Kinofeeling

Von der Pubertät gepikst

Manche Filme bieten eine eigenartige Mischung aus "der ist ja strange" und "irgendwie interessant". So auch der Film „Turn me on!“ aus Norwegen. SPIESSER-Praktikantin Mareike hat sich den für euch mal angeschaut – getreu dem Motto: Macht er mich an?

08. May 2014 - 13:50
SPIESSER-AutorIn mützenträger.
Noch keine Bewertungen
mützenträger Offline
Beigetreten: 28.12.2013

Es ist ein schon ungewöhnliches Filmcover: Ein blondes Mädchen, das ihre Hand in der Hose versenkt. Ein wenig ratlos stehe ich dem Filmtitel: „Turn me on!“ gegenüber, dessen angehängtes „...dammit“ es auch nicht besser macht. Klingt gelinde gesagt, nach, nunja, Porno. Auch noch nach einem, der ab 12 Jahren freigegeben ist. Zugegeben, ich habe Vorurteile. Aber ich möchte nichts bewerten, das ich noch nicht gesehen habe. Deshalb: Redaktionscomputer angeschmissen, Kopfhörer aufgesetzt, Presse-Login aktiviert und ab geht der Film. Die darauf folgenden 76 Minuten starre ich gebannt auf das Display und versuche mir eine Meinung zu bilden, über das, was ich da sehe.

Norwegen - von Schafen, Rumlungern und Bushaltestellen

Alma und ihre Freundinnen: Fuck the World!

Alma ist ein 15-jähriges Mädchen, gespielt von Helene Bergsholm, das in Skoodeheimen in Norwegen wohnt. Skoodeheimen ist so ein richtiges Kaff, in dem nicht viel los ist außer gelegentlichem Rumlungern in Bushaltestellenhäuschen oder Schafe beobachten. Almas Alltag, den sie überwiegend mit ihren zwei Freundinnen Ingrid (Beate Støfring) und Sara (Malin Bjørhovde) verbringt, birgt weder aufregende Dates noch sexuelle Erfahrungen. Die wünscht sich Alma aber sehnlichst mit ihrem Schwarm Artur (Matias Myren). Auf einer Party kommt es, wie es kommen muss: Alma und Artur stehen plötzlich direkt voreinander. Doch statt Alma zu küssen, macht Artur etwas ganz Merkwürdiges: Er pikst sie mit seinem Schwanz! Ja, ihr habt richtig gelesen...

Flucht nach vorn

Und nun geht das Drama los. Wo im Film Almas Wunschträume anfangen und die Realität sich verabschiedet, ist an dieser Stelle besonders unklar. Keiner der anderen Partygäste und vor allem Almas Freundinnen schenken ihrer Behauptung, Artur habe sie mit „seinem Schwanz gepikst“, Glauben. Artur streitet die ganze Sache natürlich ab, in Angst um seinen Ruf. Und Alma? Ihr Platz im sozialen Abseits ist vorprogrammiert. Das Getuschel der Nachbarn ist dabei nur der Anfang. Das Unverständnis der Mutter gegenüber ihrem pubertären Hormonüberschwang, der Alma Tag und Nacht erotische Gedanken hegen lässt, treibt die beiden immer mehr auseinander. Was ist die Lösung für solche Dramen? Genau! Weglaufen, gaaanz weit weg. Mit dem festen Vorsatz nicht wiederzukommen. Zumindest ein Weilchen, bis über die Sache Gras gewachsen ist...

Wer oder was ist Alma?

Kurz vorm "Piksen"

Es fällt schwer, Almas blonde, lange Haare und den schüchternen Blick in Einklang mit ihrem wilden Inneren zu bringen. Ebenso fühlt es sich falsch an, sie an einem Joint ziehen zu sehen oder wie sie jeden Tag dem Ortsschild „Skoddeheimen“ den Mittelfinger präsentiert. Aus ihr spricht die Sehnsucht nach dem Erwachsenwerden und der Wunsch, unbedingt von diesem tristen Ort wegzukommen und andere Leute kennenzulernen. Unterlegt wird dieses Gefühl, das in Szenen von Schafen, leeren Landstraßen, ausgelaugten Menschen und dem leeren Bushaltestellenhäuschen aufersteht, von oftmals ruhiger Musik, die gern mal abrupt stoppt und somit aus Szenen ohne Gespräch herausreißt.

Fazit

Ein typischer Mainstream-Film ist „Turn me on!“ auf jeden Fall nicht. Die Kritiker sind sich auf jeden Fall alle einig, dass Regisseurin Jannicke Systad Jacobsen mit ihrem Debütfilm Aufmerksamkeit erregt hat, ebenso wie die Hauptdarstellerin Helene Bergsholm, die ihr Kinodebüt gibt. Das Schöne an Almas Geschichte ist dieses Unaufgesetzte, das Unverkrampfte und nicht Aufdringliche. Die Story fließt innerhalb von 76 Minuten völlig ruhig und leicht um den Zuschauer herum, lässt Platz für Gedanken, verschiedene Interpretationen und Gefühle. Man kann selbst entscheiden, inwieweit man sich mit den Charakteren identifizieren kann und möchte. In diesem Sinne: Turn the Big Screen on, dammit... denn heute startet der Film im Kino.


Turn me on! - Mach’ mich an, verdammt nochmal!

Regie: Jannicke Systad Jacobsen

Schauspieler: Helene Bergsholm,  Malin Bjørhovde, Henriette Steenstrup

Länge: 76 Minuten

Kinostart: 08.05.2014

 

 

Text: Mareike Mann
Fotos: Pressematerial W-film

Dir gefällt dieser Artikel?

Kommentare

Ersten Platz sichern und jetzt einen Kommentar schreiben!
Mehr zum Thema „Kinofeeling
  • Onlineredaktion
    Kinofeeling

    Bildungsgang.
    Bildung neu denken.

    Schule durch, Abschluss in der Hand. Und jetzt? Was bleibt von den bis zu 12.000 Stunden, die jeder Mensch durchschnittlich die Schulbank drückt? Der Dokumentarfilm „Bildungsgang. Bildung neu denken.“ begleitet die Jugendlichen vom Verein Demokratische Stimme der Jugend e.V., die diese

  • Anzeige
    Onlineredaktion
    Kinofeeling

    Ein Mädchen kann
    alles verändern!

    Der Disney Channel feiert den Weltfrauentag – ihm zu Ehren findet am 11. März der „Superheldinnen-Tag“ statt. Euch erwartet ein Tag voller Girl-Power mit Heldinnen des Disney Channels sowie die Deutschland-Premiere des neuen Serienhighlights „Marvel Moon Girl und Devil Dinosaur“.

  • Onlineredaktion
    1
    Kinofeeling

    "Meine schrecklich verwöhnte Familie"

    Die leicht frische Sommerkomödie, lädt euch nach Monaco und Frankreich ein. Bei der wohlhabenden Familie Bartek bekommt ihr einen klischeegerechten Einblick in die Herausforderungen der Erziehung reich-geborener Kinder. Mit „Meine schrecklich verwöhnte Familie“ reiht sich ein

  • Daniel_Butt
    Kinofeeling

    The Last Journey

    In einer nicht allzu fernen Zukunft leidet die Menschheit genau unter den Problemen, von denen Wissenschaftler heute schon seit Jahrzehnten sprechen: Die Klimakrise ist im vollen Gange. SPIESSER-Autor Daniel hat sich "The Last Journey", die dystopische Vision in Spielfilmlänge angesehen.

  • Kathi99
    Kinofeeling

    Je suis Karl

    Wie leicht lassen wir uns von radikalem Gedankengut verführen? Dieser Frage geht „Je suis Karl“ nach und erzählt die Geschichte einer aufkommenden jungen radikalen Bewegung. Ein aktuelles politisches Meisterwerk, dass auf eine junge Zielgruppe zugeschnitten ist. Ob Regisseur Christian

  • Onlineredaktion
    5
    Kinofeeling

    Ein nasser Hund

    Wer nicht genug kriegen kann von tiefen Einblicken in die Berliner Gangsterwelt a la „4 Blocks“ oder „Skylines“, wird ohne Frage auch bei „Ein nasser Hund“ voll auf seine Kosten kommen. Daneben gibt es aber noch eine weitere Komponente, die den Streifen definitiv sehenswert

  • Kathi99
    Kinofeeling

    Wer wir waren

    Mit seinem neuen Dokumentarfilm „Wer wir waren“ möchte Marc Bauder seinen Zuschauern einen Blick auf den derzeitigen Zustand unserer Welt präsentieren und die Botschaft vermitteln, dass wir es selbst in der Hand haben, wer wir sind. Doch schafft der Film das? SPIESSER-Autorin Katharina

  • sveajill
    Kinofeeling

    Gunda

    Der Dokumentarfilm „GUNDA“ lässt den Zuschauer das Leben von Nutztieren nicht nur sehen, sondern auch erleben. Auf Augenhöhe begegnen wir den Protagonisten und dürfen uns fragen, welchen Platz wir ihnen in unserer Welt zuweisen - und wie wir diesen vor uns selbst rechtfertigen können.

  • Onlineredaktion
    Kinofeeling

    Unsere Queerfilm–Empfehlungen

    Seit 1987 wird in Berlin im Rahmen der Berlinale der TEDDY Award für queere Filme verliehen. Auch in weiteren deutschen Großstädten wird durch Queerfilm-Tage oder während Filmfestivals der Fokus auf Filme rund um die LGBTQIA+ Community gelegt. Einige unserer Queerfilm-Empfehlungen

  • Kathi99
    Kinofeeling

    Hot Summer Nights

    Zwischen Drama und Drogenthriller kommt dieser Film mit einem Flair aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts daher. Trotz klischeehaftem Cast überzeugt dieser Coming-of-Age Film mit seiner Nostalgie einer längt vergangenen heißen Sommernacht. Ob der Film es schafft sich genug abzuheben

  • filmfreak
    Kinofeeling

    Serienfeeling:
    Wir Kinder vom
    Bahnhof Zoo

    Christiane Felscherinow, die in Berlin im Drogensumpf versinkt, ist so etwas wie die Symbolfigur für die Drogenszene der 70er und 80er Jahre. Die Geschichte von Christiane F. und ihren Freunden wurde nun in einer Serie neu interpretiert. Ob diese neue Fassung des altbekannten Stoffs geglückt

  • Der Mann den Sie Pfirsich Nannten
    5
    Kinofeeling

    Yes, God, Yes -
    Böse Mädchen
    beichten nicht

    „Yes, God, Yes“ ist nicht nur der Titel des neuen Films von „Stranger Things“-Starlet Natalia Dyer, sondern auch der Ausruf, der unserem Autor entfuhr, als der Film endlich vorbei war. Sein Fazit: Seichteste Teenie-Unterhaltung mit so zarter Religionskritik, dass der Religionslehrer

  • Kirschblütenrot
    5
    Kinofeeling

    Und morgen
    die ganze Welt

    Wie weit darf Kritik gehen? Der neue Kinofilm „Und morgen die ganze Welt“ behandelt ein brisantes Thema. Studentin Luisa kämpft für einen besseren Ort – was für sie bedeutet: weg mit der rechten Ideologie in Deutschland! Ob Gewalt, wie sie zeitweise im Film gezeigt wird,

  • Onlineredaktion
    5
    Kinofeeling

    Kinofeeling:
    Milla meets Moses

    Wer hat Bock auf eine optimale Mischung aus großen Gefühlen und bösen Gags? „Milla meets Moses“ bietet beides auf hohem Niveau! Die australische Indie-Perle dürfte allen gefallen, die sich auch jenseits vom Hollywood-Mainstream unterhalten lassen können.

  • rasolara
    Kinofeeling

    Kinofeeling:
    Space Dogs

    Auf den Spuren der Straßenhunde Moskaus – am 24. September erscheint der Dokumentarfilm „Space Dogs“ in den deutschen Kinos. Er begleitet die Vierbeiner auf ihren Streifzügen bei Tag und Nacht und verknüpft die Aufnahmen mit historischem Filmmaterial der sowjetischen

  • Alaniel
    2
    Kinofeeling

    Persischstunden

    Stell dir vor, du müsstest jemandem eine Sprache beibringen, die du selber nicht sprichst. Nun stell dir vor, dein Leben würde davon abhängen. In „Persischstunden“ erlebt Gilles genau das. SPIESSER-Autorin Annika hat den Film für euch gesehen.

  • Alaniel
    Kinofeeling

    Jean Seberg –
    Against all
    enemies

    Ein überraschend packendes und spannendes Biopic über eine starke Frau und ihre schwachen Momente. „Jean Seberg – Against all enemies“ vereint die Verfilmung der schwersten Zeit für die Schauspielerin mit dem Flair eines Verschwörungsthrillers und dem eleganten Charme

  • JasminWe
    Kinofeeling

    Kinofeeling:
    Corpus Christi

    Kann ein Straftäter zum Heiligen werden? Oder ist diese intensive Verbindung zu Gott ausschließlich anderen vorbehalten? Wann haben Menschen Vergebung verdient und wann nicht? SPIESSER-Autorin Jasmin hat im Film „Corpus Christi“ versucht Antworten zu finden.

  • Dominic
    Kinofeeling

    Kinofeeling: EXIL

    Wird der aus dem Kosovo stammende Xhafer in seinem Job absichtlich schikaniert oder verliert er langsam den Bezug zur Realität? Wieso SPIESSER-Auto Dominic vom Kinofilm „Exil“ (Kinostart: 20. August 2020) so angetan ist und an wen er ihn weiterempfehlen möchte, lest ihr hier.

  • Daniel_Butt
    Kinofeeling

    Kinofeeling:
    Kokon

    Sommer, Sonne, erste Liebe – „Kokon“ begleitet die junge Nora durch eine Zeit voller Veränderungen. SPIESSER-Autor Daniel hat den Film für euch gesehen und ist froh, diese verwirrende Zeit, die im Film gezeigt wird, bereits hinter sich zu haben.

  • rasolara
    Kinofeeling

    Kinofeeling:
    Nur ein Augenblick

    Brutalität, Leid, tausende Tote – all das sind Worte, die wir mit dem Krieg in Syrien assoziieren. Die meisten von uns kennen dies nur aus den Medien. Aber wie ist es, wenn man selbst mittendrin in diesem Krieg ist und vor allem: Wie kommt man wieder raus? All das sind Fragen, mit denen sich

  • Kalendermensch
    Kinofeeling

    Kinofeeling:
    Berlin Alexanderplatz

    Er möchte mehr als „Bett und Butterbrot“. Er möchte ein anständiges Leben führen. Er möchte gut sein. Vom Scheitern, Aufstehen und Weitermachen des geflohenen Westafrikaners Francis erzählt Burhan Qurbani in seinem Film „Berlin Alexanderplatz“. Ob

  • rasolara
    Kinofeeling

    Kinofeeling: Suicide Tourist – Es gibt kein Entkommen

    Stell dir vor, du hast eine unheilbare Krankheit und siehst keinen Lebenssinn mehr. Was würdest du tun? „Suicide Tourist – Es gibt kein Entkommen“ greift das schwierige und kontroverse Thema begleiteter Suizid auf. SPIESSER-Autorin Lara hat der Film noch eine Weile beschäftigt.

  • rasolara
    Kinofeeling

    Kinofeeling: Der Geburtstag

    Surreal, teils düster, schwarz-weiß: Unter der Regie von Carlos A. Morelli kommt ab 25. Juni „Der Geburtstag“ in die Kinos. Ein gelungener Kontrast zum sonstigen Kinoprogramm, findet SPIESSER-Praktikantin Lara und hat den Film für euch genauer unter die Lupe genommen.

  • Dominic
    5
    Kinofeeling

    Serienfeeling:
    Warten auf'n Bus

    Eine Bushaltestelle irgendwo in Brandenburg. Zwei Männer, die auf'n Bus warten und dabei mit einem Dosenbier offen und ehrlich über ihr Leben sprechen. Was traurig klingt, überrascht mit vielseitigen und witzigen Dialogen.

  • Onlineredaktion
    Kinofeeling

    Serienfeeling: Unorthodox

    Inspiriert von Deborah Feldmans Memoiren „Unorthodox – die skandalöse Ablehnung meiner chassidischen Wurzeln“ erzählt die am 26. März startende Netflix-Serie die Flucht und die Befreiung der jungen Esthy. Dass es einen Unterschied zwischen Flucht und Befreiung gibt, wird

  • marlenesk
    Kinofeeling

    Serienfeeling: Unterleuten

    Wenn aus Nachbarn Gegenspieler werden: Der ZDF-Dreiteiler (Romanverfilmung von Juli Zeh) nimmt die Zuschauer mit in den Mikrokosmos Dorfleben in Brandenburg, erzählt über Windkraftenergie und das alltägliche Leben.

  • Kevin Groth
    Kinofeeling

    Serienfeeling: 8 Tage

    In einander verwebte Schicksale im apokalyptischen Setting – „8 Tage“ hat Autor Kevin in vielerlei Hinsicht überzeugt, auch wenn die Serie in den ersten Folgen eine Schwelle birgt. Hat man die passiert, ist man jedoch „am Ende sogar etwas traurig, dass es nicht zwölf Tage waren.“

  • mori-rau
    Kinofeeling

    Kinofeeling: Scary Stories to tell in the Dark

    Back to the 70ies in ein Bisschen gruselig – „Scary Stories to tell in the Dark“ von Guillermo del Toro erscheint am 12.3. auf DVD und Blu-ray. SPIESSER-Autor Moritz konnte sich fürs Setting begeistern, vermisste aber den Grusel- und Horrofaktor.

  • Miss_Sophia_
    4
    Kinofeeling

    Serienfeeling: Spides – Berlin ist erst der Anfang

    In „Spides“ trifft Science Fiction auf Hauptstadt, die zum Schauplatz einer düsteren Verschwörung wird, irgendwo zwischen Gut und Böse. SPIESSER-Autorin Sophia fasst die ersten drei Folgen der Serie zusammen: undurchsichtig, creepy, weird.