Abgehört: Marina – „Ancient Dreams in a Modern Land”
Fans von Musicals und Freddie Mercury werden Marina lieben, wenn sie die Waliserin nicht ohnehin schon kennen: Ihre pompöse Stimme wird stets effektvoll inszeniert und ihre Songtexte triefen nur so von Coolness und von wichtigen Botschaften. Das findet sich auch in ihrem neuen Album “Ancient Dreams in a Modern Land” wieder, das am 11. Juni erschien. SPIESSER-Autorin Simone hat für euch in das Album reingehört.
14. July 2021 - 14:16 SPIESSER-Autorin teaserette.
2019 entschied sich Marina and the Diamonds, ihre Diamanten nicht länger mit ins Tonstudio zu nehmen. Sie tritt nun nur noch als Marina auf, um nicht länger einen Unterschied zwischen sich und ihrer Kunstfigur zu machen.
Das heißt aber nicht, dass sie ihre leicht operske Stimme verloren hat. „Man’s World“ hätte genauso gut auf dem Überwerk „Electra Heart“ aus dem Jahre 2012 zu finden sein können. Seit jeher hat sich Marina Diamandis in ihren Songs mit Geschlechtergerechtigkeit befasst und so tut sie es in der ersten Singleauskopplung erneut: „I don’t wanna live in a man’s world anymore” klagt über dramatischen Klaviertönen darüber hinaus auch die gesellschaftlichen Verrohung gegenüber dem Klimawandel an.
„Purge the Poison“ kommt hingegen sehr rockig daher. Hier greift sie nicht nur den Zustand unseres Planeten auf, sondern ebenfalls die #MeToo-Bewegung. Auch der Opener, der dem Album seinen Titel gibt, setzt auf einen starken Schlagzeugbeat.
Marinas fünftes Studioalbum ist eines, das ich in Dauerschleife laufen lasse. Ich fühle mich von ihr gesehen. Ihr Songwriting ist intelligent und, auf Englisch würde man sagen, „witty“. Wenn ich Marina lausche, fühle ich mich selbstbewusst und dadurch extrem sexy. Marina würde ihre Femininität niemals aufgeben, nur, weil sie gegen die Unterdrückung der Frau kämpft. Ein gutes Beispiel ist „Venus Fly Trap“: Warum sollte ich ein Mauerblümchen sein, wenn ich auch eine Venusfliegenfalle sein kann? So kann man sein Aussehen, seinen Einfluss auch nutzen! In diesem Song referenziert sie aber auch ihren Debüthit „Hollywood“ aus dem Jahre 2010, was mir als langjährigem Fan sehr gut gefällt. Ebenso huldigt sie Frank Sinatra („I did it my way“).
In der Ballade „Highly Emotional“ seziert Marina die echte Gefühlswelt abseits des Entertainmentbusiness, denn das kann sie auch: Über Liebe und Zwischenmenschliches singen. Auf diesem Album klingt sie zudem noch ehrlicher, da man nicht das Gefühl hat, es würde nun ein tragisch-trauriges Starlet, also Marinas Kunstfigur, singen, sondern die echte Marina. So geht es ebenso in „Flowers“ um das Ende einer Beziehung - „If you just bought me flowers, maybe I would‘ve stayed.“ In selbiges Horn stößt „I love you but I love me more”. Daneben klingt „New America“ fast etwas farblos. Hier wird zwar hymnisch das Land besungen, das die Musikerin seit jeher so fasziniert, doch die restlichen Lieder auf „Ancient Dreams In A Modern Land“ sind einfach stärker.
Wenngleich jeder Song, der mehr zum Ende des Albums hin wandert, ruhiger wird! „Pandora’s Box“ beispielsweise ist dabei zeitweise sehr sparsam instrumentiert, bis es zu einem zarten Rhythmus wächst. Ihr zehn Songs starkes neues Album endet passenderweise mit „Goodbye“. Hier lässt sie noch einmal ihre Wahnsinnsstimme röhren.
FAZIT
Vergleicht man „Ancient Dreams In A Modern Land“ mit den Vorgängern „Froot“ und „Love+Fear“ wird doch sehr deutlich, dass die dreijährige Pause nötig war. Zwar ließ sie sich auf „Froot“ beispielsweise von Madonnas „Ray of Light“ inspirieren, was mir gut gefiel, doch in erster Linie schien es, als wage sie seitdem nicht mehr zu schillern – trotz gelegentlicher Anleihen an Melodien der Siebziger. Nun wirkt Marina deutlich reiner mit sich selbst – und schillert auch ohne ihre Diamanten.
Ohrwurm: Venus Fly Trap Hinhörer: Purge the Poison Album in drei Worten: gefühlvoll, ermächtigend, Hollywood Passt zu: „Electra Heart“, ihrem 2012er Hitalbum Erinnert an: wunderschöne Schlaflieder, die uns zur Revolution anstacheln
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