Bolivien, das ärmste Land Südamerikas, erlaubt Kinderarbeit mit zehn Jahren, um der extremen Armut im Land entgegenzuwirken. SPIESSER-Autorin Polina erklärt ein Gesetz, das auf den ersten Blick äußerst fragwürdig erscheint.
08. July 2014 - 16:26 SPIESSER-Autorin Individuot.
Vor allem in Drittweltändern gehört Kinderarbeit schon lange zum Alltag. 2012 gab es insgesamt 168 Millionen Kinderarbeiter im Alter von fünf bis 17 Jahren, dabei waren die meisten von ihnen in der Landwirtschaft tätig. Zwar hat die Kinderarbeit seit 2000 um fast ein Drittel abgenommen, jedoch erschütterte kürzlich ein neues Gesetz in Bolivien diese positive Entwicklung: Demnach dürfen Kinder nun schon ab dem Alter von zehn Jahren in Ausnahmefällen arbeiten. Dabei arbeiten dort schon jetzt insgesamt 850.000 Kinder anstatt zur Schule zu gehen.
Gruppe von Südamerikanischen Kindern
Das Gesetz, das erst kürzlich vom bolivianischen Parlament verabschiedet wurde, sieht vor, dass Kinder ab 10 Jahren selbstständig arbeiten dürfen. Bedingung dabei sind nur die Freiwilligkeit des Kindes sowie die Zustimmung der Eltern und eines/r Ombudsmannes/frau, der/die das Anliegen aus einer unparteiischen Position bewertet. Die Altersgrenze für eine Anstellung liegt bei 12 Jahren. Dabei schreibt das Gesetz den Arbeitgebern vor, die körperliche und geistige Gesundheit ihrer jungen Arbeitskräfte zu gewährleisten und deren Ausbeutung zu verhindern. Dies schließt die Arbeit von Kindern in Minen und bei der Zuckerrohrernte aus.
Vergleicht man nun die Bedingungen, die in Bolivien festgelegt wurden, mit den Arbeitsbedingungen in Deutschland, sind die Unterschiede wie erwartet gravierend. Erst ab dem Alter von 16 Jahren darf in Deutschland im herkömmlichen Sinne gearbeitet werden. Ab 13 Jahren darf man leichtere Arbeiten wie Zeitungaustragen und Babysitten übernehmen, um sein Taschengeld aufzubessern. Ab 15 Jahren darf man dann bis zu 4 Wochen einer Ferientätigkeit nachgehen. In allen Fällen hat aber Schule Vorrang und die Schulbildung darf in der Pflichtschulzeit nicht unter dem Nebenjob leiden.
Bananenernte in Südamerika
Die aus deutscher Sicht fragwürdige Neuregelung in Bolivien soll dazu beitragen, das Land von extremer Armut zu befreien und die hohe Kriminalitätsrate unter Kindern und Jugendlichen zu senken. Nicht zuletzt geht das Gesetz auch auf Forderungen von Kindern selbst zurück, die eine Anpassung der Gesetzeslage an ihre alltägliche Situation fordern. Während solche Forderungen von Kindern hierzulande undenkbar sind, sind sie in Bolivien ein Ausdruck des Wunsches, selbstständig und vollwertig die eigene Familie unterstützen zu können.
Text: Polina Boyko
Fotos: Flickr-User Maurizio Costanzo (CC BY 2.0), Dieter Schütz, pixelio.de, Flickr-User Gail Frederick (CC BY 2.0)
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