Kinofeeling

„Ein Leben als Bauer und die Kamera mit dabei“

August Diehl ist Schauspieler in Film und Theater, bekannt unter anderem aus Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“. Ende Januar ist er Teil der Crew einer weiteren Hollywood-Größe in „Ein verborgenes Leben“ (A Hidden Life) von Terrence Malick. Im Film spielt Diehl den österreichischen Widerstandskämpfer Franz Jägerstätter.

04. February 2020 - 09:50
SPIESSER-Autor Der Mann den Sie Pfirsich Nannten.
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Der Mann den Sie Pfirsich Nannten Offline
Beigetreten: 24.04.2015

In einem Hotelzimmer in Berlin traf ich mit weiteren Journalisten den Schauspieler zu einem Gruppeninterview zur Veröffentlichung des Films in den deutschen Kinos und wir konnten mehr über die gemeinsame Arbeit der Crew am Set erfahren. Diehl erzählte, er lebte die gesamten Dreharbeiten über das Landleben erneut, das bereits seine eigene Kindheit prägte und Malicks besondere Arbeitsweise war stets spürbar.

„Man denkt während des Drehs gar nicht so stark darüber nach, was das jetzt für ein Film wird. Ich kann mich erinnern, ganze Tage lang fuhr man eigentlich nicht zum Set, sondern zur Arbeit. Man hat darüber nachgedacht, dass man jetzt das Heu da oben am Hang nochmal wenden muss, weil es sonst fault. Hoffentlich ist die Kuh heute gut drauf. Wir haben richtig auf dem Land gearbeitet. Es war ein Leben als Bauer und die Kamera war mit dabei. Die Takes hatten eine Durchschnittsdauer von 28 Minuten. Als Schauspieler kann man zehn Minuten etwas Interessantes machen, aber dann fällt man irgendwann in ein Loch und alles scheint langweilig und dann setzt man sich auf eine Bank und guckt ins Tal herunter und das ist unter Umständen genau der Moment, den Malick haben wollte. [...] Man kontrolliert sich gar nicht mehr, denkt gar nicht darüber nach, ob etwas gut oder schlecht, spannend oder nicht spannend ist. Darum geht es gar nicht. Es geht darum, mit auf die Reise zu gehen. Die Feldarbeit war ziemlich ermüdend, ich kann mich erinnern, ich bin an einem Tag einfach auf der Wiese eingeschlafen und als ich aufwachte, war die Kamera vor mir. Es wurde alles immerzu gefilmt, das ganze Leben, die ganze Zeit. [...] Mit Terrence Malick begibt man sich auf eine gemeinsame Reise.“

Malick arbeitet selbst nur mit natürlichem Licht, daher sind am Set keine aufwändigen Lichtumbauten notwendig, die das Gefühl der dargestellten Charaktere leichter ins Inszenierte abwandern lassen. Das Pure ist dem Regisseur besonders wichtig und er bricht dafür auch alle industrietypischen Konventionen, lehnt sich auf gegen den Fast Food Film. Die Postproduktion des Films dauerte bis drei Jahre nach dem letzten Drehtag hinaus an. Eine Situation, die die Interviews zum Film zwar erschwert, allerdings hatte Diehl nie Zweifel am Projekt.

„Wir waren immer im Austausch. Ich war selbst viele, viele Male, ich glaube, es waren 26 Mal, im Tonstudio und hab immer wieder neue Voice-Overs eingesprochen. Aber dadurch bekommt man einen Eindruck, wohin sich der Film entwickelt. Es war immer noch wie ein Dreh, wir haben ständig weitergearbeitet. Gezweifelt habe ich an der Fertigstellung nie, aber es wurde immer schwieriger, den Leuten um einen herum zu erklären, dass man wirklich in einem Terrence Malick-Film mitspielt.“


„Das ‚Nein‘ von jemandem in der Gesellschaft hat
einen solchen Domino-Effekt.

Foto: Christian Schneider
Schon das Casting war wie im Terrence Malick-Film

Diehls internationale Anerkennung war sicherlich hilfreich, um auch bei Malick auf der Liste zu stehen. Doch auch in Hollywoods Traumfabrik sind die Geschäftswege naheliegend, wie er erzählt.

„Ein paar Wochen später kam der Anruf, dass ich die Rolle habe und dann eine halbe Stunde später rief Terrence an. Wir unterhielten uns 45 Minuten über das Leben, über Kinder und wie es ist, auf dem Land aufzuwachsen. Das Telefonat kam unerwartet. Ich stand auf der Strasse. In Berlin. Im Regen. Ich habe mich dann in einem Hauseingang untergestellt und sah die ganze Zeit den Regen. Das war auch schon ein cineastischer Terrence Malick-Moment.“

Der Film selbst spielt im österreichischen Radegund, ein kleines Bergbauerndorf und lange sollte der Film auch den Titel des Dorfes tragen, weil diese Verbindung von Jägerstätter zu seiner Heimat so stark war. Diehl wuchs ebenfalls in einem kleinen Dorf auf.

„Ich bin selber auf dem Land groß geworden, das war zum Teil eine Reise zurück in die Kindheit. Ein ganz großer Teil der Vorbereitung war eigentlich, Landwirtschaft zu lernen. Der Fall Jägerstätter ist nicht so bekannt, nicht wie die Geschwister Scholl, auch ich kannte ihn vorher nicht. Ich glaube, das hat etwas damit zu tun, dass der Akt selbst nicht aktiv war, sondern eine Verweigerung und ich finde das ist das Starke an der Geschichte.“

Jägerstätter weigerte sich auf Hitler zu schwören und im Dienste der Unmenschlichkeit in den Krieg zu ziehen und verweigerte sich aller Drohungen und Konsequenzen zum Trotz. Dieser passive Widerstand ist Kernelement des Films.

„Das ‚Nein‘ von jemandem in der Gesellschaft hat einen solchen Domino-Effekt. Da ist die Brücke zu unserer Zeit auch so spannend. Jetzt ist das gemeinsame ‚Ja‘ das eigentlich Große und wenn einer sagt, ich will aber keine E-Mail-Adresse und ich nutze aber kein Handy, was das bereits gesellschaftlich auslöst, ist unglaublich. Und ich finde so stark, dass jemand einfach sagt: ‚Ich finde das falsch.‘ und dadurch wird es plötzlich politisch, obwohl es gar nicht die Intention ist. Es ist die leiseste Art von Widerstand, die es gibt. Die Frage: Wie stark ist unser Gewissen? Selbst, wenn alle etwas mitmachen, sogar Menschen neben einem, die man als gute Menschen sieht, auch mitmachen, muss das eigene Gewissen sehr stark sein, damit man sagen kann: „Nein, ich nicht, weil ich fühle, dass es für mich nicht richtig ist.“ Und dann irritiert das die anderen, weil das ja heißt, dass sie falsch liegen. Dieses Spannungsfeld ist so stark und wenn du dann beim Nein bleibst, dann wird es eine große Sache. [...] Als Kind hatten wir das alle, das ganz klare Bewusstsein, was richtig und was falsch ist. Jedes Kind auf der Welt weiß, dass Menschen zu töten falsch ist.“

Die Begeisterung und Nachdenklichkeit ist auch Jahre nach dem Dreh deutlich zu spüren bei Diehl, dessen Stimme den Interviewraum einnahm. Wir haben den Film und das Gespräch genossen und sind froh, in diesem Fall nicht „Nein“ gesagt zu haben.

Ein verborgenes Leben (A Hidden Life)

Regie: Terrence Malick
Darsteller: August Diehl, Valerie Pachner, Bruno Ganz
Kinostart: 30. Januar 2020
Filmlänge: 173 Minuten
Genre: Historisches Drama
FSK: k. A.

Die Rezension zum Film von Autor Christian Schneider findet ihr hier!

 

Text: Christian Schneider
Portrait August Diehl: Christian Schneider

Bildmaterial: Pandora Film Medien GmbH

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