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Ian McEwan: “Die Kakerlake”

Drei Jahre beherrschte das Thema Brexit die britische Politik. Für viele wirkte der geplante Austritt aus der EU schlichtweg absurd – so auch für Autor Ian McEwan, der seinen Ärger darüber in eine polemische Dystopie einfließen ließ.

12. December 2019 - 12:39
SPIESSER-Autorin Kristel.94.
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Kristel.94 Offline
Beigetreten: 28.11.2018

Worum geht’s?

"Als Jim Sams an diesem Morgen aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in eine ungeheure Kreatur verwandelt.” Wer bei diesem ersten Satz an ein Déjà-vu glaubt, hat Recht: Tatsächlich hat sich Autor Ian McEwan bei seinem Roman “Die Kakerlake” an Kafkas weltberühmten Anfang aus “Die Verwandlung” bedient. Ian McEwan allerdings tauscht die Rollen: So verwandelt er die Kakerlake Jim in den Premierminister Großbritanniens. Schnell merkt dieser, dass er nicht die einzige Kakerlake in Menschengestalt ist – das gesamte Kabinett besteht aus seinen Artgenossen. Lediglich den Außenminister enttarnt Jim als Mensch und damit als Verräter.

Gemeinsam möchte das Ungeziefer-Kabinett das Land von “schmächlicher Knechtschaft befreien”: Neue ökonomische Grundlage soll der Reversalismus werden, eine Art umgedrehter Geldkreislauf. Arbeiten kostet plötzlich Geld; Einkaufen hingegen bringt ein sattes Gehalt. Bargeld zu horten ist gesetzlich untersagt; was am Ende des Tages eingezahlt wird, wird mit hohen Negativzinsen belegt. Feinde dieser Umkehr-Ökonomie werden abschätzig als “Vordreher” bezeichnet. Ihnen wird sich bald schon mittels einer inszenierten “MeToo-Kampagne” entledigt.

„Die Kakerlake“

Autor: Ian McEwan
Veröffentlichung: 27. November 2019
Seitenzahl: 144

Ähnlichkeiten zu real existierenden Personen sind bei Ian McEwan durchaus beabsichtigt: So stellt “Die Kakerlake” eine satirische Überzeichnung des Brexits dar. Jim Sams ist also Boris Johnson – denn, eine in einen Premierminister verwandelte Kakerlake ist für Autor McEwan genauso absurd wie der Brexit. Auch der amerikanische Präsident – im Buch als Archie Tupper bekannt – kommt zu Wort und tut via Social Media seine wechselhafte Meinung zum Reversalismus kund.

Wer steckt dahinter?

Ian Russel McEwan, geboren 1948 in England, ist ein erfolgreicher britischer Schriftsteller und entschiedener Gegner des Brexits. Er hat Fernsehspiele für die BBC geschrieben, Drehbücher für Kinofilme, Erzählungen und zahlreiche Romane. In seinen Büchern beschäftigt er sich häufig mit existenziellen Fragen der Menschheit oder unseres sozialen Umgangs.

Kurz und knapp oder dicker Schinken?

Mit gerade einmal 140 Seiten lässt sich “Die Kakerlake” in einem Stück durchlesen und vermittelt auf polemische Weise einen guten Eindruck des Brexits. Allerdings kann hier etwas Vorwissen zur derzeitigen Politik in Großbritannien nicht schaden.

Für die Bahn, den Sessel oder den Pausenhof?

Da das Buch mit wenigen Seiten auskommt und leicht verständlich ist, lässt es sich perfekt auf einer Zugfahrt oder an einem gemütlichen Abend zuhause lesen. Durch die Untergliederung in vier Kapitel und deren Unterteilung wiederum in mehrere Absätze kann man es zwischendurch gut weglegen, sodass es sich auch für kürzere Wartezeiten oder die Schulpause eignet.

Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie schwer ist es, das Buch wegzulegen?

7. Da die Geschichte sehr kompakt ist, steht der kompletten Lektüre in einem Stück nichts entgegen – so bleibt man als Leser und Leserin im Thema und muss sich nicht jedes Mal neu orientieren, wenn man den Roman zur Hand nimmt.

Wem borgt man es nach dem Lesen als erstes?

Personen, die sich für die aktuelle Politik in der EU und insbesondere in Großbritannien interessieren, werden die sarkastisch-düstere Dystopie von IanMc Ewan sicher genießen – insofern sie Gegner des Brexits sind. “Die Kakerlake” ist auch eine geeignete Lektüre für die Schule, da sie verständlich aufbereitet ist und durch das absurde, aber gut nachvollziehbare Beispiel des Reversalismus den Brexit auf einfache Art näherbringt.

Lieblingszitat:

„Sollten sie sich doch in selbstgewählter Gefangenschaft weiter ducken, Sklaven einer korrupten, diskreditieren Ordnung, sich – ihr einziger Trost – an Grafiken und Kreisdiagrammen klammern, an ihrer öden Rationalität, ihrem erbärmlichen Kleinmut.”

In drei Worten:

Politisch, grotesk, polemisch

 

Text & Teaserbild: Kristel Döhring
Coverfoto: Diogenes

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