Titelverteidiger

Abgehört: Bad Stream

Wenn man einsam unter Millionen auf den Wogen des World Wide Web dahinschwebt, liefert „Bad Stream“ die perfekten Gänsehautmomente. Am 6. April erscheint das Solo-Debüt-Album des Gitarristen Martin Steer und seiner Maschinen.

12. April 2018 - 17:22
SPIESSER-Autor PaulausMdorf.
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PaulausMdorf Offline
Beigetreten: 18.05.2016

Martin Steer kennt man eigentlich als den Gitarristen und Backgroundsänger von „Frittenbude“. Er selbst hat jedoch auch ganz andere Seiten und jetzt mit seinem Solo-Debüt ein düsteres Concept-Album rausgebracht, das von Sucht und Sog des Internets handelt. Ein genreübergreifendes Werk, das vor allem Gefühle von Verloren-Sein und Einsamkeit in einer Welt der sozialen Netzwerke vermittelt. Irgendwo zwischen atmosphärischem Electro und düsterem Rock erzählt Martin Steer eher mit Klängen als mit Worten seine Geschichten.

Das Album nimmt den Hörer mit auf eine Reise. Die insgesamt elf Songs gehen unter die Haut und sind eine Mischung aus Traum und Albtraum. Besonders die Einspieler aus diversen Filmen, Dokumentationen und Interviews verdichten eine Atmosphäre, die irgendetwas zwischen Meditationsanleitung, Philosophieseminar und psychedelischer Selbsterfahrung ist.

„Already Dark“, die erste Single und das zentrale Stück des Albums, ist eine düstere, siebenminütige Post-Industrial Hymne. Sie stellt die großen Fragen nach dem Selbst in einer Zeit, in der jede Minute durchgetaktet ist. Thematisch geht es um den digitalen Kapitalismus, den Klimawandel, den gläsernen Bürger, der übrigens auch auf dem Cover des Albums zu sehen ist, bis hin zu künstlichen Intelligenzen. Ein dystopischer Soundtrack ohne Optimismus, aber mit ganz viel Resignation. Vielleicht auch der Versuch eines Wachrüttelns. Der Doppeltrack „Transition I“ und „Transition II“ ist besonders hervorzuheben. Als Rahmen für das Album gedacht, finden sich hier immer wieder Einspieler mit Spoken-Parts, die wahrhaft Gänsehaut verursachen.

„Selbst wenn ich Gitarre spiele, schaue ich ständig aufs Handy, auch wenn ich gar nicht will. In den 2010er Jahren hat sich so viel verändert in meiner Wahrnehmung wie digitale Technologien und Social Media die Psyche und mein Leben als Musiker beeinflussen. Diese Nervosität will ich mit „Bad Stream“ radikal ausleuchten und die Reizüberflutung als Tool für die Entwicklung einer eigenen, progressiven musikalischen Sprache nutzen.“ sagt Martin Steer selbst über sein Album.

„Bad Stream“ ist mit konventioneller Musik schwer zu vergleichen. Für bloße Ambiance passiert hier eindeutig zu viel und dennoch wird das Gefühl des unwiderstehlichen Sogs sehr gut übermittelt.

Ohrwurm: „Already Dark“
Hinhörer: „Transition I/Transition II“, „Nervous Love”
Album in drei Worten: Düsterer Daten Stream
Passt zu: Träumen und Philosophieren, Stadtspaziergängen bei Nacht
Erinnert an: Irgendwas zwischen Radiohead, The Notwist und Juno Reactor

„Bad Stream“  von Martin Steer

 

: 06.04.18
Label: Antime Records

Genre: Post-Industrial / Electronica

 

 

Text: Paul Hilliger
Teaserbild: © 2018 Copyright - Martin Steer

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