Die Welt hat gerade Auszeit. „Zeit, dass sich was dreht“ ist dabei nicht nur ein mittelmäßiger WM-Song von Grönemeyer, sondern auch der Ruf der Deutschen Fußball Liga (DFL) und der Vereine allerorts. Der Gottesdienst hat schon seine Sonderrolle und der Fußballgottesdienst will es auch. Denn wo Millionengeschäfte wegbrechen und wo viele Menschen treue Anhänger bündeln, da wird man flexibel.
07. May 2020 - 08:26 SPIESSER-Autor Der Mann den Sie Pfirsich Nannten.
Ab Mitte Mai sollen Fußballspiele ohne Zuschauer wieder stattfinden, denn die Goldader versiegt langsam und viele Vereine beklagen finanzielle Nöte – vorwiegend unter dem Deckmantel der vielen Arbeitsplätze um den Sport herum. Sportstätten im Land sind zu. Freizeitvereine, Kultur in jeglicher Liveform, überall. Die Fußballligen in Frankreich und Holland wurden abgesagt, Sport gibt’s derzeit nur noch alleine Corona-Slalom laufend draußen oder in neonfarbenen Sportoutfits vor dem 50-Zoll-Flatscreen daheim. Wo ich einst den Bierkasten hatte, liegt jetzt eine Yogamatte.
Dabei geht es nicht nur um das große finanzielle Interesse bei der Entscheidung der Wiederaufnahme des Ligabetriebs, Fußball ist auch immer ein Politikum. Wer den Startschuss zur Bundesliga gibt, könnte also neben guten Plätzen in der Loge auch gute Wahlergebnisse erhalten. Oder eben eine zweite Infektions-Laola starten. Da geht dem FC-Bayern-Minister Söder auch die sonst harte Lockdown-Linie flöten. Diese Sonderrolle für die Bundesliga offenbart eine enorme Macht der Branche und genau das konnte sonst hinter dem Erlebnis Sport – den Gesängen, den Traditionen, dem Geruch von Bier, Bratwurst und Zigaretten – überdeckt werden. Wenn jedoch regelmäßige Tests bei Spielern stattfinden, während man selbst nur bei akuten Beschwerden eine Chance darauf hat, und der Lieblingsverein öffentlich den Bankrott beklagt, während man selbst in Kurzarbeit oder ohne Aushilfsjob für die kommende Monate rechnen muss, dann geht das Fußballfieber zurück und der Zauber verschwindet. Was bleibt, sind Konzerne, die dem Profit nachjammern und davon lässt man sich keine Trikots beflocken.
Der Fußball erstickt gerade an seiner eigenen Geldgier. Der größte Kostenfaktor sind die Gehälter, die völlig ausgeufert sind in den letzten Jahrzehnten. Mit dem Verzicht auf einen Bärenanteil dieser Gehälter könnten sicher fast alle Bundesligaclubs überleben. Und man könnte die kleineren Ligen mit unterstützen inklusive der vielen Festangestellten dort, deren Gehaltschecks ein paar Nullen weniger haben. Die Lösung sollte innerhalb des Kosmos‘ Fußball selbst gesucht werden – mit Solidarität, statt Kommerzexzess. Sonderregelungen oder sonst Unterstützungen von außen hat keiner der Vereine, zumindest in der ersten Liga, verdient. Auch die Fans mit virtuellen Stadioncurrywürsten aufgrund ihrer blinden Loyalität auszuquetschen, wie Union Berlin und andere Vereine es handhaben, ist einigermaßen absurd. Selbst der Bankwärmer bekommt in der Regel mehr als das komplette Mietshaus am Stadtrand. Hier muss jetzt mal das Fett von der Suppe geschöpft werden, wenn der Sportsgeist, der die Begeisterung eigentlich auslöst, hochgehalten werden soll. Ansonsten ist man auch nur die Goldmann-Sachs-Betriebssportgruppe und dann sollen alle Vereine in Dubai unter 18 Plexiglasstadien die Saison zu Ende spielen.
Selbst DFL-Chef Seifert sinniert über die Verhaltensmuster der Vergangenheit und redet in Interviews der letzten Woche über die Werte des Fußballs und galaktische Spieler- und Managergehälter. Auf seine Idee hin, eine Höchstgrenze für Gehälter im Fußball zu diskutieren, war die Antwort ein Brandbrief mit Klageandrohungen namhafter Spielerberater. Nach aktuellem EU-Gesetz wäre so etwas derzeit nicht möglich, außer man würde sich gemeinsam darauf einigen. Zeit wäre es. Das durchschnittliche Jahresgehalt eines Bundesligaprofis liegt über den Daumen bei einer Million Euro. Ein Platzwart verdient 42.000€ im Jahr, um ein Beispiel der 56.000 Mitarbeiter inklusive aller Zulieferfirmen im Wirtschaftsbereich Profifußball zu nennen. Nach der geplatzten Blase rund um die Gehälter gilt es mit einer ausgeglicheneren Wirtschaftsweise zu genesen. Weniger Rekordablösesummen, mehr Sportverein.
In der Zwischenzeit können wir die pausierenden Profisportler in ihren Villen beim Social Distancing auf Social Media zusehen. Ein stummer Schrei nach Fußballliebe. Doch ich kann euch beruhigen: Der Sport Fußball wird nie bankrottgehen, höchstens das Geschäft und das ist nicht systemrelevant.
Text: Christian Schneider Teaserbild: Photo by Emilio Garcia on Unsplash
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