Brief an …

Brief an... die Selbstständigkeit

SPIESSER-Autoren schreiben Briefe. Diesmal rechnet Milena mit der Selbstständigkeit ab.

11. May 2012 - 17:05
SPIESSER-AutorIn millaialfons.
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millaialfons Offline
Beigetreten: 13.02.2012

Liebe Selbstständigkeit,

von klein auf habe ich von dir geträumt. Den schnippisch heraus gepressten Satz „Ich kann das alleine!“ beherrschte ich bereits mit fünf Jahren. Während ich mit eisverschmiertem Mund einen schweren Wasserkasten hochheben wollte, konntest du mich aber noch nicht Ernst nehmen – jetzt ist das nachvollziehbar. Damals hätte ich alles darum gegeben, dir näher zu kommen. Wenn mein Bruder mir mit der Bastelschere die Haare schnitt, stellte das nur einen weiteren verzweifelten Versuch dar, deine Anwesenheit zu simulieren.

Aber du hast hartnäckig Abstand gehalten. Was sich letztlich als in Ordnung herausstellte: Eine Kindheit mit Verantwortung? Nein, danke! In der hormongesteuerten Phase namens Pubertät, habe ich mir dich wieder in den schönsten Farben ausgemalt: Eltern weg, du da. Doch so einfach war es nicht. Während ich mit Lipgloss-verschmiertem Mund vor meiner Mutter stand und darum bettelte, das Konzert eines nichtssagenden (aber schönen) Musikers besuchen zu dürfen, wolltest du mir noch keine Chance geben – heute verstehe ich das. Schließlich stehst du für die Eigenverantwortung des Individuums. Das klingt ziemlich erwachsen. Was ich als Kind noch nicht wusste: Dich gibt es nicht auf einen Schlag. Mit ein bisschen Feenstaub und Hokus-Pokus dein Freund werden? Nix da! Der Weg zu dir führt über viele selbst getroffene Entscheidungen und bringt Verantwortung mit sich – aber auch Freiheit.

Der nichtssagende (aber schöne) Musiker interessiert mich heute nicht mehr und du hast dich von „Selbstständigkeit“ zu „Selbstverständlichkeit“ entwickelt. So, dass ich dich manchmal fast vergesse. Aber nur fast. Wenn mein Auto plötzlich wie ein röchelndes Walross klingt, zeigst du dich wieder deutlich. „Um das Problem musst du dich selbst kümmern“, flüsterst du mir dann ins Ohr. Ganz alleine? Das kann ich nicht! Während ich die Nummer meines Vater wähle, habe ich kurz Angst, dich zu verlieren – du bleibst aber trotzdem stehen.

Danke dafür.

Text: Milena Zwerenz

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Kommentare

Vier Kommentare
  • Du musst "die" Jugendliche nicht verteidigen! Sie sind schon selbstständig genug! - Ich weiß, der Scherz war gut!
    Mindestens so gut, wie Du selbstsicher Jugendliche "Feinmotorik" beim Schminken attestierst. Wenn ich mir dagegen einige jugendliche, weibliche "Youngsters" entsetzt betrachte, beschleicht mich ernsthaft Zweifel. Aber über Geschmack lässt sich ja "leidenschaftslos" streiten. ;-) Was für mich allerdings mit Selbstständigkeit wenig, bis gar nichts zu tun hat.
    Abgesehen davon, dass die Dicke der Auftragsmasse nichts mit der Selbstständigkeit an sich zu tun hat, genau so wenig, wenn frau sich keine bis wenig Gedanken darüber machen, was sie sich auf die Augenlider schmieren und welche Auswirkungen die chemischen Cremes auf dem menschlichen Körper haben. Die Auswirkungen werden erst zeitlich später registriert und der Zusammenhang wird dann leider nicht mehr erkannt. Sondern vielmehr mit Verantwortung und Wahrnehmung - wenn Du verstehst, was ich meine! ;-)

  • ... dass dein Text "Brief an die Selbstständigkeit" als Thema für die Besondere Leistunsfestellung in Thüringen verwendet wurde? Blöder Weise dachten sich nämlich ein paar Leute, es wäre eine gute Idee, ein paar hilflose Schüler dieses Desaster eines Textes analysieren und erörtern zu lassen.
    Rein aus Interesse würde ich darum gern von dir wissen, was dich überhaupt veranlasst hat, so etwas zu schreiben.
    Zu dem zeigten sich mir beim Lesen einige Unklarheiten, zum Beispiel bei "Eine Kindheit mit Verantwortung? Nein, danke!".
    Denn Kinder haben schon Verantwortung zu tragen. Selbst wenn ein Kind nur die Aufgabe hat den Tisch zu decken, oder sein Zimmer alleine aufzuräumen, es bekommt trotzdem die Verantwortung dafür, es ordentlich zu erledigen. Und allein schon, wenn es in der Lage ist, sich selbstständig(!) anzuziehen.
    Ebenso in der Pubertät. Normalerweise sind Jugendliche schon sehr selbstständig, beispielsweise beim Einkaufen. Da sie ab 14 schon beschränkt geschäftsfähig sind, haben sie sogar vor dem Staat eine gewisse Reife, damit Selbstständigkeit und mehr Freiheiten. Mit Sicherheit gibt es trotzdem Einschränkungen, doch du stellst es fast so dar, als dürften Jugendliche genauso wenig wie kleine Kinder.
    Und nur um das mal anzumerken, als Kind mag man ab und zu mit Muttis Make-Up gespielt haben und sah danach aus wie ein Clown, aber Jugendliche, bei denen die Feinmotorik einigermaßen funktioniert, sollten keinen "Lipgloss-verschmiertem Mund" mehr haben.
    Außerdem finde ich es im letzten Absatz etwas verwirrend, dass du denkst, du würdest deine Selbstständigkeit verlieren, nur weil du um Hilfe bittest. Davon habe ich nämlich noch nie etwas gehört.
    Nur um der Selbstständigkeit Willen auf Hilfe verzichten? So etwas machen höchstens Kinder, die ihre Eltern beeindrucken wollen, indem sie sagen "Ich kann das alleine!".Aber als Erwachsener nach Hilfe zu bitten und Selbstständigkeit zu verlieren, kann man so nun wirklich nicht miteinander in Relationen setzen.
    Um Abschließend noch etwas gutes zu sagen, was mir bei dieser Vorlage leider recht schwer fiel, muss ich zugeben, dass mir der Satz "Der Weg zu dir führt über viele selbst getroffene Entscheidungen." inhaltlich gut gefallen hat, und dem ich mich auch nur anschließen kann.

    Solltest du also das nächste mal überlegen, einen Artikel zu schreiben und ihn zu veröffentlichen, solltest du es dir vorher gut überlegen. Denn es kann sein, dass nichtsahnende Schüler so etwas als Prüfungsaufgabe bekommen.
    Mit selbstverständlich selbstständigen Grüßen

  • Wirklich ein toller Beitrag, aber das ist nicht ganz der Grund, aus dem ich diesen Kommentar schreibe.
    Heißen Dank an die Autorin! :)
    Diesen Text hatte ich als Wahlaufgabe in meiner Deutsch-BLF zur textgebundenen Erörterung. Ich war sofort verliebt und wusste auf Anhieb, was ich damt anfangen kann. Ich hatte so viel dazu zu sagen, dass ich nur knapp mit der Zeit fertig wurde und an die 12 Seiten schrieb! :D Nur deshalb habe ich in meiner Deutschprüfing eine 1+ bekommen, also ein riesen Danke. :)

  • ... dass dein Text als Thema für die Besondere Leistunsfestellung in Thüringen verwendet wurde? Blöder Weise dachten sich nämlich ein paar Leute, es wäre eine gute Idee, ein paar hilflose Schüler dieses Desaster eines Textes analysieren und erörtern zu lassen.
    Rein aus Interesse würde ich darum gern von dir wissen, was dich überhaupt veranlasst hat, so etwas zu schreiben.
    Zu dem zeigten sich mir beim Lesen einige Unklarheiten, zum Beispiel bei "Eine Kindheit mit Verantwortung? Nein, danke!".
    Denn Kinder haben schon Verantwortung zu tragen. Selbst wenn ein Kind nur die Aufgabe hat den Tisch zu decken, oder sein Zimmer alleine aufzuräumen, es bekommt trotzdem die Verantwortung dafür, es ordentlich zu erledigen. Und allein schon, wenn es in der Lage ist, sich selbstständig(!) anzuziehen.
    Ebenso in der Pubertät. Normalerweise sind Jugendliche schon sehr selbstständig, beispielsweise beim Einkaufen. Da sie ab 14 schon beschränkt geschäftsfähig sind, haben sie sogar vor dem Staat eine gewisse Reife, damit Selbstständigkeit und mehr Freiheiten. Mit Sicherheit gibt es trotzdem Einschränkungen, doch du stellst es fast so dar, als dürften Jugendliche genauso wenig wie kleine Kinder.
    Und nur um das mal anzumerken, als Kind mag man ab und zu mit Muttis Make-Up gespielt haben und sah danach aus wie ein Clown, aber Jugendliche, bei denen die Feinmotorik einigermaßen funktioniert, sollten keinen "Lipgloss-verschmiertem Mund" mehr haben.
    Außerdem finde ich es im letzten Absatz etwas verwirrend, dass du denkst, du würdest deine Selbstständigkeit verlieren, nur weil du um Hilfe bittest. Davon habe ich nämlich noch nie etwas gehört.
    Nur um der Selbstständigkeit Willen auf Hilfe verzichten? So etwas machen höchstens Kinder, die ihre Eltern beeindrucken wollen, indem sie sagen "Ich kann das alleine!".Aber als Erwachsener nach Hilfe zu bitten und Selbstständigkeit zu verlieren, kann man so nun wirklich nicht miteinander in Relationen setzen.
    Um Abschließend noch etwas gutes zu sagen, was mir bei dieser Vorlage leider recht schwer fiel, muss ich zugeben, dass mir der Satz "Der Weg zu dir führt über viele selbst getroffene Entscheidungen." inhaltlich gut gefallen hat, und dem ich mich auch nur anschließen kann.

    Solltest du also das nächste mal überlegen, einen Artikel zu schreiben und ihn zu veröffentlichen, solltest du es dir vorher gut überlegen. Denn es kann sein, dass nichtsahnende Schüler so etwas als Prüfungsaufgabe bekommen.
    MfG

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