Schmökern

„Zusammen allein“

Wie lebt es sich unter einer Diktatur? In „Zusammen allein“ bekommt ihr einen Einblick in das Leben unter der rumänischen Ceausescu-Diktatur aus dem Blickwinkel der jungen Agnes. SPIESSER-Autorin Renée war trotz der schweren Lektüre beeindruckt von der Standhaftigkeit des Mädchens und der Brutalität des damaligen Regimes.

27. June 2016 - 10:39
SPIESSER-Autorin Oriella.
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Oriella Offline
Beigetreten: 13.10.2015

Worum geht’s?
Siebenbürgen
Siebenbürgen ist eine Region in Rumänien, in der viele sogenannte Siebenbürgen-Sachsen leben. Diese sprechen deutsch mit rumänischen Vokabeln und haben eigene Traditionen. In Rumänien regierte von 1965 bis 1989 der sozialistischen Diktator Ceausescu, der Minderheiten unterdrückte und Aufruhr in der Bevölkerung hart bestrafte. Ähnlich wie in der DDR war der Geheimdienst eine immer lauernde Gefahr und ohne Bestechungsgelder kam man an keine Informationen, Waren oder Erlaubnisse.

„Zusammen ist man weniger allein“ war als Buch und Film ein großer Hit. Der Jugendroman „Zusammen allein“ spielt jedoch nicht in unserem sonnigen Nachbarland Frankreich und mit der schönen Audrey Tautou, sondern an einem viel unbekannterem Ort: im rumänischen Siebenbürgen währen der letzten Jahre der Ceausescu-Diktatur.

Während die DDR-Zeit im Geschichtsunterricht ständig Thema war, kennt die Geschichte Rumäniens kaum jemand. Im Roman geht es nicht nur um die politische Situation, sondern auch um die persönliche Geschichte der 16-jährigen Agnes. Ihre Eltern können das sozialistische Regime nicht mehr ertragen und verlassen das Land – ohne ihre Tochter. Gezwungenermaßen zieht sie zu ihrer Großmutter nach Kronstadt.

In der neuen Heimat trifft sie auch gleich einen Typen zum Verlieben: Er ist politisch aktiv und so beginnt auch sie, sich mit dem System auseinanderzusetzen. Erst ist sie eine glühende Verfechterin des Systems und rebelliert damit gegen ihre Eltern. Doch der bedrohliche Geheimdienst und die schlimme Nahrungsmittelknappheit lassen ihre Liebe zum System und dem jungen Mann abkühlen – und bringen sie auf die Barrikaden.

Wer steckt dahinter?

Karin Bruder, selbst 1960 in Kronstadt (Siebenbürgen) geboren, lebt schon seit 1970 in Deutschland. Auf ihrer Homepage beschreibt sie den Umzug nach Deutschland als Verschleppung von ihren Eltern. Zurückgegangen ist sie allerdings nicht, sie lebt in Süddeutschland und leitet verschiedene Schreibwerkstätten für Jugendliche. Bemerkenswert: Zehn Prozent ihrer Einnahmen aus dem Buchverkauf spendet sie an die Organisation „Reporter ohne Grenzen“, die sich für Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung einsetzt.

Kurz und knapp oder dicker Schinken?

Der Roman hält sich kurz, nur 266 Seiten reichen Karin Bruder, um ihre Geschichte zu erzählen. Dabei hat man aber nie das Gefühl, zu kurz zu kommen.

Für die Bahn, den Sessel oder den Pausenhof?

Die Figuren im Buch sind eigenartig. Ebenso, wie Menschen es im echten Leben auch sein können. Um sich gut auf diese Eigenwilligkeiten einzulassen, wäre eine Lesesession im heimischen Sessel am besten geeignet.

Zusammen allein

Autor: Karin Bruder
Verlag: dtv
Veröffentlichung: 27. Mai 2016
Seitenzahl: 272

Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie schwer ist es, das Buch wegzulegen?

Das Buch nimmt mit der Zeit deutlich an Fahrt und Spannung auf und wird immer interessanter. Zu Beginn lässt es sich ganz hervorragend weglegen, gegen Ende nur noch widerwillig, Im Durchschnitt vergebe ich daher sechs von zehn Punkten.

Wem borgt man es nach dem Lesen als erstes?

Allein vom geschichtlichen Hintergrund her eignet sich das Buch als Schullektüre, also könnte man es seinem Deutschlehrer empfehlen. Die fremdartige Welt Siebenbürgens und die sozialistische Diktatur Rumäniens sind spannend genug für viele Gespräche in der Klasse. Aber auch die beste Freundin könnte sich dafür interessieren und sogar für ältere Generationen wäre es nicht uninteressant, wenn man die obligatorische jugendliche Romanze außer Acht lässt.

Lieblingszitat:

„Es war ein wirklich hässliches Hemd, doch es wurde von einem wirklich netten Menschen bewohnt.“ (S. 21)

In drei Worten:

Sonderbar, interessant, fremd

Text: Renée Theesen
Foto: Anja Nier

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