Die Ausgangslage ist klar: Deutschland braucht einen Sieg gegen Ghana, um sicher das Achtelfinale zu erreichen. Dementsprechend aufgeheizt ist die Stimmung bei uns in der WM-Clique aus Stuttgart. Zum ersten Mal schauen wir ein Spiel gemeinsam.
Zusammengefunden haben sich Afrika-Fan Cornelia, Fussball-Fan Melanie und Fussball-Hasserin Rachel. Wir schauen uns das Spiel in der Stuttgarter Kneipe „Troll“ an. Eigentlich wollte auch Fussball-Experte Johannes Frank dabei sein, doch der sagt kurzfristig ab und schaut lieber mit seinem Vater. „Den Frank kannste ja jetzt ganz aus dem Text streichen“, sagt Melanie, als wir uns einen Platz in der letzten Reihe gesichert haben.
Die Farbe des Todes
Es folgt der Anpfiff. Stimmung: noch eher verhalten. „Die schwarzen Trikots, in denen wir spielen, die sind ja schrecklich“ sagt Cornelia. Sie drückt sonst den afrikanischen Mannschaften die Daumen. Heute ist sie Deutschland-Fan. „Schwarz ist doch die Farbe des Todes“, sagt sie. „Nein, Nein“,antwortet Rachel. „Heute bringt es uns Glück“.
Bitterer Ernst
„Gib mal die Tröte her“, sagt ein Fan zu ihr, der am Nachbartisch sitzt. Rachel hatte tatsächlich schon im Vorfeld gefragt, ob sie nicht eine Vuvuzela mitbringen solle. Da hielt ich das noch für einen Scherz. Doch es war ihr bitterer Ernst.
Nun trötet sie also bei uns am Tisch was das Zeug hält und der Sitznachbar schaut blöd zu. Dann die 33. Minute: Ghana hat eine Topchance, fast gerät Deutschland in Rückstand. „Scheiße“ sagt Melanie, „die müssen doch gewinnen!“. Sonst schaut sie eher selten Fussball. Nur bei der WM gibt sie richtig Gas, als Modefan will sie sich dennoch nicht abstempeln lassen.
Es ist Halbzeit. „Ich würde gern mal ein Tor sehen“, fordert Cornelia. Netzer und Delling erscheinen auf dem Bildschirm. „Lauter!“ ruft Mel. „Oh nein“, stöhnt Cornelia. Rachel kann es nicht begreifen, „dass Melanie die lustig findet“.
Rachel mausert sich von der Fußball-Hasserin zur Expertin und amalysiert die erste Halbzeit: „Die Deutschen zittern, sie wirken nicht wirklich sicher“. Zu Beginn der zweiten Halbzeit verflachen die Gespräche. Es geht um das Aussehen von Khedira und die Bestellung der Getränke. Cornelia mahnt: „Kein Alkohol! ... noch nicht!“.
Traumtor!
Dann wird es laut. Der „Tooooor“-Schrei ertönt: Özil macht das 1:0 in der 60. Minute. „Ein Traumtor“ sagt Melanie. Rachel trötet, Cornelia strahlt. Die Stimmung ist zum ersten Mal richtig gut im „Troll“.
Nach ein paar Minuten brandet wieder Jubel auf. Die Australier führen gegen die Serben. Die wollten ja Weltmeister werden. Da sind wir dazu verleitet, einen Satz aus der Zeitung zu zitieren: "Was machen die Serben, wenn sie die Weltmeisterschaft gewinnen? Sie schalten die Spielekonsole wieder aus und gehen schlafen“.
Ein Spieler aus Ghanas Team ist verletzt. „Lustig“ findet das Melanie. „Fussball ist manchmal echt brutal“ sagt hingegen Cornelia. Und plötzlich passiert ein Wunder. Rachel, die sich vor zwei Wochen noch als Fussball-Hasserin ausgegeben hatte, ist nun auf einmal ganz begeistert vom Spiel.
Die 85. Minute, gleich ist es geschafft! Zum drohenden Achtelfinal-Gegner England sagt Melanie: „Die haben doch auch Probleme. Die hauen wir weg!“ Dann, Abpfiff! Das Spiel ist aus, wir im Achtelfinale!
Lustig war es, in unserer WM-Clique. Am Sonntag gegen England ist dann hoffentlich auch ein männlicher Experte mit am Tisch. „Wir werden Weltmeister“, ruft Melanie. Die Party in Stuttgart kann beginnen. Wer sich hier jetzt noch normal verhält, ist in etwa so allein, wie Frankreichs Trainer Domenech, nach der Niederlage gegen Südafrika.
Fotos: Helen Viereck
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