Kinofeeling

Captain Fantastic

Wenn ihr schon immer mal wissen wolltet, wie es ist, im Wald und komplett von der Zivilisation abgeschieden zu leben, dann ist „Captain Fantastic“ genau das Richtige für euch! Was außer Jagdszenen und Überlebenstraining im Kino noch so auf euch zukommt, erzählt euch SPIESSER-Autorin Anna.

24. August 2016 - 13:43
SPIESSER-Autorin annaweigelt.
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annaweigelt Offline
Beigetreten: 17.03.2015

Worum geht’s?

„Captain Fantastic“ ist vielleicht kein Superheld, aber ein großartiger Vater namens Ben. Mit seinen sechs Kindern lebt er aus Überzeugung Off-The-Grid in den Wäldern von Washington. Seine Schützlinge lernen wie man jagt, Berge besteigt und Häuser aus Holz und Seilen baut. Gleichzeitig steht das Lesen von Dostojewski, Sartre und Camus auf der Tagesordnung. In einer absoluten Idylle wachsen Kinder heran, die von ihren Eltern wie Erwachsene behandelt werden und den Intellekt eines Philosophen haben -– ohne Druck und mit viel Spaß.

Die Idylle bricht zusammen, als die Mutter der Kinder sich im Krankenhaus ihrer Heimatstadt das Leben nimmt. Die Familie beschließt, sich mit einem klapprigen Bus in die Zivilisation zu begeben, um am Begräbnis der Mutter teilzunehmen. Hier entwickelt sich der Film nicht nur zu einem abenteuerlichen Roadmovie, sondern es bahnen sich auch erste Konflikte an. Ben sieht sich mit einer konservativen Gesellschaft konfrontiert, die seine Erziehungsmethoden erheblich in Frage stellt.

 


Ben (Viggo Mortensen) und seine Kinder.
Foto: © 2016 Universum Film
Wer spielt mit?

Regisseur Mat Ross ist selbst bisher vor allem als Schauspieler aufgetreten. Er spielte unter anderem in vielen Erfolgsserien wie „Silicon Valley“ oder „American Horror Story“ mit, hatte aber auch Rollen in Filmen wie „Aviator“ (2004) und „American Psycho“ (2000). Mit „Captain Fantastic“ bringt er nun seinen zweiten Spielfilm in die Kinos. Variety's zählte ihn 2016 zu den „10 Directors to Watch“ – das verspricht viel! Für seine Hommage an die Individualität zog der Regisseur einen erlesenen Cast heran: Den Familienvater Ben spielt Viggo Mortensen, der schon als Aragorn in der Herr der Ringe-Trilogie (2001 bis 2003) brillierte. Als Ben verkörpert er eine sehr starke Persönlichkeit, die Verantwortung übernehmen und wichtige Entscheidungen treffen muss.

Bo, der älteste Sohn der Familie wird von George MacKay verkörpert -– einem britischen Schauspieler, der schon in „Herr der Diebe“ und „Peter Pan“ überzeugte und zuletzt in „Pride“ (2014) zu sehen war. Der amerikanische Schauspieler Frank Langella stellt den reichen Vater der verstorbenen Mutter dar, der Bens Lebensstil nicht tolerieren kann und sogar damit droht, ihm seine Kinder wegnehmen zu lassen. Ihn könntet ihr unter anderem aus seinen Hauptrollen in „Frost/Nixon“ (2008) oder „Robot & Frank“ (2012) kennen.

Filmischer Augenschmaus?

Absolut! Die Kombination aus überwältigenden Naturaufnahmen, überzeugenden Schauspielern und intelligenten Dialogen lässt einen darüber nachdenken, ob man nicht selbst lieber im Wald leben würde und dafür auf iPhones, Massenmedien und ungesundes Fastfood verzichten will. Aber auch einen unter einem gigantischen Wasserfall badenden Mortensen will man sich, aus rein ästhetischen Gründen, auf keinen Fall entgehen lassen.

Auf einen Blick
Action:        ✪ ✪ ✪ ✪
Romantik:     ✪ ✪ ✪
Humor:       ✪ ✪ ✪
Niveau:       ✪ ✪ ✪ ✪ ✪
Bildungsfaktor: ✪ ✪ ✪ ✪ ✪
Gibt’s was zu meckern?

Alle Protagonisten sind ausgefeilt, die Drehorte gut gewählt und die Dialoge bilden eine perfekte Mischung aus intellektueller Inspiration, Gesellschaftskritik, Drama und Witz. Einzig der aristokratische Großvater, der unsere Gesellschaft verkörpern soll, wird sehr einseitig und intolerant dargestellt. Der Film bedient sich außerdem einiger Klischees: Die Dummheit, Unsportlichkeit und Übersexualisierung der US-amerikanischen Gesellschaft wird für meinen Geschmack an einigen Stellen zu überspitzt dargestellt.

Braucht man Taschentücher?

Ich habe auf jeden Fall eine ganze Packung verbraucht. Denn neben den ganzen Konflikten, welche die Familie zu bewältigen hat, ist vor allem der Tod und der Umgang mit ihm ein großes Thema.

Mit wem angucken?

Mit der Familie! Mit Freunden! Mit der ganzen Klasse! Je nachdem, mit wem man den Film sieht, erlebt man ihn auch anders. Einerseits ist es der absolute Familienfilm – die Erziehungsmethoden der Eltern sind unglaublich inspirierend. Auch mit der Schulklasse samt Lehrern ist der Kinobesuch wertvoll, denn auch bildungstechnisch kann man viel lernen.


Ben und seine Kinder beim morgendlichen Sport-
programm Foto: © 2016 Universum Film
Was macht man danach?

Entweder drauflos diskutieren oder in sich gehen und über sein eigenes Leben nachdenken.

In 3 Worten:

Intellektuell. Dramatisch. Inspirierend.

 

Große Leinwand oder kleiner Bildschirm?

Der Film ist eine Explosion an Bildern, Emotionen und sozialer und intellektueller Inspiration. Allen, die sich von dieser Explosion mitreißen lassen möchten, würde ich die große Leinwand empfehlen.

Mainstream oder Independent?

Die Ästhetik ist auf jeden Fall die eines großen Blockbusters, das Thema fällt jedoch in den Indie-Bereich. Der Film ist für große Produktionen Lichtblick und Vorbild zugleich. Diese sollten sich thematisch von Explosionen, großen Ausschnitten und kitschigen Dramen entfernen und das viele Geld lieber in inhaltsstarke Utopien wie „Captain Fantastic“ investieren.

CAPTAIN FANTASTIC

Regie: Matt Ross
Schauspieler: Viggo Mortensen, George MacKay, Frank Langella, Steve Zahn, Missy Pyle, Kathryn Hahn u.v.m.
Kinostart: 18. August 2016
Länge: 118 Minuten
Genre: Drama, Familie
FSK: ab 0 Jahren

 

 

Text: Anna Weigelt
Bildematerial: © 2016 Universum Film

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