Natürlich, ich verstehe das schon. Nichts klingt im ersten Moment cooler als, zu sagen: „Hey KI, schreibe einen Aufsatz über Napoleon.“ Das ist so viel einfacher, als auf Wikipedia zu gehen und selbst zu entscheiden, was es Wichtiges über diesen kleinen Mann zu sagen gibt. Das ist so viel chilliger, als dann womöglich noch eine zweite Homepage aufzurufen. Die KI nimmt es dir ab. Nur: Man lernt nicht, selbst Bezüge herzustellen. Das ist dir egal, weil die Französische Revolution Schnee von gestern ist? Du willst einfach nur schnell deine Hausaufgaben erledigen, um dich mit deinen Leuten zu treffen?
Versteh ich total, aber so einfach ist das nicht. Bei manchen Themen hat die KI einfach noch nicht genug Wissen, um einen brillanten Aufsatz zu produzieren. Nicht jede KI greift automatisch auf das Wissen des Internets zu. Viele arbeiten mit „alten“ Daten. Die KI hat also nicht immer recht und kann deine Haus-aufgabe auch vermasseln.
Schon gewusst? In den letzten Wochen haben viele Prominente gierig KIs zu sich selbst befragt; in den meisten Fällen konnte diese aber noch nicht mal zuordnen, wofür die Fragenden überhaupt berühmt sind. Jetzt könnte man sagen, je schlauer man seine Frage stellt, desto schlauer ist die Antwort. Aber: Wenn du schon so viel Gehirnschmalz für die Formulierung verwendest, dann könntest du auch gleich selbst ans Werk gehen, oder?
Mit der KI lernen
Sicher, Künstliche Intelligenzen arbeiten genauer, je mehr man sie füttert. Da kann es vielleicht sogar eine Hilfe sein, mit ihr gemeinsam zu lernen. Aber haben wir dafür nicht ohnehin schon Tausende von Lehrbüchern, Homepages, Programmen? Ich lerne zum Beispiel Japanisch. Das kann sehr frutrierend sein; Japanisch ist eine der schwierigsten Sprachen der Welt. ChatGPT ist hier ein tolles Tool, um Lücken zu schließen. Beispielsweise, wenn ich mich bei einer Frage nur auf Google verlasse und dadurch einfach nicht weiterkomme.
Allerdings lebt die KI halt leider nicht als Mensch in Japan. Von echten Menschen zu lernen, gibt mir viel mehr. Denn Sprache ist so lebendig, dass es einfach Dinge gibt, die die KI nicht wissen kann. Ausdrücke, die nirgends im Internet stehen, weil sie umgangssprachlich sind. Und speziell bei einer so komplexen Sprache wie Japanisch können viele unerwartete Bedeutungsnuancen entstehen, die die KI nicht nachempfinden kann. Ergo: Fettnäpfchen ohne Ende, wenn ich mich lieber mit einer Maschine unterhalte. Und ist das nicht auch das Verstörende, zu sagen: „Wir trainieren die KI ja noch“? Mir ist der Reiz für Konzerne klar. Schon heute kündigt die größte Tageszeitung Deutschlands Mitarbeitenden, weil sie Artikel in Zukunft durch KI erstellen lassen will. Ein großes, internationales Wirtschaftsmagazin hat bereits einen Artikel veröffentlicht, der kompletter Humbug war. Niemand hat es hinterfragt. Und genau das ist gefährlich. Im besten Fall wird es guten Journalismus immer geben, weil es Meinungsstücke braucht. Und diese zu schreiben erlernt man nur, wenn man seine Aufsätze über Napoleon nicht an die Maschinen abgibt. Wenn man selbst lernt, Schlüsse zu ziehen – und vor allem auch kritisch zu denken.
Ich möchte mir von der KI nicht mein krea tives Denken nehmen lassen.
Ohne KI lernen
Schulaufgaben haben nämlich – man möchte es kaum glauben – tatsächlich die Funktion, etwas zu lernen, wenn man sie erledigt. Ich persönlich gehöre zu denen, die alles, was in meinem Kopf bleiben soll, stumpf niederschreiben müssen. Wenn ich mich also zu einem Thema einlese und die Fakten dazu in eigene Worte fasse, kann ich mir sicher sein, dass diese auch für eine ziemlich lange Zeit in meinem Kopf bleiben.
Darüber hinaus droht so oder so der nächste Test. Würde ich mich blind auf Jasper Chat, Chat Flash, Chatsonic, YouChat, Bing Chat (oder sonst einen Chat) verlassen, wenn es um meine Hausaufgaben geht, würde das bei mir Ängste auslösen, in der Prüfung schlicht zu versagen. Und mal ehrlich, was machst du mit der frei gewordenen Zeit? Am Handy sein? Sind wir dann überhaupt noch eigenständig denkende Individuen oder nur noch in einer virtuellen Welt?
Mit der KI kreativ sein
Außerdem bleibt so die Kreativität auf der Strecke. Was bleibt von uns, wenn wir uns nicht mehr austoben dürfen? Ich selbst liebe es, zu schreiben, und wenn dieser Artikel, den du gerade liest, fertig sein wird, werde ich stolz darauf sein. Über manche Sätze werde ich mich richtig freuen, weil sie mir gelungen sind. Wenn der Text rund ist, bin ich glücklich. Wenn ich ihn aber nicht von Anfang an recherchiert, Sätze umgestellt und Wörter ausgetauscht hätte, wo bliebe da meine Befriedigung?
Neulich sah ich, wie jemand durch eine KI das viel zu berühmte Gemälde „Mona Lisa“ erweiterte. Und ich verstand nicht im Geringsten, was es so erstaunlich macht, zu sehen, dass außerhalb ihres Rahmens noch mehr Landschaft und möglicherweise eine kleine Hütte existieren. Es gibt einen Grund, warum da Vinci nur die Mona Lisa malte. Sie ist das wahrlich Interessante. Manchmal frage ich mich, ob Technik-Dudes so be-geistert sind von KI, weil sie selbst keine Fantasie haben und nur in Nullen und Ein-sen denken. Wenn ich im Urlaub ein Foto von einem Wasserfall in Island schieße, gibt es einen Grund, warum ich den Berg aus Steinen daneben nicht fotografiere.
Ich möchte mir von der KI nicht mein kreatives Denken nehmen lassen.
Was von uns bleibt
Ja, KI kann dir Arbeit abnehmen. Und warum brauchst du das? Hast du viel Stress? Dann sollten dir vielleicht eher andere Dinge abgenommen werden als Hausaufgaben. Stell dir mal eine Welt vor, in der wir easy durch alles durchkommen. In der wir keine Kritik mehr bekommen. Wie sollen wir da lernen? Uns verbessern? Herausfinden, was uns wirklich liegt? Es versuchen und zu scheitern, ist ein elementarer Bestandteil des Erwachsenwerdens.
Du merkst: Auch in einer Welt mit KI ist es durchaus sinnvoll, ein Geschichtsbuch hervorzuholen.
Text von Simone Bauer, die diesen Text niemals an die KI abgegeben hätte.