Gras, Speed, Pilze, Koks, Crystal – mit Drogen kennt Dominik Forster sich aus. Früher abgebrühter Drogenboss, ist er heute ehrenamtlicher Drogenberater bei der mudra in Nürnberg und Autor von „crystal.klar“. SPIESSER-Praktikantin Renée hat er von seinen Erfahrungen mit der Sucht erzählt.
Zum Einstieg kannst du mir ja vielleicht mal erzählen, wann du zum ersten Mal Gras und Speed konsumiert hast und warum?
Das erste Mal konsumiert hab ich mit 17 Jahren. Dazu muss man sagen, dass ich in der Schule der typische Außenseiter war, so von dreizehn bis fünfzehn war ich klein, dünn, schmächtig – das typische Mobbingopfer. Mit 16 bin ich auf eine Jugendreise mitgefahren und habe dort neue Freunde kennengelernt, bei denen Drogen eine Rolle gespielt haben. Nach einem Jahr des „Dabeiseins“ wollte ich auch wissen, was das mit mir macht und weil ich vorher so der Außenseiter war, hab ich mir gesagt: „Komm das machste jetzt!“ Ich wollte halt auch mal cool sein, auch mal was erleben.
Wieso bist du dann auf Crystal umgestiegen?
Ich habe festgestellt, dass Speed diesen neuen, modernen, coolen Menschen aus mir gemacht hat. Ich konnte lange wach sein, war der Mittelpunkt der Party, aber irgendwann war mir auch das nicht genug. Um meine Sucht zu finanzieren, habe ich mich fürs Drogen verkaufen entschieden. Als Dealer musst du knallhart sein, wenn einer nicht zahlt, musst du dem sofort in die Fresse hauen und zeigen, dass du der Macher bist und das konnte ich nicht. Nicht mal „drauf“ konnte ich das. Ich war zwar selbstbewusst, hatte 'ne Sonnenbrille und coole Ketten um den Hals, aber innen drin war ich immer noch der kleine schüchterne Junge aus der Schule, der versucht Drogen zu verkaufen. Die ersten Male ist es dann schief gelaufen, die Leute haben mich ganz klassisch abgezogen. Und da war wieder mein Konflikt: Die Drogen haben zwar jemanden aus mir gemacht, trotzdem war ich schon wieder das Opfer. Und um mir dann den letzten Funken Verstand selbst zu nehmen, bin ich auf Crystal umgestiegen, habe mir 'ne Bande und Waffen gesucht und dann ging's richtig ab.
Den Drogen hat Dominik inzwischen
den Rücken gekehrt und ein Buch über
seine Erfahrungen geschrieben.
Was waren denn die negativen Auswirkungen vom Konsum, die du gemerkt hast?
Als ich irgendwann ganz oben war, ging‘s bergab und zwar einerseits körperlich: Ich war irgendwann so im Arsch, dass ich nicht mehr lesen, nicht mehr schreiben konnte, ich habe mir oft in die Hose geschissen, habe mich fast behindert konsumiert. Und das andere waren dann die psychischen Ausmaße: Es hat angefangen mit Verfolgungswahn, bis hin zu paranoiden Zuständen. Das Heftigste war, dass ich versucht habe, mir Käfer aus der Haut zu schneiden, die gar nicht da waren. Ab einem gewissen Grad der Abhängigkeit bildest du dir, wenn du drauf bist, ein, dass Ungeziefer unter deiner Haut ist, und egal wie viele Leute dir sagen, dass es bloß in deinem Kopf ist, siehst du sie und versuchst sie zu entfernen. Viele glauben auch, dass Chips oder Abhörgeräte unter der Haut sind. Du kriegst gar nicht mehr mit, was Realität ist und was nicht. Du bist zwar ununterbrochen wach – ich war auf Crystal auch mal 13 Tage am Stück wach – aber du weißt gar nicht mehr, was du machst. Dein Hirn ist absoluter Matsch, wenn du deinen Kopf bewegst, dauert es eine Zeit bis das Bild hinterherkommt. Du bist eigentlich wie ein lebender Zombie, dein Gehirn schaltet ab, dein Körper schaltet aus, aber du konsumierst immer weiter, weil du hoffst, dass der Glücksmoment wiederkommt.
Ja, ich bin immer noch in Traumatherapie. Drogen habe ich jetzt seit mehr als fünf Jahren nicht mehr genommen, aber ich habe noch immer mit Paranoia-Anfällen zu kämpfen. Ich habe eine posttraumatische Belastungsstörung, das kennt man sonst von Kriegsverletzten. Und in der Therapie lerne ich damit umzugehen. Es wird besser, aber nie weggehen.
Mit 17 habe ich das erste Mal gekifft, mit 21 saß ich das erste Mal im Hochsicherheitsjugendknast und in diesen paar Jahren habe ich so viel konsumiert, dass ich mein Leben lang Schaden davontragen werde. Das muss man einfach wissen. Als 17-Jähriger sagt dir beim ersten Konsum niemand, dass du die nächsten fünfzig/sechzig Jahre psychische Probleme haben wirst – aber so kann es eben kommen.
Möchtest du jetzt weiterhin in der Prävention arbeiten?
Ich habe nie irgendwas durchgezogen, außer Drogen zu nehmen und Drogen zu verkaufen. Die Präventionsarbeit ist jetzt meine Bestimmung: Interviews, Vorträge, mit meinem Buch an Schulen gehen – da ist unheimlich viel Bedarf da. Sucht gehört ja quasi schon zu jedem Leben. Es gibt fast keinen Jugendlichen mehr, der niemanden kennt, der Drogen nimmt. Es gibt kein Leben mehr ohne Drogen. Nicht jeder fährt damit sein Leben gegen die Wand – aber viele.
Text: Renée Theesen
Bilder: Dominik Forster
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