Brief an …

Brief an... die Lehrer

SPIESSER.de-Autoren schreiben Briefe. Diesmal schreibt holzschwein einen Beschwerdebrief an alle standardliebenden Lehrer.

27. July 2010 - 14:48
von SPIESSER-Autorin holzschwein.
Noch keine Bewertungen
holzschwein Offline
Beigetreten: 17.05.2010

Liebe Lehrer,
bitte mal herhören: Hiermit beginne ich die Einleitung. Ich werde nun kurz auf das Thema hinführen, das ich im Folgenden erörtern werde.

Oh, sorry, hab's gerade gesehen: Mir ist da leider ein „ich“ unterlaufen. Tut mir Leid. Ich weiß, Distanz und Sachlichkeit sind das Ein und Alles.

Aber was war das? Ein „Sorry“? Jugendsprache? Das geht ja nun wirklich nicht! Wo kämen wir denn da hin? Also zückt ihr den Rotstift und streicht fleißig alles an, was einen Text lesenswert macht. Wörter und Sätze, wie wir sie benutzen – abgelehnt. Das aufschreiben, was einem gerade in den Sinn kommt – weg damit.  „In der 11. Klasse geht das nicht mehr, Leute!“

Jaa, ich weiß. In der 11. Klasse sollen wir Texte schreiben, die so spannend wie Börsenberichte sind. Individualität? Fehlanzeige. Sachlichkeit ist gefragt: „Ihr müsst distanziert schreiben“.

Ihr wollt Standardformulierungen, so abartig sie auch klingen mögen. Man kann euch mit Wendungen wie „Des Weiteren gibt es anzumerken ...", „Daraus kann man schließen ..“ oder „Die vorhergehenden Beispiele zeigen deutlich...“ tatsächlich ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.

Ich weiß, eigentlich ist das ja auch gar nicht so schwer: Wir müssen uns einfach an das Grundgerüst halten, einfach die einzelnen Punkte abarbeiten, einfach immer die selben Worte benutzen. Einfach stinknormal sein – einfach einfach eben.

Aber wenn ich dann so vor meinem Heft sitze, den Füller in der Hand, und mich wieder einmal zusammenreißen muss, um alles Leben außen vor zu lassen – dann macht mich das manchmal ganz schön fertig. Dann frage ich mich, was das alles eigentlich soll. Wozu lernen wir denn, so zu schreiben? Was bringt es uns, wenn wir uns genauso anhören, wie jeder andere Schüler in der Klasse auch? Was bringt es uns, wenn vor lauter Standard die Musterlösung mit unserer übereinstimmt?

Jaa, natürlich: Uns bringts gute Noten. Ihr seid zufrieden. Die Abschlussprüfung wird gut. Das ist mir ja auch alles klar. Aber was ist mit später? Ich bezweifle stark, dass ich die Texte, die ich im Alltag lese, nach Aufbau und Struktur beurteilen werde, oder dass ich später mal wissen muss, welche Formulierungen das Kultusministerium wünscht und welche nicht.

Im Gegenteil: Manchmal habe ich Angst, dass mir diese ganze – Entschuldigung – diese ganze Scheiße meine Sprache versaut. Die Sprache, die ich benutze, wenn ich WIRKLICH schreibe! Die Sprache, die ich für Artikel wie diesen hier brauche, für Leserbriefe, die tatsächlich abgedruckt werden, für aufrüttelnde und überzeugende Texte. Denn die Leserbriefe, die ihr Lehrer gut findet – in einer Zeitungsredaktion würden die doch nur ein müdes Lächeln auslösen.

Liebes Kultusministerium, liebe Lehrer dieser Welt: Bitte lasst uns doch ein wenig von dem, wie wir selbst sind. Lasst uns doch so schreiben, wie es heute in jeder Zeitschrift erwünscht ist, lasst uns doch bitte so schreiben, wie wir denken!

Gebt uns wenigstens eine Chance. Lasst uns ausprobieren, wie wir auf diese Weise schreiben können, untergrabt nicht alles, was uns selbst einfällt. Lasst uns ein wenig Freiraum für Kreativität, ein wenig Freiraum für Individualität. Denkt doch noch mal genau nach: Was wollt ihr später haben? Menschen, die mit der Masse gehen? Einfältigkeit, Frustration, „Standardmenschen“? Oder wollt ihr eine vielfältige Gesellschaft, wollt ihr Individuen, wollt ihr eine eigenständige, kritische und lebensfreudige Generation erziehen?

Gebt euch einen Ruck und lasst uns ein wenig so sein, wie wir gerne sein möchten.

Mit „freundlichem “ Gruß,
Eure Laura

Dir gefällt dieser Artikel?

Kommentare

17 Kommentare
  • Ich stimm dir voll zu. Zwar ist es bei mir auch nicht ganz so krass aber in der Übertreibung liegt ja bekanntlich das Mittel der Darstellung. :)

  • Gott, was hast du denn für Lehrer? Mein Beileid! :D

    Also ich komme jetzt erst in die elfte, dementsprechend kann ich das Fach "Deutsch" da nicht bewerten, aber in der zehnten Klasse hatte ich eine Deutschlehrerin, die einfach nur toll war! Sie hat wirklich viel Freiraum für Kreativität und eigene Ideen gelassen und uns ausschließlich allgemeine Leitfäden vorgegeben.
    Und was die Ergebnisse angeht: Mit der Erlaubnis der jeweiligen Schüler hat sie Ausschnitte aus den verfassten Aufsätzen vorgetragen. Selbst Schüler, deren erklärtes Hassfach Deutsch war, haben super Aufsätze geschrieben. Und ich muss sagen: Das war mein bestes Jahr Deutsch!

    Es geht also auch anders, mit den entsprechenden Lehrern...

    Falls du in Zukunft weiter so viel Glück mit deinen Lehrern haben solltest, wünsche ich dir starke Nerven. :D
    Dein Sarkasmus ist echt toll!

  • Guter Artikel, aber mach mal Absätze. Schön bissig, schön sarkastisch, schönes Thema. Allerdings kenn ich das gar nicht so. Was soll denn das sein "Standartformulierungen"? Klingt giftig. Klar gibt es rhetorische Mittel die man kennen muss. Klar gibt es Formulierungen, die man in Deutscharbeiten verwenden sollte, damit die Lehrer sehen, dass du aufgepasst hast im Unterricht und formelle Ansprachen, etc. kennst. Trotzdem kannst du da noch individuell sein. Du kannst auch mit formellen Formulierungen deinen eigenen Stil, deine eigene Richtung in einen Text bringen. Das erfordert Übung, ist klar. Aber das sollst du ja auch üben, denn einen Leserbrief kannst du auch schlecht in Jugendsprache schreiben, oder? Du kannst schlecht auf diese Formulierungen verzichten. Meiner Meinung nach ist das ganz gut, dass wir im Deutschunterricht lernen, welchen Stil man verwenden sollte, wenn man eine Argumentation schreibt oder so. Wenn du was eigenes machen willst, hey, auch kein Problem. Mach es auf spiesser.de, hier sagt auch keiner "Schreib mal formeller!". Aber du musst eben auch bedenken, dass nicht jeder so viel Spaß am Schreiben hat wie du. Nicht jeder findetr seinen eigenen Stil und es gibt Menschen in der Schule, die brauchen diese Formulierungen, um einigermaßen schöne Texte zu verfassen.
    Also, Artikel gut, Stil gut. Für 'ne Deutscharbeit aber völlig "inakzeptabel". Des weiteren mag ich deine direkten Ansprachen an die Lehrer. Beste Grüße.

Mehr zum Thema „Brief an …
  • Onlineredaktion
    Brief an …

    Brief an...
    Omnivoren

    Lange leiden „schrille Öko-Tanten“ wie unsere Praktikantin Sylva schon unter ihren Kommentaren - jetzt macht sie ihnen mal eine Ansage.

  • Kathi99
    5
    Brief an …

    Brief an...
    den Corona-Virus

    SPIESSER-Autorin Katharina wendet sich in ihrem Brief an jemanden, der ihre Welt von einen auf den anderen Tag veränderte.

  • rasolara
    Brief an …

    Brief an...den Mundschutz

    SPIESSER-Autorin Lara wendet sich in ihrem Brief an jemanden, der sie in letzter Zeit täglich begleitet hat.

  • VeryMary94
    Brief an …

    Hallo, meine liebe Sackgasse!

    Ich nehme an, so eine Ansprache wundert dich, und ich muss zugeben, zu der Einsicht dahinter kam ich auch nicht leicht. Früher habe ich gedacht, dass du das Schlimmste bist, was mir je passieren könnte. Aber jetzt habe ich eine andere Meinung: Dank dir, meine Sackgasse, habe ich vieles über

  • VeryMary94
    1
    Brief an …

    Liebes Russland, ...

    Gastautor Ivanuschka* schreibt an Russland, seine Heimat, die er schweren Herzens verlassen muss.

  • VivElla
    5
    Brief an …

    Liebe (deutsche) Sprache

    SPIESSER-Autorin Viv sinniert über die deutsche Sprache.

  • Onlineredaktion
    Brief an …

    Liebes Flüchtlingskind, ...

    SPIESSER-Autorin Patricia wendet sich in ihrem Brief an ihren Schützling.

  • Schokoballerina
    Brief an …

    Brief an… meine Essstörung

    Eine anonyme Autorin über Mut und Kontrolle.

  • KlarO
    1.5
    Brief an …

    Brief an ... HIP

    Ein Brief an HIP, die hypothetische SPIESSER-Partei.

  • nicohaji
    Brief an …

    Brief an ... Stephen Hawking

    Ein Dankesbrief, eine Trauerrede, ein Abschiedsbrief an einen genialen Wissenschaftler.

  • Alaniel
    1.5
    Brief an …

    Brief an ... H&M

    SPIESSER-Autorin Annika ist der Modekette H&M gegenüber zweigespalten.

  • Lil
    Brief an …

    Brief an... den Schweiß

    Autorin Lilly freut sich in den seltensten Fällen über Schweiß, weiß ihm dann aber auch etwas Gutes abzugewinnen.

  • Helen16
    Brief an …

    Brief an...1984

    Unsere Überwachungstechnik hat die Science-Fiction längst überholt. Google und Co. bestimmen unsere Meinungen... oder etwa doch nicht? SPIESSERin Helen schreibt an das Dystopiejahr 1984...

  • Little Miss Wonder
    Brief an …

    Brief an… meinen Körper

    Liebe Augen, Finger, Füße, Muskeln, Beine, Sehnen und und und… mit anderen Worten: Lieber Körper!

  • Em
    Brief an …

    Brief an...
    die Prokrastination

    „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe ... Ach, Mist! Das war wohl wieder nix. SPIESSERin Ema über die Hassliebe zur Prokrastination.

  • Valentina Schott
    2.5
    Brief an …

    Brief an...
    Den (Sc-)Heißkleber

    SPIESSERin Valentina widmet ihren Brief dem Heißkleber.

  • k0librix
    4.2
    Brief an …

    Brief an ... den Migrations-
    hintergrund

    SPIESSERin Alexandra widmet ihren Brief ihrem Migrationshintergrund.

  • schneewibchen
    Brief an …

    Brief an meine Wahlbenachrichtigung

      Liebe Wahlbenachrichtigung,   vor ein paar Wochen habe ich dich aus dem Briefkasten gefischt. Du bist meine Berechtigung zur Wahl, meine Berechtigung zur Mitbestimmung in Deutschland. Seitdem hängst du an meiner Pinnwand, wirst von Notizzetteln und Einkaufslisten umrahmt und wartest

  • pippi.langstrumpf
    Brief an …

    Brief an ...
    Die Erstwähler

    Das erste Mal zur bei einer Wahl die Stimme abgeben. Für manche von euch ist es dieses Jahr soweit, bei der Bundestagswahl. SPIESSERIN-Astrid hat einen Brief an alle neuen Erstwähler verfasst.  

  • Badbobby666
    Brief an …

    Brief an ...
    das Fernweh

    Fast alle von uns plagt es im Alltag regelmäßig, das Fernweh. Bei SPIESSER-Redakteur Tom scheint das nicht so zu sein. In einem Brief versucht er seinen entfernten Bekannten endlich dazu zu bewegen ihm mal einen Besuch abzustatten.

  • jennifer
    Brief an …

    Brief an ...
    die Pickel

    Sie sind klein, sie sind fies und man wird sie kaum los. Die Rede ist von den Plagegeistern der Pubertät: den Pickeln. SPIESSERin Jenni kann sie echt nicht mehr sehen und lässt ihrem Frust in ihrem Brief freien Lauf.

  • MissCuriosity
    2.52941
    Brief an …

    Brief an ...
    den Like-Button

    Wenn Freunde sich nicht mehr mögen, ist das meistens traurig. Mona verabschiedet sich in ihrem Brief jedoch von einem sehr schlechten Freund – von dem Like-Button.

  • Gradl mim Radl
    Brief an …

    Brief an ...
    die Jogginghose

    Am 21. Januar ist jährlich der internationale Tag der Jogginghose. Und ja, dieses Kleidungsstück hat es sowas von verdient einen eigenen Tag im Kalender zu haben. Findet zumindest SPIESSERin Franzi. Eine Liebeserklärung an das bequemste tragbare Stück Stoff.

  • la rana
    Brief an …

    Brief an... Silvester

    SPIESSER.de-Autoren schreiben Briefe. Dieses Mal gibt la rana Feedback an Silvester.

  • PaulausMdorf
    1.5
    Brief an …

    Brief an ... Odin

    Ein bestandenes Mathe-Abi oder Frieden auf der Welt – oft wünschen wir uns Hilfe von oben. Paul hofft auf die Weisheit Odins und hat einen Hilferuf geschrieben.

  • Elektroprinzessin.
    Brief an …

    Brief an ...
    die Secondhandkleidung

    Was andere ausmisten, findet bei SPIESSER–Autorin Lara einen Platz. Sie findet: Secondhandmode ist ein Wundermittel gegen Uniformität, Sweatshops und das Pleitesein.

  • mia.
    Brief an …

    Brief an... den Herbst

    SPIESSER-Autoren schreiben Briefe. Diesmal hat mia. ein paar Takte mit dem Herbst zu reden.

  • lea58
    Brief an …

    Brief an ...
    den Neid

    Ihr kennt das: Was andere haben, wollen wir auch, was wir selbst haben, erscheint uns nicht gut genug. Neid! Lea will sich jetzt erstmal von ihm verabschieden.

  • Gradl mim Radl
    Brief an …

    Brief an ...
    das Internet

    In ihrem Brief gratuliert SPIESSER-Praktikantin Franzi dem Internet zum 25ten Geburtstag. Happy Birthday, liebes Internet!

  • FranziFranzzz
    Brief an …

    Brief an ...
    das WG-Leben

    SPIESSER-Praktikantin Franziska hat mit ihrem WG-Leben Klartext gesprochen und dabei positive und negative Seiten entdeckt – und letztendlich ihre Liebe gestanden!