Kinofeeling

The Last Journey

In einer nicht allzu fernen Zukunft leidet die Menschheit genau unter den Problemen, von denen Wissenschaftler heute schon seit Jahrzehnten sprechen: Die Klimakrise ist im vollen Gange. SPIESSER-Autor Daniel hat sich "The Last Journey", die dystopische Vision in Spielfilmlänge angesehen.

23. September 2021 - 13:28
SPIESSER-AutorIn Daniel_Butt.
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Daniel_Butt Offline
Beigetreten: 05.03.2019

Worum geht's?

„The Last Journey“ legt dem sehr realen und eigentlich ausreichend gruseligem Szenario der Weltklimakrise noch eine Schippe drauf: Während die Sonne den Planeten brutzelt, Wasservorräte verdunsten, Tiere aussterben, Frankreich sich zu einer Wüste verwandelt – kurz: die Situation echt unangenehm wird – taucht ein mysteriöser roter Mond auf. Einige Jahre lang wird ein neuer Rohstoff namens „Lumina“ von diesem Mond abgebaut, welcher scheinbar viele der durch die Krise entstandenen Energieprobleme lösen kann. Blöd nur, dass der rote Riese genauso zufällig und unberechenbar kurze Zeit nach seinem Erscheinen auf Kollisionskurs mit der Erde geht.

Einige Skeptiker glauben, dass ihm der Raubbau seiner Ressourcen nicht gefallen hat und er sich nun an der Menschheit rächen will. Andere wiederum glauben nicht, dass ein roter Stein einen eigenen Willen hat. Unabhängig davon sind sich aber alle einig, dass der dicke Knall verhindert werden muss. Die einzige Lösung scheint Paul W. R. (gespielt von Hugo Becker) zu sein, seines Zeichens bester Astronaut aller Zeiten und leider auch gleichzeitig der letzte Astronaut auf Erden. Er soll mit nuklearen Sprengköpfen im Gepäck hochfliegen und den Mond zerstören. Doch Paul hat ganz eigene Pläne und verschwindet kurz vor der geplanten Mission spurlos. Auf der Flucht vor seiner Verantwortung und seinem Vater trifft er die jugendliche, wilde und unangenehme Fragen stellende Emma (gespielt von Lya Oussadit-Lessert), die ihn auf seinem post-apokalyptischen Roadtrip begleitet.

Wohin es gehen soll, wissen sie beide nicht so richtig, aber auch bei der letzten Reise gilt vielleicht: Der Weg ist das Ziel.

Wer spielt mit?

In der Hauptrolle spielt der Franzose Hugo Becker den Astronauten Paul W.R., Sohn von Henri W.R. (verkörpert von Superstar Jean Reno, z.B. „Léon der Profi“) und Bruder von Elliot W.R. (Paul Hamy, bekannt aus „Der Ornithologe“). Hugo Becker nimmt die Rolle des Astronauten bereits zum zweiten Mal ein: Im prämierten Kurzfilm mit dem gleichen Titel wurde der Plot schon einmal angerissen und nun in Spielfilmlänge auf internationale Leinwände gebracht. 

Neben den drei rauen, männlichen Gesellen spielt Lya Oussadit-Lessert die junge Emma, welche eine simultan kritische, aber auch supportende Rolle an der Seite von Paul einnimmt. Trotz ihrer Jugend und geringen filmischen Erfahrung steht sie den erfahreneren Männern in puncto schauspielerischer Leistung dabei in nichts nach.

Trotzdem alle Beteiligten ihre jeweiligen Rollen sehr authentisch und überzeugend spielen, macht dies den Film nicht besser, wenn das Drehbuch einfach nicht mehr hergibt. Leider bleiben die Motivationen der Charaktere (inklusive des roten Mondes, welcher fälschlicherweise nicht als eigenständiger Charakter in den Credits auftaucht) obskur und verwirrend, eine richtige Sympathie will nicht so Recht aufkommen.

Auf einen Blick
Action: ✪ ✪ ✪
Romantik:
Humor: ✪
Niveau: ✪ ✪ ✪
Bildungsfaktor: ✪ ✪
Filmischer Augenschmaus?

Sowohl am Soundtrack als auch den Bildern wird scheinbar nicht gespart: Fliegende Autos wie in „Blade Runner“ (natürlich Peugeot), fies aussehende Polizisten, deren abgerockte Rüstungen und Helme an die mandalorischen Bounty Hunter aus „Star Wars“ erinnern, Hologramme in der Wüste wie bei „Fallout“ – die Liste an Inspirationen, die visuell wirklich cool umgesetzt wurden, ist scheinbar endlos. Dies erstaunt besonders, da der Film mit einem verhältnismäßig niedrigen Budget auskommen musste.

Gibt’s was zu meckern?

Ich sage ja gerne: Besser gut geklaut, als schlecht selbst gemacht. Dieser post-apokalyptische Roadmovie bedient sich vieler bekannter Bilder, mischt retro-futuristische Gadgets mit Steampunk und einer gehörigen Portion Kritik an modernen Themen wie Klimakrise, Umweltschutz und völlig zurecht schlecht gelaunten Jugendlichen, die sich bei "Friday for Future"-Events engagieren.

Leider ist der Plot genauso gemischt und bringt keine der einzelnen Storylines so richtig auf den Punkt. Lange Zeit fragt man sich, warum Paul W.R. denn so gar keine Lust auf „Welt-retten“ zu haben scheint und teilt dieses Schicksal mit dem Protagonisten – wenn man es dann endlich gemeinsam mit ihm herausfindet, ist der Payoff so banal und die Klimax ihres Namens nicht würdig, dass die Ansätze von politischer Message irgendwo im Magnetfeld um den roten Mond herum verschwinden.

Ich komme nicht umhin, den Vergleich mit „Mad Max: Fury Road“ zu ziehen und zum Ergebnis zu gelangen, dass der verrückte Roadtrip durch den post-apokalyptischen Outback nicht nur visuell bombastischer, sondern auch inhaltlich schlicht sinniger umgesetzt wurde als sein französisches Pendant „The Last Journey“.


Jean Reno darf in einem ambitionierten französischen Film
nicht fehlen.© 2021 EuroVideo Medien GmbH.
Braucht man Taschentücher?

Der Regisseur Roman Quirot hätte wohl gerne, dass man die Taschentücher bereithält. Die Handlungen der Charaktere sind im Gesamtkontext allerdings so banal und die Einblicke in ihre Konflikte so oberflächlich, dass die Tränenkanäle wohl trocken bleiben.

Mit wem angucken?

Vielleicht mit Greta Thunberg, lieber nicht mit Armin Laschet. Falls keiner von den Celebrities Zeit haben sollte: Mit Friends & Family kann man trotz inhaltlicher Schwächen sicherlich noch spannende Diskussionen im Anschluss führen.

Was macht man danach?

Den Wahl-o-Maten anfeuern und sich über die Klimapläne der Parteien informieren – sonst sind wir bald auch alle auf unserer „Last Journey“.

In drei Worten:

Fire, Water, Burn.

Große Leinwand oder kleiner Bildschirm?

Wenn möglich: Kino! Aber bitte auf die Hygieneregeln achtgeben.

Mainstream oder Independent?

Eindeutig Independent mit Luft nach oben, da low-budget und im Ansatz der ehrliche Versuch, moderne Themen, spannende SciFi und verletzte Charaktere zusammenzubringen.

THE LAST JOURNEY

Regie: Romain Quirot
Darsteller: Hugo Becker, Jean Reno, Paul Hamy, Lya Oussadit-Lessert

Heimkinostart: 30. September 2021
Filmlänge: 83 Minuten
Genre: Abenteuer, Drama, Sci-Fi
FSK: ab 16 Jahren

 

Text: Daniel Butt
Teaser: © 2021 EuroVideo Medien GmbH.

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