Brief an …

Brief an ... die Schule

Liebe Schule, Ich musste dir nun einfach schreiben, da du mich total verwirrt hast. Seit ich denken kann, ärgerst du mich! Stundenlange Hausaufgaben, wenn die Freunde schon draußen auf einen warten, und Vokabelpauken, wenn das Staffelfinale von Greys Anatomie im Fernsehen läuft.

02. May 2011 - 12:00
von SPIESSER-Redakteurin Chaosnudel.
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Chaosnudel Offline
Beigetreten: 12.04.2011

Ich musste dir nun einfach schreiben, da du mich total verwirrt hast.

Seit ich denken kann, ärgerst du mich! Stundenlange Hausaufgaben, wenn die Freunde schon draußen auf einen warten, und Vokabelpauken, wenn das Staffelfinale von Greys Anatomie im Fernsehen läuft.

Als ob das nicht reichen würde, setzt du mich unter einen 12 Jahre währenden Zeitdruck! Anstatt mir die Erlaubnis zu geben, mir die Lernzeiten selbst einzuteilen, setzt du mir unfaire Fristen und nimmst mir einen Großteil meiner geliebten Freizeit.

Du bist besserwisserischer als meine Eltern und hast grundsätzlich immer Recht! Das hat mich jetzt so lange genervt – ganze 12 Jahre!

So viel musste ich mir schon von dir gefallen lassen: Im Erdkunde-Unterricht stand ich mit wackeligen Knien an der Landkarte und konnte vor lauter Scham nicht einmal sagen, wo in etwa die Ostsee liegt.

Andauernd hast du mich in unangenehme Situationen gebracht. Besonders schlimm war es im Sportunterricht! Du wolltest meine untalentierte Art nicht akzeptieren und hast mich ständig dazu genötigt einen neuen Versuch nach einem gelungenen Tor zu starten.

Es wollte nie besser werden mit dir! Seit dem ersten Jahr ging es mit Vollgas los und bis zum bitteren Ende hast du an deinem Tempo nicht gezügelt. Warum hast du mir nie gegönnt einmal kurz inne zu halten?

Selbst in den Ferien gabst du mir lästige Aufgaben, ob in Mathe oder aber in Religion. Es scheint, als ob kein Unterrichtsfach Spaß machen dürfte nach deinen Regeln!

Doch nun?! Nachdem du mich12 Jahre lang genervt hast und mir kaum eine ruhige Minute gelassen hast, willst du nun nichts mehr von mir hören! Im hohen Bogen schmeißt du mich raus. Du lässt mich einfach fallen und zeigst kein Interesse an mir. Du möchtest nichts von mir hören.

Und obwohl ich dachte, dass es eine Erleichterung darstellt dich nicht mehr an meiner Seite zu haben, fehlst du mir nun schrecklich. Was mache ich denn nun den ganzen Vormittag ohne deine Aufsicht? Deine anhaltende Abwesenheit macht mich total wahnsinnig!!! Es ist unfassbar. Du hast mir – neben ständigem Stress und so manchen Blamagen – schöne Momente mit geliebten Menschen beschert. Du hast mein Leben erfüllt, was höchst wahrscheinlich auch daran liegt, dass ich mich an die Zeiten ohne dich kaum erinnern kann. Es fehlt ein Stück in meinem Leben und das bist du!

Ohne dich weiß ich nicht wohin mit mir. Es scheint als hätte ich keine sinnvolle Aufgabe und auch die Tatsache, dass du behauptest, ich wurde von dir sorgfältig vorbereitet für das, was nun kommt, halte ich für eine Lüge. Ich spüre nichts von der Vorbereitung! Ich fühle mich verloren und habe keine wirkliche Ahnung, was gerade in meinem Leben geschieht. Alles geht so schnell und ich bin gar nicht gefasst auf die Dimensionen, die mich da in der Zukunft erwarten. Kannst du nicht wenigstens Interesse heucheln oder mir Informationen geben, die mir in Etwa sagen, was da mit viel zu großer Geschwindigkeit auf mich zu rast? Wie wäre es denn mit einem Stundenplan für die Zukunft, wo du doch sonst immer so planmäßig vorgehst? Wie gefällt dir mein Vorschlag von Hausaufgaben und Vokabeln für ein Bewerbungsschreiben oder aber ein Vorstellungsgespräch?

Sonst hast du mich auch immer bestraft, wenn ich nicht pünktlich meine Arbeiten erledigt habe und plötzlich soll ich alleine dafür sorgen, dass ich einen Studienplatz, ein Jahrespraktikum oder eine Ausbildung bekomme? Wie soll ich denn all die Dinge unter einen Hut bekommen? Warum hilfst du mir nicht? Ich bin dir wirklich etwas böse.

Erst lässt du deine Augen nicht von mir und quälst mich, aber nun, da ich mir wünsche, dass du mir zur Seite stehst und zeigst, wo es lang geht, ignorierst du mich. Du kümmerst dich lieber um die „Neuen“ und gehst mir aus dem Weg. Vom einen auf den anderen Tag zeigst du keine Verantwortung mehr für mich. Das ging so schnell. Wie ich mir am Anfang wünschte, dass die Jahre mit dir schnell ein Ende nehmen mögen, so bitte ich dich jetzt: Nehme mich wieder in deine Obhut! Diese große Welt, in der ich mich momentan bewege, macht mir ein wenig Angst!

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