Der gemeine Wildpinkler streift umher. Sein Habitat sind öffentliche Gassen, Straßenecken und Häuserwände, die der Gemeinling mit Wasser lassen verschandelt. Der Wildpinkler ist nachtaktiv und verrichtet sein ekeliges Werk meist umhüllt vom Schutz der Dunkelheit. Die Stadt Köln hat sich nun was einfallen lassen, um dieser Pipi-Bestie den Garaus zu machen. Und das auf Kosten von anderen.
01. June 2015 - 15:03 SPIESSER-Autorin Individuot.
Wir wissen schon viel über den Wildpinkler, wir wissen auch, dass er zur späten Stunde alles andere als scheu ist. Offenherzig steht er da in seiner ganzen Pracht und beim vorbeigehen versucht man krampfhaft nicht hinzuschauen. Bei Tagesanbruch ist die Stadt dann übersät mit ekeligen, stinkenden Flecken. Das Problem ist uns allen leider gut bekannt und viele Städte haben so langsam die Faxen dicke. Aber wie geht man gegen den Wildpinkler am besten vor?
In St. Pauli hat man bereits versucht dieser stinkenden Angewohnheit mancher Artgenossen mit der Peitsche zu begegnen: Die Idee hier war ein Speziallack, der den Urinstrahl direkt reflektiert. In diesem Fall auf die Hose des Wildpinklers. Getestet wurde das Ganze unter viel Gelächter und dem Motto „St. Pauli pinkelt zurück“, großflächig durchgesetzt nicht. Auch Bestechung wurde hier ins Auge gefasst: Eine Pinkelkarte, bei der man für jedes zivilisierte Wasser lassen einen Stempel bekommt, bei einer bestimmten Anzahl von Stempeln gibt’s ein Freigetränk.
Köln versucht es nun mit Zuckerbrot auf der einen Seite und Ungerechtigkeit auf der anderen. Männer dürfen hier nun in manchen öffentlichen Toiletten gratis pinkeln, während Frauen 50 Cent zahlen müssen. Denn – wir haben es uns schon fast gedacht – der Wildpinkler ist im Großteil der Fälle männlichen Geschlechts. Gut, 50 Cent, die die Damen der Schöpfung für die Benutzung einer öffentlichen Toilette zahlen müssen, sind zwar nicht die Welt, aber irgendwie klingt das schon nach einer Frechheit, dass die größtenteils männlichen Wildpinkler, die ja Ausgang des Problems sind, umsonst davon kommen.
Die Erklärung, die Ulrike Willms, stellvertretende Leiterin des Amtes für Brücken- und Stadtbahnbau, laut Spiegel Online zu dieser Frechheit abgabt, setzt dem Ganzen noch die Krone auf: Die Zahlungsmoral der Männer sei nun mal miserabel. Wenn sie zahlen müssten, dann wichen sie einfach auf den nächsten Baum aus. Oder eben die nächste Häuserwand. Wildpinkler, du unerziehbarer, geiziger Schlingel, du!
Klar könnte man hier die Frage ansetzen, ob es generell gerechtfertigt ist, Geld für die Benutzung öffentlicher Toiletten zu verlangen. Die Frage öffnet aber ein ganz anderes Fass. Und schließlich sieht man auch nicht an jeder Ecke Frauen hocken, die da grad ihre Notdurft verrichten, weil sie kein Kleingeld einstecken haben. Irgendwie ist es also möglich, bis Zuhause auszuhalten oder zumindest nicht mitten auf die Straße zu pullern, sondern versteckt Grünanlagen zu bewässern. Weil, versteht mich nicht falsch, ich finde das absolut legitim, auch mal ins Gebüsch zu hüpfen. Wenn man muss, muss man nun mal, und manche Mädels stellen sich da auch mehr an, als es nötig ist. Aber mitten auf ʼnem Gehweg? Ernsthaft?
Eine weitere recht amüsante Äußerung von Frau Willms war noch, dass in diesem Fall die Frage nach Ungerechtigkeit eine philosophische Frage sei. Sie als Frau würde auch gerne zahlen, wenn sie dafür eine saubere Toilette vorfände. Ob sie sich damit nicht Protest-Pinkel-Aktionen – à la „Was die Jungs können, können wir schon lange!“ – seitens philosophischer Wildpinklerinnen auf den Hals jagt, wird sich ja dann bald zeigen. Könnte witzig werden.
Text: Polina Boyko
Teaserbild: Alexandra Bucurescu, pixelio.de
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