Wenn aus Nachbarn Gegenspieler werden: Der ZDF-Dreiteiler (Romanverfilmung von Juli Zeh) nimmt die Zuschauer mit in den Mikrokosmos Dorfleben in Brandenburg, erzählt über Windkraftenergie und das alltägliche Leben.
18. March 2020 - 08:49 SPIESSER-Autorin marlenesk.
„Die stellen uns den Kölner Dom in den Vorgarten.“ So oder so ähnlich beginnt die Empörung in dem kleinen 200-Seelen Dorf „Unterleuten“ irgendwo in Brandenburg. Eigentlich leben alle friedlich mit ihren alltäglichen Strapazen neben- und miteinander. Das sonst so idyllische Dorfleben wird durch eine Ankündigung auf der Dorfversammlung komplett umgekrempelt. Denn „Vento Direct“, ein hannoverscher Windenergie-Dienstleister, plant in Unterleuten den Bau eines Windparks.
Für die Errichtung bieten sich nur spezielle Eignungsgebiete an. Es kommt zum Konflikt zwischen privaten Landbesitzern, einem süddeutschen unternehmerischen Investmentmanager und dem Großbauern des Dorfes mit seiner GmbH „Ökologica“. Die Provinz wird zum „Dorf der Intrigen“ und konkurrierenden Einzelkämpfern.
Plötzlich werden längst verjährte Dorfgeschichten wieder ausgegraben. Naturschutzfragen stellen sich und Sorge um den Verlust der Lebensqualität in Unterleuten macht sich breit. Auf der Suche nach der Wahrheit kommt es zu immer mehr Verwirrungen, Manipulationsversuchen und gegenseitigem Bescheißen. Und das alles nur, um am Ende den Kampf um die Windräder zu gewinnen.
Das vielköpfige Ensemble setzt sich zusammen aus den Großen der deutschen Filmwelt. Bunt gemischt verkörpern Charly Hübner („Lindenberg! Mach dein Ding“), Thomas Thieme („Tatort“, „Parfum“, „Babylon Berlin“), Miriam Stein („100 Dinge“, „Unsere Mütter, unsere Väter“) und viele weitere die Verstrickungen der Romancharaktere von Juli Zeh. Matti Geschonneck war der Regisseur des ZDF-Dreiteilers.
Filmischer Augenschmaus?
Die tiefen Verstrickungen und Beziehungsverflechtungen der Dörfler bringen von Anfang an eine gewisse Grundsympathie mit sich. Wer selbst in einer kleineren Provinz aufgewachsen ist, kann sich bestimmt nur zu gut an die stereotypischen Rollenbilder erinnern. Zugereiste, die dem Stadtleben entfliehen, Dorfurgesteine und ihre nachfolgenden Generationen und Dorftrascher – Sie alle leben in einer großen Gemeinschaft. Man selbst schwelgt in Erinnerungen an die eigene Heimat und das Leben dort, während man das Geschehen auf dem Fernseher verfolgt.
Auf einen Blick
Action: ✪
Romantik: ✪
Humor: ✪ ✪
Niveau: ✪ ✪ ✪ ✪
Bildungsfaktor: ✪ ✪
Gibt’s was zu meckern?
Trotz des Zusammenspiels von so unterschiedlichen Charakteren geht die Handlung eigentlich nie über den alltäglichen Provinzwahnsinn hinaus. Es ist eine einfache Geschichte über den Dorftrott, Neuerungen und die damit verbundenen Aufstände und entstehenden Schwierigkeiten. Der langwierige Dreiteiler hat dafür ein etwas dramatisches Ende.
Braucht man Taschentücher?
No tissues needed. Eine sehr harmonische Landeigeschichte mit kleinen Strapazen des Lebens, wie Nachbarstreitigkeiten, Beziehungskonflikte und der etwas ausartende Dorftrott. Aber noch lange nichts zum richtig losflennen.
Mit wem angucken?
„Du riechst nach Schnaps, und du nach altem Mann“. Die drei Filme über Provinzneulinge, Systemfanatiker, Helikoptereltern, Zugezogene und Ostalgiker guckt man am besten bei einem entspannten Familienabend mit den Eltern oder Großeltern auf der Coach. Oma und Opa freuen sich riesig.
Was macht man danach?
Persönlich musste ich sehr viel über die Widerstände gegenüber der Windkraft nachdenken. Jeder möchte in Zeiten von Fridays For Future, der Klimaerwärmung und Greta Thunberg umweltfreundlicher leben und auch klimaschonenderen Strom beziehen. Geht es aber darum, einen dafür nötigen Windpark in seiner unmittelbaren Umgebung stehen zu haben, stellen sich viele komplett quer.
In drei Worten:
Dorfidylle, Mikrokosmos, Intrigen
Große Leinwand oder kleiner Bildschirm?
Die Kameraschwenks über Kornfelder und Dorflandschaften kommen natürlich auf einem großen Screen besonders gut zur Geltung. Ansonsten ist der ZDF-Dreiteiler eher etwas für den Wohnzimmerfernseher.
Mainstream oder Independent?
Eine typische Produktion der öffentlich-rechtlichen Sender. Genauso wie man sich den 20:15-Spielfilm vorstellt: Zum Berieseln lassen, mit Oma und Opa auf dem Sofa sitzen und über das gegenwärtige Dorfleben in Deutschland nachdenken.
Unterleuten
Regie: Matti Geschonneck Darsteller: Hermann Beyer, Nina Gummich, Alexander Held, Alexander Hörbe, Charly Hübner, Bettina Lamprecht, Úna Lir, Bjarne Ingmar Mädel, Dagmar Manzel, Jacob Matschenz, Ulrich Noethen u.v.a. Serienstart: 12. März 2020 Serinelänge: 270 Min. Genre: Gesellschaftsdrama FSK: 12
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