In einem Land wie Deutschland, in dem man praktisch schon ein abgeschlossenes Innenarchitekturstudium braucht, um als Verkäufer bei Ikea zu arbeiten, bekommen Schüler oftmals eins vermittelt: Nur wer studiert hat eine Chance auf einen Job, auf ein selbständiges erfolgreiches Leben. Dieser Satz wird einem über Jahre solange eingetrichtert, bis man vergisst oder verdrängt, dass es auch einen Haufen Leute ohne Abitur und Studium gibt, die ihr Leben auf die Reihe kriegen. Denn wir Leben in einer anderen Welt. In einer Welt in der man mit einer "1" vor dem Komma im Abizeugnis unter Umständen noch immer zu schlecht für den Traumjob ist. Unsere gesamte Schulzeit lang reicht das was wir leisten, das wofür wir unsere Freizeit und unsere Jugend opfern nie auch nur annähernd aus. Nie bekommen wir gesagt, dass wir etwas gut gemacht haben, viele Lehrer demotivieren uns gezielt, weil sie glauben, dass uns das nur noch mehr anspornt. Aber hat denn noch niemand gemerkt, dass das so nicht funktioniert?! Dass wir irgendwann den Zeitpunkt erreicht haben, an dem wir nicht mehr können? Und gibt es nicht auch eurer Meinung nach eine Menge Wege auf eine andere Art und Weise zu beruflichem Erfolg und vor allem einem glücklichen Leben zu kommen?
Ich stecke gerade selber mitten drin - im Abi. Und spätestens seit Mitte der 11. Klasse wuchs in mir die Meinung, dass meine Ansicht vom "guten alten Abitur" und der Realität, doch schon sehr weit auseinander gehen.
Tagaus, tagein werde ich mit einem Haufen für mich größtenteils unnötigen bzw. viel zu spezifischen Wissen vollgepumpt, vom dem sowieso höchstens ein Drittel hängen bleibt, geschweige denn im späteren Leben explizit Anwendung findet. Ich betone, das ist meine persönliche Ansicht, jedoch kann, denke ich, keiner leugnen, dass sich das Abitur immer mehr zu etwas nahezu Unantastbarem entwickelt - ein einziger Blick in die Gesellschaft genügt.
"Mit dem Abi stehen dir alle Türen offen." - "Was bist du schon ohne Abi?"
Dabei sagt diese Abiturnote doch im Grunde genommen nur einen winzigen Prozentsatz über die Leistungen eines jungen Menschen aus. Man pokert um jeden einzelnen Notenpunkt, sucht die Prüfungsfächer nach der Wahrscheinlichkeit der höchsten Punktzahl aus und sitzt schon Monate vorher da, um zu bestimmen wie viele Punkte, sprich wie viel Anstrengungen man wo investieren will.
Und eine Zahl entstanden aus einer komplizierten Rechnung soll die Grenzen meiner Zukunft bestimmen? Armes Bildungssystem! Armes Deutschland!
Man lässt sich viel zu schnell von diesem Mantra einlullen - dabei benötigt es eigentlich nur Eigeninitiative und einen starken Willen, um die eigene Zukunft auch ohne Abitur zu meistern.
In meinem angestrebten Studiengang ist die Abiturnote zum Beispiel irrelevant. Und ebenfalls junge Leute ohne Hochschulreife werden bei entsprechendem Talent angenommen.
Wir machen uns zu sehr abhängig.
Und das Abizeugnis macht einen nicht automatisch zu einem klügeren Menschen.
Leider ist es ja so, dass wir auch die weniger qualifizierten Arbeitskräfte brauchen, nicht umsonst gibt's es eine Quote für die Empfehlung zur weiterführenden Schule (ich hoffe, das stimmt jetzt auch. Und wie hier auch schon gesagt wurde: Es sind viele betriebliche Lehrstellen frei bzw. unterbesetzt. Wenn sich alle ein einfaches Leben(viel Geld)durch hohe Bildung aneignen fällt die körperlich schwere Arbeit hinten runter. Kein Wunder, wenn sie zu Unrecht oft schlecht bezahlt wird.
Es stimmt schon, dass man sich mit nem Studium viel ermöglichen kann. Aber sollte man nicht eher für einen Ausgleich sorgen, dass man auch ein angenehmes Leben als bspw. ein Handwerker, Pfleger führen kann? Ich denke da muss in der Politik einiges geändert werden, damit solche Berufe halt auch wieder attraktiver für deutsche (werdenden)Arbeitskräfte werden.
"Und es sind noch viele Lehrstellen unbesetzt, was man so liest."
im Handwerk und der Pflege
Ich kenne auch genug Leute, welche ohne Abi einen guten Job/Ausbildung gefunden haben. Und es sind noch viele Lehrstellen unbesetzt, was man so liest.
Es muss ja nicht immer direkt ein Studium sein.
...habe ich. Ich mache grade eine Ausbildung zur Europaerzieherin. Das macht mich glücklich, denn ich liebe Sprachen und Kinder und kann beides super verbinden. Ich verdiene genug, um locker luftig leicht mit meinem Freund und zwei Katzen in einer eigenen 3-Zimmer-Wohnung zu leben und trotzdem noch Urlaub machen zu können und von Familiengründung sprechen zu können.
Ich habe Spaß bei der Arbeit, fühle mich gut und bekomme Anerkennung von Eltern, Arbeitgebern und Lehrern.
Perfekt!..und ich habe ne sehr gute mittlere Reife, eine schwere Diskalkulie und Hummeln im Hintern.
Lasst euch nicht so demotivieren, das wird schon...