Kinofeeling

Ein nasser Hund

Wer nicht genug kriegen kann von tiefen Einblicken in die Berliner Gangsterwelt a la „4 Blocks“ oder „Skylines“, wird ohne Frage auch bei „Ein nasser Hund“ voll auf seine Kosten kommen. Daneben gibt es aber noch eine weitere Komponente, die den Streifen definitiv sehenswert macht: eine schonungslose und intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Antisemitismus!

09. September 2021 - 10:27
SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
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Onlineredaktion Offline
Beigetreten: 25.04.2009

Worum geht's?

In „Ein nasser Hund“ zieht der 16-jährige Soheil zusammen mit seiner Familie in den Berliner Stadtteil Wedding und wird mit einer für ihn völlig fremden Welt konfrontiert. Durch den hohen Anteil an muslimischen Bewohnern fühlt sich der Teenager dazu genötigt, seine jüdischen Wurzeln zu verstecken, da er immer wieder mit Antisemitismus konfrontiert wird. Er spielt daher vor seinen neuen Freunden, einer Jugendgang, den säkularen Muslim und beginnt eine kriminelle Laufbahn, weil er glaubt, sich so profilieren und integrieren zu können. Er begibt sich also mehr und mehr auf ein Minenfeld. Eine Eskalation scheint unausweichlich. Da hilft es auch nicht, wenn er sich in die türkische Selma verliebt, die nicht besonders interessiert zu sein scheint.

Wer spielt mit?

Der einzig große Name, der mittlerweile den meisten Film- oder Serienliebhabern ein Begriff sein sollte, ist wohl Kida Khodr Ramadan. Seine schauspielerische Glanzleistung als Clan-Chef in „4 Blocks“ werden wohl die wenigsten verpasst haben. Aber auch sein komödiantisches Talent hat er schon mehrfach unter Beweis gestellt, zuletzt an der Seite von Eko Fresh und Ferris MC in „Blockbustaz“ oder auch als Werbegesicht für EDEKA. In „Ein nasser Hund“ spielt er nun einen liebevollen Vater mit jüdischen Wurzeln, der seine Kinder säkular aufzieht, um sie vor dem omnipräsenten Antisemitismus zu beschützen.

Die eigentlichen Hauptfiguren werden hingegen alle von Newcomern verkörpert, von denen wir in Zukunft aber mit Sicherheit noch einiges zu sehen bekommen. Vor allem Doguhan Kabadayi zeigt als Soheil eindrucksvoll, dass es keinen großen Namen braucht, um schauspielerisch abzuliefern.

Auf einen Blick
Action: ✪ ✪ ✪
Romantik: ✪ ✪
Humor: ✪ ✪
Niveau: ✪ ✪ ✪
Bildungsfaktor: ✪ ✪ ✪ ✪
Filmischer Augenschmaus?

Der Einblick in die Welt einer kriminellen Jugendgang und vor allem die schonungslose Darstellung des muslimischen Antisemitismus, als Folge des Nahostkonflikts, sind definitiv einen Gang ins Kino wert.

Gibt’s was zu meckern?

An manchen Stellen wird es wohl einigen Zuschauern schwerfallen, gewisse Entscheidungen von Soheil nachzuvollziehen. Vor allem zum Ende hin erscheint sein Verhalten zunehmend fragwürdiger. Aber auch am Anfang des Films, wenn er sich spontan in einen Schwerkriminellen verwandelt und sich dann über die Konsequenzen wundert.

Außerdem ist der Film eher weniger für Leute geeignet, die keinerlei Affinität für deutschen Gangster-Rap haben, da der Soundtrack zu mindestens 75 Prozent aus jenem besteht


(c) 2021 carte blanche International GmbH /
Warner Bros. Entertainment GmbH / Volker Roloff
Braucht man Taschentücher?

Die krasse Darstellung des Antisemitismus ist definitiv nicht ohne, aber leider ist der Film gerade in diesem Punkt ziemlich nah an der Realität. Und gerade dieses Bewusstsein kann einen schnell zum Heulen bringen.

Mit wem angucken?

Die pandemische Lage lässt zum Glück aktuell genug Spielraum für einen Filmabend mit Freunden, oder einen Kinobesuch. Oder aber ihr macht es wie ich und guckt euch den Film einfach allein Zuhause an. Damit könnt ihr auch nicht viel falsch machen.

Was macht man danach?

Im besten Fall macht man es dem Protagonisten gleich und setzt sich intensiv mit dem Nahostkonflikt auseinander. Aber ich spreche aus eigener Erfahrung, wenn ich sage, dass jede neue Information noch mehr Fragen aufwirft und das Thema zu komplex für eine einfache Freizeitbeschäftigung ist.

Im schlimmsten Fall regt man sich kurz über das Ende des Films auf und geht dann wieder seinen alltäglichen Gewohnheiten nach.

In drei Worten:

Politisch, brutal, ehrlich.

Große Leinwand oder kleiner Bildschirm?

Wer abwarten kann, bis die Kinos wieder öffnen, sollte den Gang vor die Leinwand auf jeden Fall wagen. Der Film bietet realistische Actionszenen und authentische Berliner Atmosphäre.

Mainstream oder Independent?

Allein von der Titelliste des Soundtracks lässt sich der Mainstream-Charakter ableiten, auch wenn die filmische Umsetzung dem entgegenwirkt. Denn die Intensität der Auseinandersetzung mit dem Thema Antisemitismus entspricht eher dem Charakter eines Indie-Streifens.

EIN NASSER HUND

Regie: Damir Lukacevic
Darsteller: Doguhan Kabadayi, Mohammad Eliraqui, Derya Dilber, Kida Khodr Ramadan

Filmstart: 19. August 2021
Filmlänge: 103 Minuten
Genre: Drama, Coming of Age
FSK: ab 12 Jahren

 

Text: Joshua Kuckherm
Teaser: (c) 2021 carte blanche International GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH / Volker Roloff

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