Zehntausende Menschen protestieren mittlerweile in Hongkong für mehr Demokratie. Ergeht es China jetzt wie der früheren DDR? SPIESSER-Praktikant Paolo hat für euch nachgeforscht, was die Menschen auf die Straße treibt und welche Forderungen sie stellen.
Vor einer Woche haben Studenten und Schüler in Hongkong damit begonnen, ihren Unterricht zu verweigern, um sich gegenüber der kommunistischen Führung für demokratische Rechte einzusetzen. Was mit Unterrichts-Boykott und Kundgebungen begonnen hat, entwickelt sich nun zu einem harten Kampf mit der Hongkonger Polizei. Zehntausend Demonstrierende blockieren die Innenstadt, besonders das Regierungsviertel und den Finanzbezirk. Während von den Protestierenden fast alle Bus- und U-Bahnlinien außer Gefecht gesetzt und alle Zufahrtsstraßen dicht gemacht wurden, rieten viele Banken ihren Mitarbeitenden zur Arbeit von Zuhause aus – Banken, Schulen und Geschäfte bleiben teilweise geschlossen.
Hintergrund
Über 150 Jahre lang war Hongkong eine britische Kronkolonie - und wurde so zu einer wichtigen Freihandelszone. Als Hongkong 1997 an China übergeben wurde, behielt es seine Sonderstellung. Als chinesische Sonderverwaltungszone mischt sich die Regierung in Peking wenig in die Innenpolitik Hongkongs ein, dafür hat die Hongkonger Bevölkerung mehr Presse- und Demonstrationsrechte sowie weitgehende politische Autonomie – besonders in Sachen Wirtschaft.
Freie Wahlen in Hongkong?
Anlass für das Chaos war eine Entscheidung der chinesischen Führung in Peking: Zwar sind für 2017 freie Wahlen in Hongkong angekündigt, aber im letzten Monat wurde entschieden, dass die Kandidaten für die Wahl zur Hongkonger Regierung von einem Komitee bestimmt werden. Das bedeutet, dass sich (mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit) keine Bürger zu Wahl stellen können, die sich kritisch mit der chinesischen Führung auseinandersetzen.
Die Bevölkerung der Sonderverwaltungszone Hongkong kennt mehr Freiheit als der Rest Chinas. Weil die Regierung erste freie Wahlen in Aussicht stellte, sie aber letzten Endes doch wieder fallen ließ, sind die Reaktionen der blockierenden Menschen nicht verwunderlich. Die Occupy-Central Bewegung, eine zivilgesellschaftliche Bewegung Hongkongs für mehr Demokratie, schloss sich bereits am Wochenenden den studentischen Protesten an. Ungefähr 25 Prozent der 7 Millionenstadt sollen die Ziele der Menschen in den Blockaden unterstützen.
Die Proteste werden auch „Umbrella Revolution“ genannt, weil sich das Volk mit Regenschirmen
gegen Tränengas der Polizei wehrt.
Forderungen zum Nationalfeiertag
Die Menschen auf den Straßen fordern bis zum 1.Oktober, dem 65. Gründungstag der Volksrepublik China, den Rücktritt ihres Regierungschefs Leung Chun-ying und von Peking freie Wahlen. Die Staatsmacht ging mit Schlagstöcken, Pfefferspray und Tränengas gegen die Menschen vor, aber vermochte es nicht, die Demonstration aufzulösen. Die Demonstrierenden habe sich jedenfalls auf der Straße mit Wasser und Nahrung eingerichtet – die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag in Hongkong wurden auch schon abgesagt.
Doch was passiert, wenn am 1. Oktober weder Staat noch Volk nachgeben? Wird die Regierung alles mit Gewalt auflösen? Werden sich noch mehr Menschen der Zivilbewegung anschließen, die Stadt komplett lahm legen oder sogar gewaltsam gegen Polizei und Regierung vorgehen? In jedem Fall wird es sich die chinesische Regierung in Peking nicht leisten können, einfach so klein beizugeben. Noch viel mehr Menschen in ganz China würden sich nach dem Vorbild Hongkongs auf die Straßen begeben und für ihre Freiheit eintreten. Aber vielleicht werden wir positiv überrascht – wie vor 25 Jahren. Morgen wissen wir mehr!
Text: Paolo Le van
Teaserfoto: Flickr-User 流璃 (CC BY 2.0)
Fotos: Flickr-User chet wong(CC BY 2.0)
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