„Über Wasser“ bietet Wortwasserfälle und Gedankenstrudel, eine gesunde Portion Großstadtsommer und einen Protagonisten, der sparsam lebt und sich verausgabend liebt. SPIESSER-Autorin Anna hat den neuen Roman des Österreichers Lukas Meschik für euch verschlungen und erzählt euch, was ihn so lesenswert macht.
25. April 2017 - 13:05 SPIESSER-Autorin annaweigelt.
Noah hält sich über Wasser, schwimmt über Wasser, ist über Wasser und würde gerne mehr über Wasser sein. In dem neuen Roman von Lukas Meschik lernen wir die Innenwelt eines Großstadtvagabunden kennen, der mit seinem Umfeld, Fernbeziehungsschmerz und vor allem mit sich selbst zu kämpfen hat. Als nicht mehr ganz so jung aber auch keineswegs erwachsen gilt es Versicherungen zu bezahlen, Rechnungen zu decken, bei den Eltern gute Manieren zu zeigen und Altersgenossen mögen zu lernen statt sie einfach nur auszuhalten. Hin- und hergerissen zwischen Sommerleichtsinn und Lebensernst verlebt Noah seine Sehnsucht zu Gudrun denkend, laufend, trinkend, reisend, liebend.
Mit viel Sensibilität und Detail sowie einer unglaublichen Sprachgewalt schlängelt sich „Über Wasser“ von Alltagsplagen über Alltagsängste zu Alltagsgedanken, webt ein Netz aus purer, jugendlicher Realität, stößt Gedanken an und führt zum Nach- und Neu-Empfinden, Stirnkräuseln und Haareraufen. Ein gelungenes Generationsportrait derzeitiger Mitt-Zwanziger.
Wer steckt dahinter?
Lukas Meschik hat zwar nie studiert, aber dafür immer viel geschrieben und laut gesungen. Mit 20 Jahren brachte er seinen Debütroman „Jetzt die Sirenen“ heraus und gleich ein Jahr später den Erzählband „Anleitung zum Fest“. Mit dem Förderpreis der Stadt Wien in der Tasche wohnt der 28-Jährige momentan in Wien, singt in der Band „Filou“ und bestreitet filmverliebt und comicsüchtig den Alltag.
Kurz und knapp oder dicker Schinken?
Auf 288 Seiten wächst Noah vielleicht nicht gleich zum Seelenverwandten, mindestens jedoch zum Seelenfreund. „Über Wasser“ ist ein langes Durchwühlen fremder Gedankengänge und ein voyeuristisches Hören innerer Monologe – es passiert nicht viel und gleichzeitig vergeht ein ganzes, kleines Leben. Was nicht dick wirkt, lässt sich genüsslich in die Länge ziehen, wie das langsame Kennenlernen eines neuen Unbekannten. Wort um Wort und Satz für Satz erarbeitet man sich Anschauungen, die man schnell als eigenes Gedankengut wähnen mag.
„Über Wasser“ liest sich am besten auf einem Stuhl, in unbequemer Haltung und arbeitendem Kopf. Es darf nicht zu gemütlich werden, damit die Aufmerksamkeit nicht verschwimmt. Dahinplätschernd machen die Bilder vor Noahs innerem Auge keinen Sinn, sie müssen scharf sein, um scharf das Herz treffen zu können.
Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie schwer ist es, das Buch wegzulegen?
Das Lesen des Romans schlackert dahin wie der eigene Alltag, deswegen eine gut gemeinte 6. Schwerer fällt es jedoch, das Buch kein zweites Mal zu lesen. Denn Noahs Geschichte ist vielleicht leicht aus der Hand zu legen, aber schwer aus dem Kopf zu bekommen, weil sie selbst in uns nistet.
Wem borgt man es nach dem Lesen als erstes?
Verborgen lässt sich das Buch nicht ganz so gut, da beim Lesen einzelne Passagen mit einem Bleistift fett unterstrichen werden müssen. Es verborgend würde man dann beinahe schon zu viel über sich selbst preisgeben. Doch verschenken kann man es wunderbar: Satzverspielte, Wortverliebte, Lebensvernarrte, Mehrwollende und Vieldenkende werden auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen.
Lieblingszitat:
Niemand konnte ihm nehmen, dass er seine Sinne benutzte und seinen Gedanken nachging und seine Bilder sah und seine Geräusche hörte und sich seine Meinungen bildete. Er dachte, man konnte nicht lernen, frei zu sein, aber verlernen konnte man es sehr wohl. (Seite 287)
In drei Worten:
Tief, unbequem, konkret.
Text+Teaserbild: Anna Weigelt
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