Titelverteidiger: Hi! Spencer – „Nicht raus, aber weiter“
Tiefe Gespräche am WG-Tisch über Herausforderungen und eine große Portion Optimismus. Das und mehr bietet „Nicht raus, aber weiter“, das zweite Album der Indieband Hi! Spencer. SPIESSER-Autorin Laura hat mit Sänger Sven Bensmann über Selbstsabotage, Rassismus und Sandkastenfreunde gesprochen.
Euer neues Album heißt „Nicht raus, aber weiter“. Was hilft euch, in schwierigen Lebensphasen weiterzumachen? (Weck mich auf)
Das ist eine sehr interessante Frage. Wenn ich viel um die Ohren habe, geben mir kreative Ideen wie eine Songidee oft ganz viel Schub und lassen mich alles vergessen. Es geht bei mir weniger um eine Auszeit, ich brauche einen Lichtblick.
Wie seid ihr füreinander stark „wie ein Leuchtturm“? (Wo immer du bist)
Das ist keine Floskel: Wir sind alle fünf sehr, sehr gut Freunde. Das waren wir schon bevor es die Band gab. Unser Gitarrist Jannis und ich waren zusammen im Kindergarten, Jan (Bass) und Malte (Gitarre + Gesang) auch. Am Anfang war die Freundschaft und dann kam die Band. Wenn du jede Macke und jeden Vorzug der Einzelnen kennst, ist das Zusammenleben selbst für mehrere Tage im Tourbus entspannt.
Manchmal sind vermeintlich kleine Erfolge viel wert. Welche solcher Erfolge habt ihr zuletzt gefeiert? (Nicht raus, aber weiter)
Wir haben bei unserer vergangenen Tour zusammen mit der Organisation „Laut gegen Nazis“ unser altes Bühnenbanner verlost. Die Organisation fördert Bildungsprojekte gegen Rechts und sorgt dafür, dass Menschen gar nicht erst zu Arschlöchern werden. Das Thema liegt uns sehr am Herzen. Bei der Aktion sind um die 800 Euro rumgekommen. Das ist keine Summe, die die Welt bewegt, aber trotzdem ist es schön, dass viele Leute mitgemacht haben.
Ihr singt auf dem Album über Herausforderungen von und zwischen Menschen. Wie geht ihr damit um? (Der Küchentisch)
Ich spreche da mal für Malte, der den Song singt. Malte und Jannis wohnen seit zwei Jahren zusammen in einer WG. Wenn man dort zu Besuch ist, spielt sich alles am Küchentisch ab. Dort offenbart im Gespräch auch mal jemand etwas Schweres. Malte sagt immer: „Menschen sagen gute Sachen, wenn man ihnen zuhört.“ Manchmal hilft es schon, das Ganze auszusprechen und es geht dir wieder besser.
Was hilft euch, optimistisch zu bleiben? (Klippen)
Wir haben einfach Lust, dass gute Sachen passieren. Wenn was Schlechtes passiert, sollte man sich davon nicht unterkriegen lassen. Irgendwie geht es fast immer weiter. Eine gute, gesunde, positive Lebenseinstellung hilft. Das ist auch der Kern davon, warum wir diesen unsagbaren Aufwand betreiben, ein Album zu produzieren. Es macht einfach trotz Kosten und Arbeit verdammt viel Bock.
Wie schaltest du ab, wenn alles zu viel zu werden scheint? (Schalt mich ab)
Ich bin ein Freund der Couch. Mein letzter klassisch erholsamer Urlaub war mit 13 – also vor 13 Jahren – mit meinen Eltern. Ich merke vor wichtigen Entscheidungen oft, dass die Floskel „ich schlaf nochmal eine Nacht drüber“ wahr ist. Das klingt vielleicht faul, aber manchmal leg ich mich einfach eine Stunde schlafen.
Einer der Songs heißt „Angst ist ein Magnet“. Funktioniert das auch mit anderen Gefühlen wie Mut oder Freude? (Angst ist ein Magnet)
In „Angst ist ein Magnet“ geht es darum, Sachen kaputt zu denken. Das geht auf jeden Fall auch andersherum. Auf Klassenfahrt früher zum Beispiel war man auch auf einer Spirale des Albern-Seins. Gefühle sind ansteckend, gesellschaftlicher Hass leider auch. Der Song ist eher eine Feststellung als ein krass emotionaler Ausruf.
In „Tauwetter“ singt ihr über den Zwiespalt zwischen dem Festhalten und Loslassen. Wenn ihr die Wahl habt, tut ihr Dinge lieber zusammen oder allein? (Tauwetter)
Ich bin ein Teamplayer. Das ist wichtig, wenn man in einer Band spielt. Dort kommen verschiedene Einflüsse und Intentionen zusammen. Die Band ist das, was dabei rauskommt. Nur den eigenen Willen durchzusetzen, klappt nicht. Bandtechnisch also ganz klar: ja.
„Hinter dem Mond“ beschreibt scheinbar die aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen. Machen sie euch Angst? (Hinter dem Mond)
Wir wollen mit dem Song die Situation nicht schwarz-weiß betrachten. Es gibt mehr als Nazis und Nicht-Nazis. Es gibt viele verschiedene Strömungen. Angst ist dabei selten etwas Begründetes, sondern ein negatives Gedankenspiel. Niemand verliert etwas, wenn andere etwas gewinnen. Das wollen wir auch mit unserer Musik darstellen.
Warten wir manchmal zu lange auf den vermeintlich richtigen Moment? (Richtung Norden)
Ja, das tun wir ganz bestimmt. Wenn man manchmal einfach nur machen würde, bliebe uns viel Gedankenschweiß erspart. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Der Song basiert auf einer realen Situation von mir. Wenn ich Songs schreibe, geh ich gern sehr tief in mich hinein und suche emotional gewichtete Situationen und Momente. Während des Songwritings verwische ich sie so weit, dass nur das Gefühl bleibt. 2012 ist meine Oma verstorben. Ich hatte zwei, drei Monate bevor das passiert ist noch so ein klassisches Oma-Gespräch mit ihr darüber, wie das Leben früher war. Seitdem wollte ich mit ihr nach Oer-Erkenschwick fahren, wo sie aufgewachsen ist. Das ist allerdings leider nicht mehr passiert.
Ihr seid für eure Musik viel unterwegs. Wie beeinflusst das eure zwischenmenschlichen Beziehungen? (Deponie)
Das kann ich wahrscheinlich am wenigsten aus der Band beantworten: Ich bin der einzige Single. Für die anderen funktioniert das echt gut. Die Freundinnen von ihnen wissen ja, was wir tun und welchen Stellenwert die Musik für uns hat. Man ist nicht nur in die Person verliebt, wenn sie da ist. Sonst wohnen wir alle nicht weit von unseren Elternhäusern weg. Die WG in Osnabrück ist 15km vom Elternhaus entfernt, ich wohne 500m Luftlinie von meinen Eltern weg. Wir sind sozusagen urbane Landeier. Es gibt mit viel, nach der Arbeit in großen Städten aufs Land zurückzukommen, wo alles schön ruhig ist.
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