Schmökern

„Es herrscht sehr viel Aufklärungsbedarf.“

Unter dem Titel „Ebbe & Blut, Alles über die Gezeiten des weiblichen Zyklus“ erschien am 25. April die Abschlussarbeit von Eva Wünsch (25) und Luisa Stömer (24). SPIESSER-Redakteurin Polina hat mit den Grafik Designerinnen über Tabus, Wissenslücken und Zyklusphasen gesprochen.

03. May 2017 - 13:06
SPIESSER-Autorin Individuot.
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Individuot Offline
Beigetreten: 01.07.2014

Wie ist dieses Projekt entstanden?

Eva: Wir haben gemeinsam Grafik Design und Illustration studiert und „Ebbe & Blut“ war unsere gemeinsame Abschlussarbeit. Seit letztem Sommer sind wir mit selbstständig als Illustratoren und Grafiker tätig.

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Wie seid ihr auf das Thema gekommen?

Eva: Wir haben im Studium ganz viel über solche Themen privat gesprochen und dabei gemerkt, dass uns recht viel gar nicht klar ist. Außerdem stellten wir fest, dass es zu dem Thema nichts Vergleichbares gibt.

Luisa: Es gibt eigentlich nur diese Medizin-Wälzer mit zum Teil abstoßender Gestaltung, Bücher für sehr junge Mädchen, die zum ersten Mal ihre Tage haben, und ganz viele Bücher über die Menopause aber irgendwie nichts dazwischen. Es gibt kein Medium, das auf eine anspruchsvolle, ansprechende, ästhetische Weise mit diesem Thema umgeht und Lust macht, sich über sich selber Wissen zu erschließen.  

Herrscht zu dem Thema noch so viel Aufklärungsbedarf?

Eva: Auf jeden Fall! Klar, haben uns unsere Mütter in der Pubertät erklärt, dass wir jetzt einmal im Monat unsere Tage kriegen.

Luisa: Aber was da wirklich im Körper vor sich geht, hat man eigentlich kaum umrissen. Wir alle hatten Sexualunterricht in der Schule, aber der findet in der 6. Klasse statt und ganz viele Fragen stellen sich erst Jahre später. Da hat dann keine Aufklärung mehr stattgefunden oder nur in Form von Halbwissen zwischen Freundinnen oder aus dem Internet. Sich da umfassendes und wirklich wahres Wissen zu verschaffen, ist sehr schwierig.

Wir glauben, es herrscht sehr viel Aufklärungsbedarf und es mangelt ganz stark an Offenheit diesem Thema gegenüber. Das Thema wird immer noch sehr stark tabuisiert, aber wenn man weiß, wie wichtig es ist und wie viel im Leben von dem weiblichen Zyklus abhängt – wohlbemerkt: nicht nur im Leben von Frauen! – dann ist es eigentlich unglaublich, dass wir darüber nicht offener sprechen können.

Ebbe & Blut, Alles über die Gezeiten des weiblichen Zyklus

Autor: Eva Wünsch und Luisa Stömer
Verlag: Gräfe und Unzer Verlag
Veröffentlichung: 25. April 2017
Seitenzahl: 240

An wen richtet sich euer Buch?

Eva: Im Entstehungsprozess war unsere Zielgruppe unsere Generation, also die Anfang/Mitte Zwanzigjährigen. Als es fertig war, wurde uns aber klar, dass dieses Buch eigentlich für alle gemacht ist: Für jüngere als auch ältere Frauen oder interessierte Männer. Besonders schön ist – das stellen wir gerade fest – dass das Buch ein geeignetes Geschenk von Müttern an ihre pubertierenden Töchter ist. Es eignet sich aber auch als Nachschlagewerk, das eine Frau durch verschiedene Phasen begleiten kann.

Was war die krasseste Entdeckung bei eurer Recherche?

Eva: Es waren mehrere Sachen. Was ich erstaunlich fand, ist, dass wir während unserer Tage gar nicht so viel Blut verlieren: Es sind nur ca. 50 bis 80 ml. Dann finde ich es erstaunlich, dass die Eizelle nur sehr kurze Zeit, nämlich 12 bis 24 Stunden, befruchtbar ist. Rechnet man dann noch die Lebensdauer der Spermien mit ein, ergibt sich dadurch ein sehr kleines zeitliches Fenster, in dem man schwanger werden kann. Auch der Fakt, dass auch außerhalb unserer Periode ganz viel hormonell passiert. Es ist ein Rhythmus von Phasen, die sich immer wieder abwechseln und viel Einfluss auf uns haben: Wie wir fühlen, wie wir denken und wie es uns geht.

Luisa: Es ist zum Beispiel so, dass in der ersten Zyklushälfte, wenn wir unsere Tage haben und danach im Uterus quasi alles auf Anfang gestellt ist, ganz viel Umbruch stattfindet: Die Eizelle hat Power, sie möchte in die Gebärmutter und unbedingt befruchtet werden. In der Zeit fühlen wir uns fitter, stärker, schöner und haben eine selbstbewusste, mutige Grundstimmung. Wohingegen in der zweiten Zyklusphase, wenn die Eizelle feststellt, dass sie raus muss aus dem Uterus mit dem ganzen Blut, es uns auch nicht ganz so gut geht. Wir sind etwas sensibler, kriegen Wassereinlagerungen, haben voll viel Hunger und dann geht’s auch auf die Periode zu. Über dieses Wissen habe ich ein viel besseres Körperbewusstsein bekommen.

Habt ihr ähnliche Projekte geplant?

Eva: Wir haben da, glaube ich, schon unsere Nische gefunden. Sich große, wissenschaftliche Themen zu erschließen und diese in eine schöne Form zu bringen, liegt uns auf jeden Fall. Da könnte auch ein weiteres Buch mit einem ganz anderen Thema kommen aber jetzt sind wir erstmal gut beschäftigt mit dem ersten Buch.

Luisa: Ich fände es total gut über die Schwankungen im männlichen Hormonhaushalt was zu machen! Männer stehen genauso wie Frauen unter dem Einfluss ihrer durch den Körper schießenden Hormone und sie bluten zwar nicht einmal im Monat, aber verzeichnen ebenfalls Stimmungsschwankungen und es soll angeblich sowas wie den männlichen Zyklus geben. Aber da müssten wir uns wohl mit Forschern zusammentun und – übrigens! – das kannst du mal schreiben: Hallo Forscher, wir hätten total Bock was über die Männerperiode zu machen!

 

Teaserbild: © Luisa Stömer und Eva Wünsch / Ebbe & Blut / Gräfe und Unzer Verlag

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