Almas Geschichte ist dieses Unaufgesetzte, das Unverkrampfte und nicht Aufdringliche. Die Story fließt innerhalb von 76 Minuten völlig ruhig und leicht um den Zuschauer herum, lässt Platz für Gedanken, verschiedene Interpretationen und Gefühle. Man kann selbst entscheiden, inwieweit man sich mit den Charakteren identifizieren kann und möchte. In diesem Sinne: Turn the Big Screen on, dammit... denn heute startet der Film im Kino.
Turn me on!- Mach’ mich an, verdammt nochmal!
Regie: Jannicke Systad Jacobsen
Schauspieler: Helene Bergsholm, Malin Bjørhovde, Henriette Steenstrup
Länge: 76 Minuten
Kinostart: 08.05.2014
Text: Mareike Mann Fotos: Pressematerial W-film
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