Waldorfschulen sind arg umstritten: Professor Jens-Holger Lorenz hält die Einrichtungen für groben Schwachsinn. Schüler Leo fühlt sich trotzdem wohl und geht gerne hin - wenn er sich mitunter auch grob unterfordert fühlt.
20. March 2007 - 14:01 SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
"Manche denken, dass wir den ganzen Tag nur durch den Wald rennen und Bäume umarmen", sagt Leo Merkel. Er ist Waldorfschüler. Nicht im Wald, nicht im Dorf, sondern mitten in der Stadt. Die dummen Sprüche jucken Leo längst nicht mehr. Links rein, rechts raus.
Dass das Konzept seiner Schule heftig diskutiert wird, bekommt er aber schon mit: "Tanz mal deinen Namen, daran denken viele zuerst. Dabei gibt es so viel mehr. Wir machen doch in der Waldorfschule genauso Chemie, Biologie und Erdkunde." Zudem gehe es um handwerkliches Können, Geschick, Ausdauer: Buchbinden, Schneidern und Schmieden stehen auf dem Lehrplan, zudem Exkursionen zu Werkstätten.
Was Kritiker in Frage stellen, sind aber auch weniger die Inhalte, sondern die Methoden. Jens-Holger Lorenz, Professor für Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und Waldorf-Experte: "Halbstündiges Gespringe und Rhythmiklehren führen nicht dazu, dass sich die mathematischen Fähigkeiten eines Schülers verbessern." Getreu der Pädagogik des Waldorf-Urvaters Rudolf Steiner seien solche Szenen aber an der Tagesordnung: gerne mal alberne Daddelspielchen, Ulk-Übungen, Larifari. "Harten Frontalunterricht gibt es in der Waldorfschule nicht. Gerade im Fach Mathematik, aber auch sonst haben viele Waldorfschüler einen sehr geringen Wissensstand. Die zur Verfügung stehenden Verfahren sind ungeeignet. "
Der Professor ist überzeugt, dass Waldorf nicht viel taugt. "Auch bei den Waldorfschulen gibt es zwar gute und schlechte. Ich kann mich mit der Philosophie dahinter aber absolut nicht anfreunden. Allen Handlungen liegt Steiners eigenartiges Menschenbild zugrunde, die Methoden, die daraus abgeleitet werden, sind meistens Schwachsinn", sagt Lorenz. Ein Wechsel auf die Regelschule sei für Waldorfschüler fast nie möglich, weil zu viel Wissen fehle. Lorenz vergleicht die Schulen gar in Ansätzen mit Sekten - wegen der eigenen Weltanschauung und der Verkapselung von innen.
Der Sektenvergleich ist natürlich Quatsch. Sonst wären Waldorfschulen wohl auch kaum staatlich anerkannt. Schon deshalb versteht Leo die Kritik nicht. In manchen Dingen gibt er dem Heidelberger Professor aber recht: Etwa wenn der behauptet, dass es nur schleppend vorwärts gehe. "Wir kauen manchmal einfach zu lange auf den Themen herum. In solchen Momenten fühle ich mich unterfordert", sagt Leo. Ob das den Waldorfschülern irgendwann teuer zu stehen kommen wird?
Leo macht sich deswegen keine Sorgen. "Ich möchte gar nicht auf ein normales Gymnasium wechseln", sagt er. "Auf der Waldorfschule fühle ich mich wohl. Und schließlich mache ich dort ein ganz normales Abi wie alle anderen auch." Und dafür muss er nicht mal groß Bäume umarmen. Nur die dummen Sprüche mit Fassung nehmen.
Text: Eva Henschke, Martin Machowecz
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