SPIESSER debattiert

Niemand ist vergessen

Vor 75 Jahren begann der Zweite Weltkrieg – die blutigste und schrecklichste Tragödie der Menschheitsgeschichte. Die Konrad-Adenauer-Stiftung greift dieses Thema in einem „DenkT@g“ auf. Die beiden russischen Schüler Dmitry Erokhin und Maria Strilets nehmen an dem Wettbewerb teil und berichten.

18. June 2014 - 12:34
SPIESSER-Autor dimae.
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dimae Offline
Beigetreten: 03.06.2014

Unsere Heimatstadt Krasnodar wurde während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt. Die Folgen des Krieges sind immer noch sichtbar. Zu unserem großen Bedauern vergessen viele Menschen heutzutage, welches Unglück der Krieg mit sich brachte. In einigen Ländern werden faschistische Bewegungen und Parteien geboren, neonazistische Aktionen durchgeführt, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit propagiert. Dagegen können und müssen wir etwas unternehmen, um unter allen Umständen die Wiederholung solcher Gräueltaten zu verhindern.

Kaum zwei andere Länder sind so tief miteinander verbunden wie Deutschland und Russland. Es gab dunkle Zeiten – Konflikte, Konfrontationen, Kriege –, aber die Geschichte ist auch von Zusammenarbeit, gegenseitiger Hilfe und Bereicherung geprägt. Deshalb ist es wichtig, sich an die gemeinsame traurige Vergangenheit zu erinnern, um die erneute Ausbreitung des Neonazismus keinesfalls zuzulassen.


Besuch der Gemäldeausstellung "Stern"

Deswegen machten wir, Maria und ich, uns für das Projekt „DenkT@g“ der Konrad-Adenauer-Stiftung auf die Suche und fanden alte Archivdokumente, Filme, lebende Zeitzeugen, besuchten Museen und Kunstgalerien und unternahmen noch viele andere Aktivitäten, um die Geschichte kennenzulernen. Auf das Projekt sind wir bei einer Recherche für einen Deutsch-Wettbewerb in Russland gestoßen. Wir freuten uns über die Idee, unsere Meinung zu dem schwierigen Thema auf einer renommierten Plattform  zu äußern. Nur diejenigen, die über ihre Vergangenheit Bescheid wissen, können die Zukunft gestalten und verbessern. Mit unserer Beteiligung am Projekt wollten wir unseren Teil zur Freundschaft zwischen den Ländern beitragen.

Was denken die Menschen?

Unsere Arbeit an dem Projekt begann mit einer Umfrage. Wir haben ungefähr 100 Personen aus Russland via Internet befragt, und auch 50 Passanten auf der Hauptstraße von Krasnodar sowie Schüler des Gymnasiums № 92 äußerten ihre Meinung zum Thema. Wir wollten wissen: Was geht in den Leuten zum Thema Hass und Fremdenfeindlichkeit vor? Welche Vorurteile oder Ängste haben sie? Die Mehrheit erkennt die Gefahr der Ausbreitung von rechtsradikalen Ideen und Meinungen und ist sich sicher, dass wir dringend etwas dagegen tun sollten. Es gab aber auch Meinungen, die mit Hass und Feindlichkeit erfüllt waren. Zusammenfassend können wir aus der Befragung folgende Schlüsse ziehen:

-   Die Mehrheit der Befragten ist gegen Nationalismus und hält ihn für eine  gefährliche Erscheinung.
-    Die Gesellschaft tritt für Toleranz ein, aber fordert von den Migranten gleichzeitig die Befolgung der lokalen Gesetze und Respekt vor den örtlichen Traditionen.
-  Alle Menschen sind gleich, weswegen wir unbedingt aufeinander Rücksicht nehmen müssen

Warum wir die schreckliche Vergangenheit nicht vergessen dürfen

Torte der Freundschaft

Die Befragung hat gezeigt, dass das Problem des Rechtsradikalismus und der Ausländerfeindlichkeit leider noch nicht bis zum Ende gelöst ist. Ich kann mir schwer vorzustellen, wie Menschen, deren Urgroßväter und -mütter im Kampf gegen den Faschismus fielen, sich heutzutage so negativ über die anderen Nationen äußern können. Ich glaube, der Grund liegt darin, dass sie weder von der Vergangenheit ihrer Familie noch von der Geschichte der ganzen Welt wissen wollen.

Der "DenkT@g" ist ein bundesweiter Internetwettbewerb der Konrad-Adenauer-Stiftung. Mit Webpräsentationen gedenken Jugendliche der NS-Diktatur und des Holocausts, und thematisieren aktuelle Formen von Rechtsextremismus. Willst auch du dich engagieren? Hier findest du Infos zum Mitmachen!

Wir dürfen nicht vergessen, was uns der Frieden kostete, wie viele Soldaten im Kampf gefallen sind. Sie ließen ihre Leben im Namen einer großen Tat – der Rettung der Menschheit vor Faschismus, vor der Vernichtung ganzer Völker, die als Untermenschen bezeichnet wurden. Sie wussten, wie wichtig der Frieden ist. Es scheint aber, dass wir allmählich das Unvergessliche vergessen. Manche Jugendliche denken immer weniger darüber nach, dass man nur in Frieden glücklich sein kann, wenn die Eltern leben, wenn Kinder, Verwandte, Freunde nah sind, wenn es keine Tränen, keine Schmerzen und keinen Tod gibt.

Wir können stolz darauf sein, dass die Menschen jener Epoche, ungeachtet der Schmerzen, des Hungers und der Kälte, an eine bessere Zukunft glaubten und dafür einstanden. Unsere Aufgabe besteht darin, die Entwicklung ähnlicher Ereignisse zu verhindern. Erinnert euch an jene Tage, als Menschen in den schlimmsten Verhältnissen Kinder zur Welt brachten, denen sie trotzdem Optimismus und Freude beibrachten.


“In der Welt der Freundschaft”

Natürlich muss man sich aber auch auf höchster Ebene an die grauenhaften Jahre des Krieges erinnern. Die Regierungen aller Staaten müssen für die Erhaltung des Friedens und Vorbeugung der Konflikte und Kriege eintreten, die Vertreter verschiedenartiger Nationen und Völker wertschätzen, den Veteranen und Helden des Krieges helfen, Ausstellungen in Museen und Kunstgalerien organisieren und – das ist das wichtigste – die Ausbreitung der nationalistischen Ideen und Meinungen verhindern. Nur so arbeiten wir gegen das Vergessen.

 

Text: Dmitri Erokhin
Fotos: Privat

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