SPIESSER debattiert

Der Soundtrack zur Wahl

Ein kleiner Musikverlag aus München versucht mithilfe von Songs Jugendlichen die Themen Demokratie und Wahlrecht näher zu bringen. Mitmischen.de-Autor Tobias Thieme hat den Initiator und zwei Sängerinnen des Projekts getroffen.

30. August 2013 - 17:23
SPIESSER-Autor Tobit.
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Tobit Offline
Beigetreten: 12.11.2010

Ich stehe in einer typischen Reihenhaussiedlung am Rande Münchens. Darauf, dass hier ein kleiner Musikverlag seine Heimat hat, deutet bis auf das Klingelschild nichts hin. Hinter der Tür erwarten mich Winfried Huyer-May, Initiator von wahllieder.de und seine Tochter Maria (27), eine der Sängerinnen. "Angefangen hat alles mit Liedern, die ich für meine Kinder geschrieben habe", erzählt Winfried Huyer-May, ein älterer Herr mit Hosenträgern und Lesebrille und einer großen Leidenschaft für seine Musik.


Winfried Huyer-May hat wahllieder.de ins Leben
gerufen. Seine Tochter Maria, 27, ist eine der
Sängerinnen.

Engagiert und mit einem Funkeln in den Augen erzählt er von seinen Songs: "Ich habe die Lieder immer an den jeweiligen Entwicklungsstand angepasst: Lieder zum ein mal eins oder zum Englisch lernen zum Beispiel." Die Idee mit den Wahlliedern ist entstanden als die älteste Tochter der Familie zum ersten Mal wählen durfte. Dies ist inzwischen fast 20 Jahre her und seitdem sind die Songs zur Demokratie ein fester Bestandteil des Portfolios.

Bis heute schreibe er die Songs und die Musik selbst. Es ist eine Vielzahl von Liedern, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind. Davon zeugen die Mappen mit Noten und Songtexten, welche Winfried Huyer-May vor meinem Besuch herausgesucht hat und die jetzt vor uns auf dem Küchentisch liegen. Finanziert wird das ganze in Eigenregie. Niemand verdient mit dem Projekt Geld. Alles geschieht ehrenamtlich.

Die Botschaft dahinter

Musikalisch seien alle aus der Familie schon immer gewesen, erzählt Maria, die ein bisschen jünger aussieht als sie ist und sich auch darüber zu freuen scheint, dass ihr Papa nach wie vor eine so große Leidenschaft für das Thema hat und mit Stolz von seinen Kindern berichtet. "Keiner von uns fünf Kindern hatte Ambitionen Profi-Musiker zu werden oder auf der großen Bühne zu stehen, aber wir hatten Spaß am Singen und wollen vor allem die Botschaft hinter den Liedern vermitteln", sagt sie.

Öffentliche Auftritte habe es aber nur selten gegeben und wenn dann auf kleineren Privat- oder Schulveranstaltungen. Verbreitet werden die Songs in erster Linie über die Website und so ist die Freude bei der ganzen Familie groß, wenn im Vorfeld einer Bundestagswahl verschiedene Medien über das Projekt berichten. "Man sieht das sofort an den Klickzahlen der Website und natürlich hoffen wir dann, dass die Botschaft bei den Besuchern ankommt", erzählt Winfried Huyer-May.

Ob ihre Freunde sie damals schief angeschaut haben, als sie angefangen hat über so etwas vermeintlich langweiliges wie Politik zu singen, frage ich Maria. "Nein, absolut nicht. Für die war es ganz normal, dass wir ständig über die verschiedensten Dinge gesungen haben, da war Politik einfach nur ein weiteres Themenfeld", antwortet sie. In gewisser Art und Weise tritt Maria sogar in die Fußstapfen ihres Papas. Nicht was die Musik angeht, aber den Hauptberuf: Kurze Zeit nach unserem Gespräch legt sie ihr zweites Jura-Staatsexamen ab.

Ein Keller voller Überraschungen

In ihrem Haus hat die Familie Huyer-May insgesamt
drei Tonstudios, wo Vater und Tochter die Songs
aufnehmen.

Natürlich gibt's auch eine Führung durch die heiligen Hallen: Das Tonstudio im Keller des Hauses. Eigentlich sind es sogar drei: Zwei im Keller, eines in der ersten Etage. Das im Keller sticht aber ganz besonders hervor. Eine Vielzahl von Accessoires, angesammelten alten Instrumenten und verrückten Dingen finden sich hier. Ein selbstgebautes Kontrabass aus alten Gießkannen, zwei Roboter aus alten Waschmaschinen und natürlich das Aufnahme-Equipment finden sich hier. Momentan nehme er hier vor allem Kinderlieder mit seinen Enkeln auf, erzählt Winfried Huyer-May. Bei diesem Großvater wurde ihnen die Musik natürlich in die Wiege gelegt.

Ein Dank von Helmut Kohl

Viel positives Feedback gibt es vor allem aus der Politik. Im Laufe der Jahre haben sich viele Politiker per Brief an die Initiative wahllieder.de gewendet. Natürlich hat Winfried Huyer-May auch hier eine Mappe mit sämtlichen Briefen der letzten 20 Jahren, jeder fein säuberlich in einer Klarsichtfolie abgeheftet. "Für Ihr großes Engagement für die Sache der Demokratie in unserem Land danke ich Ihnen sehr herzlich", schreibt zum Beispiel der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU/CSU). Aber auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU/CSU), dem ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau (SPD) oder der ehemailigen Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth (CDU/CSU) gab es positive Rückmeldungen, um nur ein paar Namen zu nennen.

Stolz ist er auf die Anerkennung das merkt man sofort: "Ich weiß nicht ob ich ohne diese positiven Rückmeldungen mit den Wahlliedern weitergemacht hätte. Die Briefe waren schon eine große Motivation." Was ich außerdem noch erfahre: Je kürzer der Brief sei, desto besser. Das zeige nämlich, dass er selbst geschrieben wurde und nicht von einem der vielen Referenten oder Sekretäre stamme.

Die Krux mit dem Kreuzchen

Die 16-Jährige Pilar ist die zweite Sängerin. Sie ist
über ihren Musikschullehrer zum Projekt gekommen.
Später möchte sie als Sängerin Geld verdienen.

Pilar ist mit 16 Jahren die jüngste in der Runde und ist durch ihre Musikschule zum Projekt gekommen. "Mein Traum ist es später auch hauptberuflich als Sängerin zu arbeiten", sagt sie. "Bisher habe ich eher immer englisch gesungen, das sind meine ersten Songs auf Deutsch."

"Demokratie ohne Wähler" – intern auch das "Kreuzchen-Lied" genannt – ist das neuste der Reihe und erst seit kurzem auf wahllieder.de verfügbar. Zu diesem Stück wurde auch ein kleines Musikvideo gedreht und auf Youtube gestellt. Pilar und ihr Musikschullehrer planen außerdem einige Songs (darunter auch das Kreuzchen-Lied) auf dem Sommerfest der Musikschule aufzuführen. "Und wer weiß, vielleicht gibt es dann ja noch weitere Möglichkeiten für öffentliche Auftritte", sagt Pilar. Mit der Wahl hat sie sich vorher nicht so genau beschäftigt. Zum einen dürfe sie rein altersmäßig noch nicht wählen gehen, zum anderen habe sie gar keinen deutschen Pass, da sie in Brasilien geboren wurde, erzählt die Nachwuchssängerin.

Pilar ist aber der Meinung, dass Musik die richtige Ansprache für die ausgerufene Zielgruppe der Erstwähler ist: "Jugendliche hören nun mal sehr viel Musik und wenn sie so einen Wahlsong hören, besteht vielleicht das Interesse sich weiter zu informieren." Denn – um es mit einem anderen der Wahlsongs zu sagen – "Wer wählt, der zählt".


Mehr mitmischen!

Im Topthema „Bundestagswahl 2013" auf mitmischen.de findet ihr außerdem einen Kalender zur Wahl, ein Interview mit dem Bundeswahlleiter Roderich Egeler und vieles mehr.

Text: Tobias Thieme
Fotos: © Said Burg

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