Was andere ausmisten, findet bei SPIESSER–Autorin Lara einen Platz. Sie findet: Secondhandmode ist ein Wundermittel gegen Uniformität, Sweatshops und das Pleitesein.
05. December 2016 - 14:54 SPIESSER-Autorin Elektroprinzessin..
darf ich dich Alltagsheld nennen? Oder lieber Weltverbesserer? Werde nicht gleich rot, du hast es verdient! Denn in dem, was andere nicht mehr möchten, erweckst du neues Leben. Du bist die Verlängerung jenes immer kürzer werdenden Klamottenkreislaufes, der in rasender Geschwindigkeit von der Kleiderstange auf den Wühltisch führt. Heute Trend, morgen Sale. Manchmal hast du zwar Löcher, Flecken oder ausgebeulte Knie, tragbar bist du trotzdem allemal! Doch was ich am meisten an dir schätze, ist dein Alter, deine Geschichte. Dein Stoff erzählt von früheren Zeiten. Opas Pulli wird zur tragbaren Erinnerung. Manchmal kenne ich deine Herkunft gar nicht: Hast du das Licht der Welt vielleicht in den wilden Siebzigern erblickt? Oder bist du ein Nineties-Kid, so wie ich? Oben drauf bist du auch noch einzigartig und vermagst, meinen Geldbeutel zu schonen.
Doch so viel Freude du mir auch schenkst – deine Konkurrenz, die Neuware, kriegt mich manchmal trotzdem noch rum. Wenn eine neue Hose her muss, wirst du zum Problemfall. Es wedeln dann die großen Modeketten mit der neuen, perfekt sitzenden Jeans vor meiner Nase. Lass mich von Socken und Unterwäsche gar nicht erst anfangen.
So muss ich, wie bei jeder guten Beziehung, auch für die unsere kämpfen, liebe Secondhandkleidung. Aber ich bleibe dran: Ich schaue Dokus über die Produktionsbedingungen der schnellen Mode. Ich habe Kambodscha bereist und rühre seither „Made in Cambodia“ nicht mehr an. Ich folge dir, statt dem Trend. Ich mag es retro, schlicht, gebraucht. Ich mag dich.
Deine Lara
Text: Lara Gahlow
Teaserbild: Lena Schulze
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